Diablo IV (PS5) im Test – Lilith ist nur der Anfang

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Diablo IV ist durchaus nach einer vernünftigen Zeit erschienen: Dreieinhalb Jahre nach der Enthüllung im Jahr 2019 war es soweit. Blizzard Entertainment hat während der Entwicklungszeit, die natürlich deutlich ging, ein beeindruckend großes Action-RPG geschaffen – bei dem ich persönlich sehr gespannt war, ob es für mich an Diablo III anknüpfen können würde, welches eines meiner meistgespielten PS4-Titel ist. Doch Blizzard Entertainment ist mittlerweile ein anderes Studio. Während es bei manchen Aspekten von Diablo IV zurück zu den Wurzeln geht, geht es mit anderen Elementen straff in die Gaming-Zukunft. Und das bedeutet nicht unbedingt Gutes. Warum Diablo IV einerseits ein beeindruckendes Spiel ist – und warum ich es wahrscheinlich dennoch erst mal weglege.

Hallo, Lilith – Es war schön mit dir

Diablo IV wird ein Spiel sein, in dem vor allem über die Jahre hinweg die ursprüngliche Kampagne immer mehr in den Hintergrund treten wird. Das ist für die Reihe nicht unbedingt etwas Neues, denn schon immer war das Endgame und zum Beipsiel in Diablo III der Abenteuermodus das eigentliche Herzstück des Spieles und auch der Teil, mit dem man sich deutlich länger beschäftigen kann.

In Diablo IV wird es aber durch die Saisons mit inhaltlichen und spielerischen Neuerungen und durch die Battle Pass Strukturen noch deutlich mehr der Fall sein – die Kampagne von Diablo IV gerät ziemlich schnell in Vergessenheit, was aber durchaus schade ist, denn in vielerlei Hinsicht macht das Spiel bei seiner Erzählweise und der Atmosphäre gute Schritte nach vorn.

Es gibt nun echte Zwischensequenzen im Spiel und es wird nicht alles über Audio und Text erzählt – wenngleich das auch immer noch einen großen Fokus hat. Doch Diablo IV erzählt die wichtigen Dinge deutlich fokussierte und erschafft auch eine großartige Atmosphäre. Sanktuario vermittelt aus jeder Pore das Gefühl, eine Spielwelt zu sein, über die die Düsternis gekommen ist, da ein Dämon sie heimsucht.

Spielerisch konnte mich die Kampagne im Vergleich zur Erzählung weniger begeistern: Von der Welt nimmt man vor allem gegen Ende nur sehr oberflächlich etwas mit, obwohl dieses Sanktuario von Diablo IV sehr gelungen ist, allerdings geht es dann, wenn man die Story auch mal durchhaben will, nur noch für kleinere Dinge viel zu oft zwischen verschiedenen Orten hin und her. Dazwischen sind dann schon von Anfang an einige Dungeons und Abschnitte, die sich unnötig ziehen, und so richtig spannende Bosskämpfe gibt es in der Kampagne auch nicht. Da hatte Diablo III im direkten Vergleich deutlich mehr zu bieten. Und plötzlich ist dann auch alles vorbei und es heißt: Tschüß, Lilith, hallo Diablo IV, hallo Endgame, hallo Sanktuario. !B

Lilith bedroht eine Figur im Spiel: "Seid wann seid Ihr so... schwach?"
Lilith ist eine furchteinflößende Widersacherin – und von Claudia Urbschat-Mingues herausragend vertont.

Das Ende ist erst der Anfang

Natürlich ist Lilith auch nicht für immer verschwunden, denn es gibt da ja noch Echos, Finaldungeons, Geflüter, Höllenfluten, Legions-Ereignisse, Weltenbosse und Vieles mehr. Diablo IV ist nach dem Abschluss der Kampagne mit verschiedenen Features und Elementen vollgeladen, die fast überall in Sanktuario stattfinden, aber vor allem auf den beiden höheren Weltstufen konzentriert sind. Da winkt dann natürlich auch die beste Ausrüstung.

Ich möchte hier nun gar nicht so sehr auf die einzelnen Elemente und ihre Stärken und Schwächen von Diablo IV eingehen, denn natürlich ist es so, dass man sich mit dem Spiel viele, viele Stunden, ja sogar Hunderte Stunden beschäftigen kann. Doch mehr, als ich es möchte, baut Diablo IV auch einen Druck auf, genau das zu tun, es zwingt mich regelrecht, es zu tun, und vor allem, alle seine Elemente verwenden, wenn ich wirklich erfolgreich sein will.

Diablo IV ist ein Always-On Spiel, das sich in manchen Momenten wie ein MMORPG anfühlt, wenn man wirklich mal anderen Spieler*innen begegnet und mit ihnen etwas gemeinsam macht. Doch das ist alles nur sehr oberflächlich und kommt nicht besonders oft vor – es ist maximal ein halbgares MMORPG und auf die Always-On-Elemente hätte ich unterm Strich ehrlich gesagt voll und ganz verzichten können. Doch Diablo IV versucht denselben Strudel eines MMORPGs aufzubauen: Erledige dies und das und alles in einer bestimmten Zeit, denn zum Zeitpunkt X endet meine Saison.

Natürlich beziehe ich mich nun auf die Saisons, von denen grade die erste läuft. Gutes Gegenargument: Man kann auch für immer auf dem Ewigen Realm bleiben, der vom Saisongeschehen komplett losgelöst ist, aber dafür ist mir vor allem das Endgame nicht spannend genug. Die Vielfalt der Geflüster ist schnell erschöpft und auch die Dungeons im Spiel finde ich nicht besonders spannend: Viele davon sind sich zu ähnlich oder völlig unspektakulär. Bei den Dungeons hätten es weniger Dungeons in der Spielwelt getan, die dafür auch einzigartige Elemente bieten oder zumindest nicht ständig ein sich wiederholendes Design bieten.

Wenn ich aber so was wie die Saison anpacke, möchte ich es auch gern halbwegs realistisch abschließen können, doch das schafft man fast nur, wenn man Diablo IV zu seinem Hauptspiel macht und viel Zeit investiert – Saison für Saison. Und dann zwingt dich das Spiel auch dazu, alles zu tun: Dann musst du PvP spielen, dann musst du dich auch dem größten Schwierigkeitsgrad stellen, und so weiter. Klar, macht das einerseits den Reiz aus, andererseits erhöht es nicht die Barrierefreiheit und vor allem PvP möchte ich einfach nicht wirklich spielen – es macht mir auch nicht besonders viel Spaß.

Was man nun noch nicht beurteilen kann: Wird Blizzard Entertainment es schaffen, die Saisons auch auf Dauer spannend zu halten? Die Saisongeschichte fand ich in Saison 1 sehr unspektakulär und auch sie war ganz plötzlich vorbei. Doch vor allem beim Thema Langzeitmotivation frage ich mich schon, ob es auch nach vier Saisons noch spannend ist, sich wieder in denselben Strudel zu stürzen. !B

Saisonreise der ersten Saison, Etappe 5. Markiert ist das Ziel: "Das erste Ohr abschneiden", mit der Beschreibung: "Töte einen anderen Spieler im PvP."
Ein Blick auf die Saisonreise – klar, ich muss nicht alles erfüllen, aber PvP nimmt dennoch einen zentralen Raum ein.

Ah, schon wieder du…!

Beim Thema Abwechslung vermisse ich vor allem eine Sache aus Diablo III: Das war eines der wenigen Spiele, in denen ich die zufällig generierten Weltabschnitte mochte. Diese haben die Ereignisse und auch die Quests in der Welt immer wieder aufgelockert. Diablo IV hat eine maßgeschneiderte Spielwelt, die sich nicht so dynamisch verändert. Das bedeutet auf der einen Seite, dass die Welt sehr detailreich ist und Blizzard Entertainment seine Vision für Sanktuario perfekt umsetzen konnte – das hat definitiv auch viele Vorteile.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass ich schon beim finalen Release von Diablo IV von den Nebenquests in der Spielwelt am Anfang genervt war, da sie jedes Mal genau gleich ablaufen – so wie die Weltereignisse an den einzelnen Orten auch. Es fehlt einfach die Vielfalt und die Überraschungen, zumal sich ein und dasselbe Event auch an verschiedenen Orten wiederholt und somit nicht grade spannender wird.

Auch die Geflüster bringen einen immer wieder dazu, ähnliche Dinge zu tun und natürlich ist Sanktuario sehr groß und natürlich ist Wiederholung immer ein essentieller Teil von ARPGs und das lässt sich auch nicht verhindern, doch dann kommt abrundend ja auch noch der Battle Pass dazu, der das Freischalten der (kosmetischen) Belohnungen absolut linear macht und jede Überraschung rausnimmt. Auch wenn der Loot natürlich im Spiel ist, hat sich Diablo IV für mich somit eher als ewiger Strudel eingebrannt, der mich hauptsächlich dazu zwingt, seine 1.000 Elemente zu absolvieren, egal ob ich das möchte oder nicht. !B

Schlacht in Diablo IV.
Eine Schlacht in Diablo IV: Effektreich und gut zu spielen.

Der wunderbare Kern

Ich finde das alles sehr schade, denn in seinem Kern bietet Diablo IV alles, was ich mir von diesem Spiel gewünscht habe: Tatsächlich finde ich es technisch und im Grundsatz auch spielerisch einen bedeutenden Schritt nach vorn im Vergleich zum Vorgänger. Auf der PS5 sehen das Spiel und Sanktuario wunderbar aus und laufen in den entscheidenden Momenten butterweich.

Mit beiden Klassen, die ich bisher gespielt habe, Druide und Totenbeschwörer, konnte ich mir genau die Figuren basteln, die zu meinem Spielstil passen und der Ausbau der Fertigkeiten und das Finden und Erstellen der passenden Ausrüstung mit den richtigen Aspekten macht unglaublich viel Spaß und fügt sich im Spielverlauf gut zusammen. Und natürlich gibt es da auch den ganzen Loot, wirklich jede Menge davon, und die Jagd nach der besten Ausrüstung und das gute und teils überraschende Gefühl, wenn was wirklich Gutes (Legendäres) droppt ist unerreicht. !B

Spielfigur hangelt über einen Abgrund.
Die Spielwelt bietet dieses Mal viele Orte zum Klettern, Ducken und Erkunden.

Es ist das Gameplay und die Spielwelt im Ganzen, mit denen Diablo IV wirklich brilliert – doch insgesamt kann ich durch die angesprochenen Schwächen in der Kampagne nicht mal sagen, dass ich meinen Blick von enttäuschende Saisongeschichte, Battle Pass und teils repetitivem Endgame weglenken kann und sagen kann, dass du eine hervorragende ca. 30-stündige Kampagne bekommst, denn auch die hat eben ihre Längen und Schwächen und kratzt alles in allem insgesamt zu sehr an der Oberfläche des Möglichen.

Was ich auf meine Wunschliste für Blizzard schreibe: Manche der Nebenquests erzählen so herausragende Geschichten und nehmen mich wirklich mit. Von den kleinen Dörfern, die kein Essen mehr haben, die von Krankheiten heimgesucht werden, die ihre Leute vermissen oder die Hoffnung auf dem Meer sehen: Das sind die Momente, die Diablo IV für mich besonders stark gemacht haben. So darf Blizzard einmal ein ganzes Spiel lang erzählen. !B

Spielfigur im Dialog mit einem NPC. Eine Dialogoption ist !!Missing!! - !Menu Label.
Einer der wenigen Bugs, die ich in Diablo IV hatte – beim Klick auf das fehlende Label hing sich das Spiel auf.

Fazit: Mit Lilith ins Verderben

Das Bild zeigt einen Score von 70 an.

Diablo IV ist für mich als Diablo III Fan Traum und Alptraum gleichermaßen: In der grundsätzlichen Technik und im Gameplay hat Blizzard Entertainment eine astreine Fortsetzung geliefert, die auf den Stärken des Vorgängers aufbaut und mit einer herausragenden Atmosphäre und fokussierten Erzählweise abrundet. Doch der konkrete Ausbau vor allem über die Kampagne hinaus lässt zu wünschen übrig: Die Battle-Pass-Struktur und die Saisonreise nimmt Freiheit und zwingt mich dazu, jedes einzelne Spielelement zu nutzen. Manche davon sind aber ziemlich repetitiv oder ich möchte – wie vom PvP – am liebsten komplett die Finger davon lassen. Auch die Kampagne bleibt mit einigen Längen und fehlenden spielerischen Überraschungen und Herausforderungen hinter den Möglichkeiten zurück, während das Endgame ohne die Saisonstruktur auf dem Ewigen Realm noch weniger motivieren kann – dem großartigen Sanktuario mit vielen Geheimnissen und unendlich viel Loot zum Trotz. Durch die Größe der Spielwelt und die schiere Menge an Inhalten kann Diablo IV für dich dennoch ein Spiel für Jahre sein – ich für mich werde es nun vermutlich erst mal beenden, da ich nicht sicher bin, wie stimmig das aktuelle Blizzard das Spiel noch ausbauen kann. Wenngleich auch zweifelsohne noch ganz viel kommen wird.

ProContra
+ Beeindruckendes Sanktuario– Endgame auf Ewigem Realm nicht besonders spannend
+ Großartige Atmosphäre– Dungeon-Design unterm Strich unspektakulär
+ Fokussierte Erzählweise mit Zwischensequenzen– Kampagne ohne spielerische Highlights
+ Große Spielwelt und viele Inhalte– Battle-Pass-Struktur und Geldausgeben
+ Gelungene Klassen und Figurenausbau– Teils repetitiv (Nebenquests schon ab der zweiten Figur nervig)
+ Lilith von Claudia Urbschat-Mingues herausragend gesprochen

Offenlegung

Ich habe Diablo IV selbst gekauft.

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Manuel Eichhorn
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