Stell dir vor, du erwachst. Kannst dich an nichts mehr erinnern. Das Haus, in dem du bist, kommt dir nur bedingt bekannt vor. Du weißt nicht, was du hier tust. Auf der Suche nach Antworten findest du ein Mädchen, bei dem es sich um deine Tochter zu handeln scheint. Sie lebt nicht mehr, dafür findest du ihre Seele und bist bereit, Hommunculi zu opfern, um sie lebendig zu machen. Klingt seltsam? Dies ist genau das Szenario aus My Lovely Daughter. Ich habe mit den Titel auf der Switch angesehen und verrate euch im Test mehr.
Beklemmung und Bedrückung
My Lovely Daughter informiert euch gleich zu Beginn, dass es euch nicht gut gehen wird, wenn ihr dieses Spiel spielt. Es möchte vor allem auf Kinderarbeit, elterlichen Missbrauch und ignorante Gesellschaften hinweisen und versetzt euch deswegen in eben jene Stimmungen. Und das tut es sehr gut.
Zu Beginn war ich verwirrt. Ich wusste nicht, was ich tue. Ich wusste jedoch sehr genau, dass ich diese niedlichen kleinen Hommunculi, die auch noch wie kleine Mädchen aussehen, nicht töten kann, nur um irgendeine Leiche zum Leben zu erwecken. Doch das Spiel verlangt das von euch, bereits im Tutorial. Es fiel mir schwer, auf Sacrifice zu drücken und das junge Mädchen zu opfern, in der Hoffnung, meine richtige Tochter zum Leben zu erwecken können. Später, wenn ihr die Mädchen bereits mit in die Stadt genommen habt und sie für euch gearbeitet haben, opfert ihr weitere und weitere. Immer nur im Irrglauben, irgendwie eure Tochter zurückzubekommen. Am Anfang durchzuckte es mich jedes Mal, wenn ich einen Hommunculus abgab und mir in einem schrecklichen Bildschirm sein Schicksal erklärt wird. Jeder Hommunculus weint immer bitterlich, wenn ihr ihn umbringen wollt. Natürlich möchte er nicht sterben, schließlich wurde er geschaffen, um uns zu helfen – und irgendwo lieben wir ihn ja auch und er liebt uns.
Doch, das war nur der Anfang. Ich habe nach einigen Opferungen begriffen, dass es nur ein Spiel ist und ich mir immer wieder neue Hommunculi schaffen kann, wenn ich will, auch immer wieder die gleichen, damit ich sie um mich habe. Ich habe erkannt, dass sie nur Mittel zum Zweck sind. Ein Mittel zum Zweck für einen fast irrsinnigen Versuch, meine eigene, langsam vor sich hin stinkende, Tochter zum Leben zu erwecken. Witzigerweise fällt es mir bei grotesken Hommunculi leichter, sie einfach zu opfern. Sind sie niedlich und sehen sie zu menschlich aus, zögere ich auch jetzt noch.
Der Weg des Scheiterns
Meine Woche beginnt damit, neue Hommunculi zu erschaffen und ihnen Geschenke zu geben, damit sie mich mögen und somit bessere Ergebnisse erzielen. Ich pflege sie und beschäftige mich mit ihnen, um dann mit ihnen in die Stadt zu gehen. Schließlich brauche ich Geld. Ich selbst rühre natürlich keinen Finger, sondern verteile meinen zauberhaften Mädchen in der Stadt und lasse sie irgendwo arbeiten. Hauptsache, sie verdienen Geld. Jedes Mädchen gehört dabei einer Gefühlswelt an (Sadness, Anger, Joy, Fear), die die Arbeiten bestimmen, die sie erhalten, und die dann relevant sind, wenn ich sie umbringe. Die Woche in der Stadt dauert je sechs Tage, an denen die Mädchen verschiedene Jobs annehmen können – soweit natürlich alles legal und nichts verruchtes. Immerhin.
Sind wir wieder zurück, schaue ich, wen ich opfern kann und wer noch Zuwendung braucht. Anschließend habe ich vielleicht Glück und kann ein Ritual vollziehen, um meine stinkende Tochter zum Leben zu erwecken. Viel zu häufig fühlt es sich jedoch wie ein Scheitern an, denn viel zu häufig muss ich die Seele meinter Tochter doch wieder aus ihr herausziehen, weil sie irgendwie immer noch kaputt ist. Viel zu häufig ärgere ich mich dann, dass ich meine Mädchen geopfert habe, um diesem nutzlosen Objekt Leben einzuhauchen. Es fühlt sich an, als würde ich jedes Mal verlieren – und wenn es nicht meine Mädchen sind, dann ist es meine Menschlichkeit, die mit jedem Mal schwindet. Irgendwann frage ich mich, warum wir eigentlich diese nutzlose Leiche beleben wollen, doch dies wird nur nach und nach enthüllt, sodass ich viel zu lange im Dunkeln tappe.
Die Technik des Beschwörens
Gesteuert wird in My Lovely Daughter mit dem linken Stick, der sich wie ein Mauszeiger bewegt und sich auch so verhält. Dabei fällt die Herkunft aus der Welt der PC Spiele auf und das ist etwas schade. Viel zu oft springt der Cursor nicht dorthin, wo er hin soll. Das ist ärgerlich, vor allem in der Stadt, wenn die meisten Jobs nur einige Sekunden anwählbar sind und ich dann meinen Cursor wieder suchen muss. Auch so steuert es sich nicht sonderlich rund, sodass zum Beispiel die Schultertasten nur genutzt werden, um zwischen den Seiten des Buches und der Items zu wechseln, nicht aber, um zwischen den Hommunculi zu wechseln, was das Ganze deutlich vereinfacht hätte. Hier hätte deutlich mehr Feingefühl her gemusst. Die Musik hingegen trägt sehr gut zur Atmosphäre bei und wird hin und wieder durch das Lachen von Kindern untermauert. Sehr gut gelungen.
Etwas schade ist das Gameplay an sich schon, denn es wiederholt sich viel zu häufig. Der Druck und die Beklemmung greift nur einige Spielzeit, doch schon sehr bald wird es zu einem Muster. Es wird egal, ob man die Mädchen nun tötet oder nicht. Dafür fühlt es sich jedes Mal an als würde man verlieren, wenn man die olle Tochter nicht wiederbeleben kann. Hier hätte ich mir deutlich mehr Abwechslung gewünscht. Vielleicht eine Möglichkeit, die Incredients in My Lovely Daughter selbst anzubauen oder zu handeln. Irgendwas, um das Ganze noch weiter anzustacheln und so eine noch engere Bindung zu den Mädchen aufzubauen, sodass es am Ende noch schwieriger wird, sie zu opfern. So ist es mit ihnen bei Level 10 bereits vorbei, was einfach viel zu schnell geht.
Fazit: Für makabere Fans empfohlen
My Lovely Daughter ist ein kleines Spiel, das euch beklemmen soll. Es möchte, dass ihr euch elend fühlt, weil ihr arme kleine Mädchen zur Kinderarbeit zwingt und sie dann auch noch umbringt. Es zeigt euch mit einigen Szenen, wie die Mädchen sterben, welchen Tod ihr ihnen bereitet habt. Doch leider verliert es nach einigen Spielwochen seinen Reiz, es wird repetitiv, die Mädchen ein Mittel zum Zweck, der Zweck zum nutzlosen Ziel. Das ist sehr schade, denn die Beklemmung und die Abneigung, eines der Mädchen zu opfern, sind sehr groß, rücken jedoch immer mehr in den Hintergrund und werden von immer gleichen Elementen und einer nicht ganz runden Steuerung auf der Nintendo Switch in den Schatten gestellt.
Ich persönlich möchte nicht sagen, dass ich meinen Spaß mit My Lovely Daughter hatte, da es hinsichtlich des Szenarios unangebracht ist, dennoch habe ich eine gute Zeit mit dem Spiel verbracht und war zunächst angestachelt, die Tochter wieder zu erwecken. Nach einiger Zeit habe ich mich jedoch gefragt, warum ich das tun sollte. Die Mädchen, die ich selbst beschwöre, sind lieber und mögen mich. Sie arbeiten für mich. Diese Tochter liegt nur in der Ecke und stinkt. My Lovely Daughter ist ein wirklich nettes Spiel, vor allem um auf all die genannten Themen aufmerksam zu machen. Ich denke, dass es sogar ein Spiel ist, dass man in der Schule verwenden sollte, um eben diese Themen aufmerksam zu machen.
Pro | Contra |
+ Beklemmende Themen | – Steuerung nicht gut an Switch angepasst |
+ Es schürt Angst vor Entscheidungen | – Nach einiger Zeit ist es sehr repetitiv |
+ Hervorragende Musik | – Beklemmung verschwindet bald, da Mittel zum Zweck |
+ Dichte Atmosphäre |
Technik: 76
Grafik: 86
Sound: 85
Umfang: 75
Gameplay: 57
Spielspaß: 84
- Story: Du bist ein Alchemist, der seine Tochter wiederbeleben will. Dafür opferst du heraufbeschworene Hommunculi, die wie kleine Mädchen aussehen. Nett, hm?
- Frustfaktor: Recht hoch, da sich jede Woche ein wenig mehr wie Scheitern anfühlt.
- Wiederspielwert: Recht hoch, wenn es darum geht, weiter zu spielen.
- Design/Stil: Ganz interessanter Stil, der mich ein wenig an Don’t Starve erinnert hat. Farblich hält es sich im Sepia Bereich auf.
- Musik: Passend trägt sie zur Atmosphäre bei.