The Witcher III: Wild Hunt (Xbox One) im Test – Das Riesen-Rollenspiel

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Es ist das bisherige Mammutprojekt des Spielejahrs 2015: Schon seit einer ganzen Weile wissen wir, dass The Witcher III: Wild Hunt ein Riese unter den Rollenspielen werden würde. Und wohl ebenso groß sind die Erwartungen der Spieler, hofften wir doch auf nicht weniger als das erste pure „Next-Gen“-RPG. Nach zwei Verschiebungen ist es jetzt soweit – Geralt von Riva macht sich auf zum Abschluss seiner Saga. Ob The Witcher III: Wild Hunt so gut geworden ist wie erwartet, verrät der Test. Für den Test stand uns die Xbox One Fassung zur Verfügung.

Die Welt braucht keine Helden…

The Witcher III: Wild Hunt braucht so ein bisschen, bis es richtig in Fahrt kommt, und leider gehört der Einstieg nicht gerade zu den starken Seiten des Spieles. Der Prolog begrüßte uns mit einem Dauerruckeln im Gepäck und zudem mit einigen schlecht geschnittenen Szenen, zudem wollte die Stimme der jungen Ciri so gar nicht zu ihr passen. Der Einstieg ließ also nicht unbedingt Gutes vermuten – Aber zum Glück wendet sich in The Witcher III: Wild Hunt Vieles schnell zum Besseren. Nicht alles, aber vieles.

Es dauert nicht sehr lange, dann packt The Witcher III: Wild Hunt seine echten Qualitäten auf den Tisch. Hat man den Prolog und damit Kaer Morhen verlassen, so wartet eine ganze Welt darauf, erkundet zu werden. Eine Welt, wie man sie sich nur wünschen kann: In The Witcher III: Wild Hunt gibt es unendlich viel zu erkunden, und wer die Hauptpfade verlässt, wird belohnt. Nicht nur mit unzähligen Gegenständen und Ausrüstungsstücken, sondern auch mit neuen Rezepten, Geheimnissen und nicht zuletzt neuen Herausforderungen. Mitunter sind optionale Geschehnisse und Widersacher anspruchsvoller als die auf dem Hauptweg – Wobei man hier gleich anmerken muss, dass das Balancing in The Witcher III: Wild Hunt stellenweise etwas problematisch ist und der Schwierigkeitsgrad stark schwanken kann. Darüber hinaus sind Levelangaben bei den Aufträgen nicht immer komplett zuverlässig.

CD Projekt hat sich mächtig ins Zeug gelegt, The Witcher III: Wild Hunt nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ gut auszustatten: Während die Spielwelt schon atmosphärisch ganz große Klasse ist, so hat sie es auch inhaltlich in sich und ist insgesamt unheimlich glaubwürdig. Haupt- und Nebenaufgaben bieten erfreuliche Verzweigungen und schicksalhafte Entscheidungen, deren Konsequenzen tatsächlich spürbar sind – Wie zum Beispiel in Form des zerstörten Dorfes oder des Händlers, mit dem wir es uns einfach verscherzt haben.

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Die Atmosphäre ist nicht nur hier ganz große Klasse

… sie brauch(t) einen Hexer

Im Laufe der Story werden unter anderem diverse politische Fraktionen etabliert, die zum Beispiel schon im Falle der Stadt Novigrad weiterhelfen, die Umgebung wie ein echtes funktionierendes Ökosystem erscheinen zu lassen. Und ganz abgesehen davon gibt es zum Beispiel das Kartenspiel Gwint, das ein unglaublicher Atmosphärepfeiler ist und die Glaubhaftigkeit der Welt noch weiter unterstützt. Unzählige NPCs können zu Gwint-Partien herausgefordert werden, und wir garantieren euch: Gwint ist verdammt anspruchsvoll – Einfach zu lernen, aber schwierig zu meistern.

The Witcher III: Wild Hunt erfordert auch an wenig an Einarbeitung und erweist sich auf Dauer glücklicherweise als wesentlich anspruchsvoller, als es idiotensichere Questbeschreibungen inklusive vorgezeichneter Wege auf der Minimap (im Menü deaktivierbar) im Vorfeld vermuten lassen würden. Gerade Kämpfe gegen furchteinflößende Monster im Rahmen der Hexeraufträge können ziemlich anspruchsvoll sein und erfordern Ausdauer. Das umfassende Bestarium hilft bei der Vorbereitung meistens weiter – Auch wenn einzusetzende Öle, Zeichen und Bomben meistens auch mit logischem Denken zu finden sind.

Das Aufleveln in The Witcher III: Wild Hunt dauert angenehm lange. Und während man logischerweise, durch die Hexernatur von Geralt, auf eine völlig freie Charakterentwicklung verzichten muss und viele Fertigkeiten vorgegeben sind, so macht es Spaß, seine eigenen Ausprägungen zu finden und diese zum Einsatz zu bringen. Das Kampfsystem erweist sich derweil als äußerst taktisch und gelungen – Die Entscheidungen, wie man seine Fertigkeitenpunkte verteilt, sind darüber hinaus direkt spürbar und können die Kämpfe gegen die richtigen Gegnertypen deutlich erleichtern.

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Diese Bestie begegne einem in einem der früheren Aufträge.

Hole fünf, töte zehn…

… auf diese Art von Quests verzichtet The Witcher III: Wild Hunt beinahe komplett, sondern weist einen extrem hohen Standard für Aufgabenqualität in einem Rollenspiel auf – Zumindest inhaltlich. Ein Kniff erfolgt aber viel zu oft und auch ziemlich platt: Wir sind es Leid, in der Hauptstory zum x-ten Mal den Spruch „Ich helf‘ dir gerne, aber zuerst musst du was für mich erledigen…“ zu hören.

Mechanisch und gameplaymäßig ist es durch die inhaltliche Vielfalt stellenweise etwas enttäuschend, dass die Aufgaben spielerisch teilweise repetitiv ausfallen. Das Versteckspielen mit Kindern, die Aufklärung eines Mordfalles und das Finden einer wilden Bestie und viele, viele mehr basieren nämlich alle auf ein- und demselben Spielelement, nämlich dem Einsatz der Hexersinne, also der Untersuchung eines bestimmten Bereichs, in dem interessante Objekte hervorgehoben werden. Das macht zwar immer Spaß, kann aber ganz schön oft vorkommen, je nachdem, wie man seine Aufgaben löst.

Angst zu haben, in The Witcher III: Wild Hunt einmal nichts zu tun zu haben, ist völlig unbegründet. Mit Möglichkeiten zur Erledigung von Aufgaben wird man geradezu überschüttet. Durch das Journal bleibt aber dennoch alles geordnet, zudem können viele Quests auch nicht gleich erledigt werden, da sie für ein zu hohes Level ausgelegt sind. Doch auch abseits der Aufgaben gibt es viel zu tun: Auf der Karte werden zahlreiche interessante Orte markiert. Wer diese Gelegenheiten nutzt, bekommt interessante Gegenstände. Wenn man sie nicht braucht, kann man sie nutzen, um sich wenigstens eine goldene Nase zu verdienen.

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Die Hexersinne kommen oft zum Einsatz

Open-World mit Abstrichen

Ein waschechtes Open-World Spiel ist The Witcher III: Wild Hunt in erster Linie deshalb, weil die komplette Welt prinzipiell eben immer komplett zugänglich ist – Dennoch könnte der eine oder andere möglicherweise doch enttäuscht werden, da spielerisch die eine oder andere Schwäche im System ist. CD Projekt hat sich dazu entschieden, trotz Open-World Ansatzes eine recht starre Struktur vorzugeben. Das zeigt sich zum einen darin, dass nie der rote Faden fehlt und man immer an die Hand genommen wird, zum anderen aber auch darin, dass einzelne Aufgaben letztlich lineare Abenteuer innerhalb der sehr großen Kulisse sind.

Während das wie gesagt eine Designentscheidung ist, die einige Spieler mehr, andere weniger ansprechen könnte, die aber so nicht unbedingt positiv oder negativ zu beurteilen ist, höchstens als leicht veraltet, so kommt eine zweite Dimension hinzu: The Witcher III: Wild Hunt setzt auf ziemlich viele Skripts – Und so entstehen mitunter eklatante Schwächen im Weltenkonzept, die an der eigentlich herausragenden Glaubwürdigkeit ganz schön nagen. Ein konkretes Beispiel: Im Laufe einer Hauptquest ist es durch das Spiel wohl fest vorgesehen, das ein bestimmtes Monster besiegt wird, das vor einem Höhleneingang wartet. Da der entsprechende Gegner bei uns aber buggy war, hatten wir einen Weg gefunden, ihn zu umgehen – Mit dem Ergebnis, das später eine Cutscene ausgelöst wurde, in der ebenjener Gegner besiegt auf dem Boden liegt und Geralt sich damit schmückt, ihn besiegt zu haben. Hier fehlt dem Spiel also die Dimension völlig, dass man den Gegner auch umgehen könnte.

Die Scripts sorgen noch für die eine oder andere weitere Unzulänglichkeit. So bleiben NPC-Reaktionen beispielsweise häufig zu lange aus, da wir nicht einen bestimmten Punkt überschreiten, oder aber, sie rennen noch schreiend vor uns weg, da The Witcher III: Wild Hunt an irgendeiner Stelle vergessen hat, unseren „Kampf“-Status auszustellen. Besonders spannend ist beispielweise auch das Verfolgen von Dieben in Novigrad, die netterweise so lange mit ihrer Beute in der Nähe des Opfers stehen bleiben, bis wir uns genähert haben. Eigentlich sollte es für sie doch heißen: „Nichts wie weg!“

Während all das ein wenig ärgerlich sein kann, so trägt es letztlich doch zur extrem guten Atmosphäre in The Witcher III: Wild Hunt bei. Strengere Strukturen und mehr Scripts zum Einsatz zu bringen ermöglicht es CD Projekt RED nämlich auch, viel dichter als andere zu erzählen. Und so entfaltet sich über die Spielstunden hinweg die Welt erst vor einem. Und mit zunehmender Erfahrung und mehr bekannten Teilen der komplexen Story taucht man immer tiefer in The Witcher III: Wild Hunt ein. Das Spiel übt dabei eine Motivation wie kaum ein anderes Spiel in der letzten Zeit aus.

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Auch unter Wasser gibt es häufig was zu finden.

Die große Technikfrage

The Witcher III: Wild Hunt wurde im Vorfeld des Releases noch Einiges an Skepsis entgegengebracht, wenn es um die Technik geht. Auch so Begriffe wie „Grafikdowngrade“ waren wieder im Umlauf. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass der Hexer gut ausschaut – Aber auch nicht überwältigend. Im Technikbereich hat The Witcher III: Wild Hunt viele Schwächen, die leider deutlich machen, dass noch mehr Feinschliff am Spiel nötig gewesen wäre.

Das größte Manko sind Framerateprobleme und eine insgesamt fehlende Optimierung, zumindest auf die Xbox One Hardware. So nehmen im Laufe der Spielstunden beispielsweise auch Ladepausen, vor allem während der Dialoge, deutlich zu und stören den Spielfluss, da sie mitunter sehr lange ausfallen. Und das, wo The Witcher III: Wild Hunt ja eigentlich ohne Ladezeiten auskommen sollte. Ganz gerne vergisst das Spiel auch das Laden bestimmter Elemente, sodass NPCs fehlen oder das Inventar leer bleibt. Oder die Map verschwindet vorrübergehend einfach.

Ärgerlich sind auch Patzer bei der Steuerung: Während die Reit- und Schwimmsteuerung öfters mit Aussetzern zu kämpfen hat, so fällt als größtes Ärgernis das Anvisieren von Gegnern im Kampf unnötig schwer. Auf das Drücken des rechten Sticks zum Anvisieren wird oft schlicht und einfach nicht reagiert, oder aber Ziele werden selbsttätig anvisiert bzw. gewechselt.

Zu diesen großen Mängeln kommen noch viele weitere kleine Atmosphärekiller: So ist das Bestehlen von NPCs beispielsweise problemlos möglich, falls keine Wachen anwesend sind. Darüber hinaus ist die Soundkulisse in Städten häufig unpassend, da im Hintergrund der Lärm von unzähligen Menschen eingespielt ist, während gerade vielleicht zwei NPCs unterwegs sind. Umso ärgerlicher, dass auch bei Händlern NPC-Recycling im großen Stil betrieben wird – So wie auch mit Kommentaren von Geralt und NPCs, die einem auf Dauer ganz schön auf die Nerven gehen können. Davon abgesehen sind die Musikuntermalung und die Soundkulisse ansonsten übrigens großartig und unterstreicht die ohnehin genial dichte Atmosphäre.

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Fazit: Ein überwältigendes Abenteuer

The Witcher III: Wild Hunt ist ein unglaubliches Rollenspiel – Mit so viel Größe, aber gleichzeitig so viel Vielfalt und Atmosphäre sowie verschiedenster Herausforderung begeistert nur ganz selten ein anderes Abenteuer, oder besser: Kaum eines überhaupt, bislang. Im Hinblick auf die inhaltliche Questvielfalt, die Fülle von optionalen Erkundungsmöglichkeiten, gelungene Verstrickungen & Entscheidungen sowie die Vielzahl von Rezepten, Händlern, Ausrüstungen sowie die grundsätzliche Atmosphäre und Konsistenz der Spielwelt können sich viele künftige Genrevertreter eine gehörige Scheibe abschneiden.

Gleichzeitig macht The Witcher III: Wild Hunt stellenweise auf die harte Tour deutlich, dass ein Werk dieser Größe beinahe niemals genug Feinschliff erhalten kann – Einiges wirkt etwas behelfsmäßig, unfertig oder gar leicht veraltet. Dass die Spielwelt auf dermaßen viele Scripts setzt und sich dabei mitunter eklatante Patzer erlaubt, ist eine grundsätzliche Designentscheidung und so nicht zu ändern. Dass The Witcher III: Wild Hunt aber mit dermaßen vielen technischen Problemen wie Framerateeinbrüchen, vollkommen ärgerlichen Ladeunterbrechungen und einer stellenweise extrem bockigen Steuerung zu kämpfen hat, wäre vermeidbar gewesen – Hätte aber eben noch einige Monate weiteren Feinschliff erfordert.

Weitere Kleinigkeiten wie das problemlose Stehlen, nervige NPC-Kommentare oder NPC-Recycling nagen noch etwas weiter an der eigentlich genialen Atmosphäre, die von so vielen Kleinigkeiten wie der hohen Vielfalt, der glaubwürdigen Welt und dem tollen Soundtrack gebildet werden. Und so ist The Witcher III: Wild Hunt zweifelsohne ein großartiges Rollenspiel, das einen Stunde um Stunde vor die Konsole fesselt. Trotz aller Mängel ist The Witcher III: Wild Hunt allemal ein Pflichtkauf für RPG-Fans.

Pro Contra
+ Großartige Atmosphäre – Probleme mit der Framerate und Stabilität
+ Große, detailreiche und extrem stimmige Welt mit vielen Erkundungsmöglichkeiten – Viele Scripts und mitunter heftige Patzer im Open-World Konzept
+ Tolle Soundkulisse und Musikuntermalung – Anvisieren im Kampf ein schwieriges Unterfangen
+ Inhaltlich großartige Quests – Mechanisch teils repetitives Questdesign
+ Gwint als toller und süchtigmachender Atmosphärepfeiler – Stellenweise lange Ladezeiten (!) + Häufe Nachladepausen
+ Jede Menge Aufgaben, teilweise verstrickt – Patzer bei der Steuerung, insb. Schwimmen und Reiten
+ Vollständige und größtenteils solide deutsche Synchronisierung – Sehr kleine Schrift
+ Unmengen an Rezepten, Handwerk & Loot – Stehlen in Abwesenheit von Wachen jederzeit möglich
+ Taktisches Kampfsystem mit Anspruch – Teilweise unpassende Soundkulisse in Städten
+ Schicksalhafte Entscheidungen und Konsequenzen – Nervige Geralt- und NPC-Kommentare

Technik: 87

  • Grafik: 80
  • Sound: 84
  • Umfang: 100
  • Gameplay: 83
  • KI: 88

Spielspaß: 89

Einzelspieler

  • Story: Die Story strotzt vor Vielfalt, Entscheidungen und Verstrickungen. Dabei wird mit diversen Motiven gespielt und erfreulicherweise gibt es nicht Schwarz oder Weiß, sondern sehr viel Grau. Etwas zu oft erfolgt der „Du hilfst mir und ich helfe dir“-Kniff.
  • Wiederspielwert: Um die Langzeitmotivation und den Wiederspielwert braucht man sich bei diesem Spiel keine Sorgen zu machen – The Witcher III: Wild Huntfesselt unzählige Stunden an den Bildschirm.
  • Frustfaktor: An manchen Stellen vorhanden. In der Regel ist The Witcher III: Wild Hunt eine gute Herausforderung und nie unfair, aber teilweise ist das Balancing etwas fragwürdig und die Steuerung kann insbesondere im Kampf bocken – Das ist ärgerlich.
  • Design/Stil: Atmosphäre und Stil sind ganz große Klasse. Die Spielwelt strotzt vor Atmosphäre. Die technischen Einschränkungen nehmen teilweise etwas von der Stimmung!
  • Musik/Sound: Die Musikuntermalung ist genial. Die eigentlich gute deutsche Synchro weist durchaus einige Fehlgriffe auf. Ärgerlich sind nervige NPC-Kommentare und die manchmal unpassende Soundkulisse – Vor allem in Städten. Ganz gerne fehlen zwischendurch auch mal Soundeffekte.

Informationen zum Testgerät
Plattform: Xbox One
Hardware: Titel installiert auf externer USB 3.0 Festplatte (2 TB)
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 7 Monate

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Manuel Eichhorn
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