Beyond Eyes (PS4) im Test – Sehen lernen, ohne zu sehen

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Vor ein paar Jahren begann eine junge Videospielentwicklerin an einem ganz besonderen Projekt zu arbeiten. Ihre Inspiration und die Idee hinter dem Spiel entnahm sie der Realität: Ein plötzlich erblindetes Mädchen ist auf der Suche nach seiner Katze. Doch es sollte drei Jahre dauern, bis der Entwicklerin namens Sherida Halatoe unter die Arme gegriffen wurde, und plötzlich ging alles sehr schnell. Halatoe bekam Unterstützung durch Team 17, die gemeinsam mit ihr am Spiel arbeiteten. Mittlerweile steht Beyond Eyes auf mehreren Plattformen zur Verfügung und bietet uns einen neuen Blick auf die Welt. Ob sich der Titel lohnt oder ob es sich dabei um pure Geldverschwendung handelt, verraten wir euch in unserem Test.

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Und plötzlich – Nichts

Beyond Eyes erzählt die Geschichte der zehnjährigen Rae, die durch einen tragischen Unfall mit Feuerwerk im Sommer ihr Augenlicht verliert. Die Welt um sie herum verschwindet – interessanterweise nicht in bedrückende Schwärze, sondern in leere Weiße. Rae hat es zunächst schwer, doch eines Tages bekommt sie Besuch von einer Katze. Die beiden werden die besten Freunde – doch nach einiger Zeit kehrt Nani, die Katze, nicht mehr zu Rae zurück. Sie beginnt sich Sorgen zu machen, verlässt ihren schützenden Garten und sucht ihre beste Freundin – Nicht ahnend, mit welchen Gefahren sie konfrontiert wird.

Beyond Eyes ist kein Spiel der klassischen Art. Es stellt euch nicht vor schwierige Rätsel, schickt euch zu keinen Klettereinlagen und hält sich auch mit den Schusswechseln zurück. Beyond Eyes ist ein langsames Spiel, das euch sogar das Gefühl für Entfernungen verlieren lässt, wenn ihr euch wirklich auf den Titel einlasst. Es hält mit seinen Botschaften nicht hinter dem Berg und hat doch die eine oder andere versteckte Botschaft parat. Das wichtigste am Spiel ist nicht das, was euch gezeigt wird, sondern das, was ihr nicht sehen könnt.

Beyond Eyes richtet sich dabei merklich nicht an Erwachsene, sondern an Kinder. Es soll dabei helfen, mit Ängsten und Verlust klar zu kommen. Und gleichzeitig soll es einen anderen Blick auf die Welt ermöglichen. Es zeigt hervorragend, was Wirklichkeit und Einbildung ist und lässt uns mit der Frage zurück, ob die Welt wie wir sie in Beyond Eyesgesehen haben, wirklich so aussah oder ob wir nur der Vorstellungskraft von Rae erlegen waren. Doch bevor wir uns nun ganz auf die philosophische Idee begeben, möchten wir euch vom Gameplay an sich berichten.

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Geräusche leiten den Weg

Ihr verfolgt in Beyond Eyes die kleine Rae, die sich ihren Weg bahnen muss. Ihr seht dabei nur in einem geringen Umkreis um euch herum, jeder Schritt offenbart euch ein wenig mehr von der Welt um euch herum. Netterweise bleibt meist das sichtbar, was ihr ohnehin schon hinter euch erkundet habt. Auch wenn das mit dem Erkunden ein äußerst interessanter Punkt ist. Man selbst entdeckt immer mehr wie man sich in die Rolle von Rae hineinfindet: Zunächst tapst man langsam durch den Garten, wir entdeckten uns sogar dabei, dass wir zu Beginn lediglich auf den Wegen liefen, das war uns einfach am sichersten. Immerhin weiß man ja nicht, was einen abseits des Weges erwarten könnte. Erst nach einiger Zeit waren wir mit der Situation vertraut, sodass wir uns auch abseits der Wege aufhielten und die Welt versuchten zu erkunden.

Hin und wieder leiten euch auch die Geräusche der Umgebung, die euch manchmal jedoch auch in die Irre führen. So kommt es vor, dass Rae das Plätschern von Wasser hört und sich darunter einen schillernden Springbrunnen vorstellt – wenn wir uns jedoch dem Geräusch nähern, erkennen wir, was es wirklich ist, nämlich ein Abwasserrohr, aus dem eine sehr braune Brühe läuft. Und an genau diesen Stellen fragt man sich, ob wir die Welt so wahrnehmen wie Rae sie sich vorstellt oder ob wir doch die Realität dieser virtuellen Welt sehen. Ist all das, was wir sehen und hören tatsächlich auch so da?

Beyond Eyes hat eine unheimlich gute Atmosphäre, die uns fest im Griff hatte, uns emotional packte und uns am Ende zunächst verzweifelt, dann hoffend zurückließ. Zudem wird der Spieler jedoch nicht nur vor die Herausforderung gesetzt, nichts oder nur wenig zu sehen, es kommt ein Moment im Spiel, in dem ihr durch die Gegend tapst und nicht wisst, woher ihr kamt und wohin ihr überhaupt gehen sollt. Wir haben uns regelrecht hilflos in diesem Moment gefühlt hatten uns sehnlichst nach einer Hilfe gesucht, doch keine gefunden. Viel eher sind wir in einen Haufen Möwen gelaufen, die Rae verängstigt haben. Solche „Gefahren“ gibt es einige, die es euch nicht ermöglichen, weiter zu gehen. Keine der Gefahren ist jedoch wirklich gefährlich, also keine Angst.

Beyond Eyes möchte, dass ihr euch mit der Umgebung befasst, dass ihr auf euch selbst achtet und in der Idee versinkt. Auf diese Weise findet ihr auch einige Dinge, mit denen ihr interagieren könnt. Wirkliche Rätsel oder richtig viele Dinge, mit denen ihr interagieren könnt, gibt es im Übrigen nicht. Braucht es aber auch nicht, denn wir möchten an der Stelle nochmals erwähnen: Ihr seid ein blindes Mädchen, das seine Katze sucht. Löst ihr doch mal ein Rätsel, das ihr nicht sehen könnt. Zudem werdet ihr euer Gefühl für Entfernungen verlieren: Es wird euch vorkommen, als wärt ihr schon eine ganze Weile unterwegs. Doch dann schaut ihr euch um und erkennt, dass ihr erst wenige Schritte von eurem Startpunkt gegangen sein. Das ist zum einen aufgrund der Blindheit, zum anderen aber auch weil Rae nicht wirklich schnell läuft.

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Die Blick unter die Haube

Beyond Eyes hat auf der PlayStation 4 nicht wirklich viele Macken, die den Spielfluss beeinflussen würden. Genervt hat uns im Grunde nur die Steuerung, da Rae hin und wieder an irgendwelchen Pixeln im Gras hängen bleibt und sich dann ein paar Sekunden lang nicht mehr bewegen lässt. Bei uns hat es an diesen Stellen immer geholfen, den Controller kurz loszulassen und dann erneut unser Glück zu versuchen. Ansonsten leidet vor allem das Gras an Kantenflimmern, was aber wirklich nicht tragisch ist.

Das Spiel hat eine Länge von ungefähr 2 Stunden, wenn ihr stur auf der Suche nach der Katze seid. Das erscheint möglicherweise recht kurz, ist aber für das Setting und die Idee vollkommen ausreichend, wie wir finden. Sehr viel länger hätte man die Idee gar nicht ausstrapazieren können, ohne dass es gleich nervend wird. Aber gerade diese Kürze sorgt dafür, dass der Spannungsbogen ganz in Ordnung bleibt und nicht an irgendwelchen Stellen in die Länge gezogen wird. Zumal man auch gern wiederkommen kann, immerhin wird man von einem Mal durchspielen nicht alle Trophäen erhalten. Wenn man also zu der Gruppe der Trophäenjäger zählt, wird man mindestens noch einmal mit Guide zurückkommen.

Im Übrigen kommt der Ton der Schritte aus den Lautsprechern am Controller, alle anderen Geräusche kommen allerdings aus dem Fernseher. Wir hätten es schöner gefunden, wenn alle Geräusche aus dem Controller kommen würden und nur die Musikstücke ihren Weg aus dem Fernseher finden würden. Aber das sind Designentscheidungen und wenn man sich auf Beyond Eyes einlässt, merkt man den Unterschied kaum noch. Zudem sind die Musikstücke wirklich schön gewählt, wichtige und spannende Szenen werden auch entsprechend untermalt. Und apropos untermalt: Der Zeichenstil ist einzigartig, schön und schlicht und doch außergewöhnlich. Besonders angetan waren wir von den „Geistern“, die uns immer mehr von der Welt enthüllt haben.

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Fazit: Emotionale Geschichten zwischen Wirklichkeit und Vorstellung

Beyond Eyes ist kein Spiel, das man leichtfertig spielen sollte. Man sollte sich Zeit und Ruhe dafür nehmen, damit man sich auf das Setting und das Spiel an sich einlassen kann. Beyond Eyes lehrt euch zu sehen, ohne sehen zu können und gibt euch jede Menge Botschaften über Freundschaft, Liebe und die Gesellschaft an sich mit auf den Weg. Es ist ein fast schon magisches Märchen, das Kindern mit Verlust umzugehen zeigt und Erwachsene auf emotionale Reisen mitnimmt, die man bei Blockbustern nicht zu erwarten braucht.

Beyond Eyes hat jedoch nicht nur gute Momente, sondern bockt vor allem in der Steuerung, die einen manchmal an irgendwelchen Pixeln hängen lässt. Aber das ist so ziemlich das einzige Manko, das wirklich störend ist. Ihr dürft bei Beyond Eyes kein rasantes Spiel erwarten, denn es ist langsam, was jedoch in erster Linie der Idee zu verdanken ist. Und dennoch empfehlen wir Beyond Eyes all jenen, die lernen möchten zu sehen und sich auf eine emotionale Reise einlassen wollen, die einen zunächst hoffnungslos zurücklassen wird.

Pro Contra
+ Interessantes Artwork – Bockige Steuerung
+ Individuelle Idee – Leichtes Kantenflimmern
+ Emotionaler Tiefgang – Relativ kurz
+ Besonders für Kinder geeignet  
+ Schöner Soundtrack  
+ Emotionale Geschichte mit wechselndem Blick auf die Welt  

Technik: 79

  • Grafik: 90
  • Sound: 89
  • Umfang: 70
  • Gameplay: 72
  • KI: 76

Spielspaß: 93

  • Story: Wir haben selten eine so emotionale Reise erlebt, die uns am Ende hoffnungslos und einsam zurückließ. Selten konnten wir uns so gut in eine Figur hineinversetzen und mit ihr hoffen und bangen.
  • Frustfaktor: Für Frust sorgt allein die Steuerung, die Rae manchmal an irgendwelchen Pixeln hängen lässt.
  • Wiederspielwert: Wir finden Beyond Eyes sehr emotional und können uns in naher Zukunft nicht vorstellen, erneut in diese Welt zu begeben. Vermutlich wird man nach einiger Zeit noch einmal seine Momente erleben.
  • Design/Stil: Der Stil ist schlicht und schön und doch bezaubernd.
  • Musik: Der Soundtrack ist schön und hebt bestimmte Momente gelungen hervor.

Information: Vielen Dank an Team 17 für die Bereitstellung des Musters.

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Beatrice Eichhorn
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