Von Assassin’s Creed Shadows hing für Ubisoft viel ab: Eine Verschiebung musste der Titel über sich ergehen lassen, denn das Unternehmen verfolgte das Ziel, dass der neueste Serienableger möglichst fertig auf den Markt kommt. In diesem März war es dann schließlich soweit. Freilich wird Assassin’s Creed Shadows seitdem mit reichlich großen Updates und in Kürze der ersten inhaltlichen Erweiterung versorgt. Nach knapp 80 Stunden kann ich sagen: Ubisoft hat einen technisch beeindruckenden Titel geliefert, doch in der Spielstruktur schlummern mittlerweile so einige Schwächen: Eine Überarbeitung der Formel würde der Reihe guttun. Getestet habe ich auf PS5 Pro.
Auf Rachemission mit der eigenen Liga
Wenig überraschend erzählt Assassin’s Creed Shadows eine Rachegeschichte, ein Kniff, der mir initial nicht besonders kreativ vorkam. Ich muss sagen: Mit dem Einstieg ins Spiel habe ich ganz schön gekämpft. Inhaltlich packte mich das Gebotene nicht, auch das Gameplay wirkte zunächst mühsam. Gleich vorab: Ich bin großer Fan davon, dass Yasuke als Samurai, mit dem man mal ordentlich draufhauen kann, mit im Spiel ist! Die ruhigeren, stealth-orientierten Möglichkeiten mit Naoe habe ich zwar auch immer wieder genossen, allerdings hätte ich Assassin’s Creed Shadows ohne Yasuke als Spielmöglichkeit definitiv nicht durchgezogen, vor allem, weil das Spiel an vielen Stellen dann aus meiner Sicht hätte anders aufgebaut sein müssen. Doch dazu später mehr.
Durch das Vorhandensein von zwei Hauptfiguren gibt es automatisch schon mal mehrere Perspektiven, und so kommt es, dass mich die Geschichte von Assassin’s Creed Shadows am Ende doch abholen konnte: Immer wieder werden mehrere Perspektiven präsentiert, und es stellt sich auch heraus, dass inhaltlich nicht alles so einfach, geschweige denn eindeutig, ist, wie am Anfang gedacht. Du erhältst mit der Geschichte von Assassin’s Creed Shadows einen Einblick in Machtgefüge und Machtspiele, auch auch Loyalität und Verrat, alles vor dem historisch inspirierten Kontextes des Japan des 16. Jahrhunderts. Wie immer in der Reihe steht dir zudem ein Kodex zur Verfügung, in dem du die historischen Persönlichkeiten, Orte und Ereignisse im Detail nachlesen kannst.
Yasuke und Naoe als die beiden Hauptfiguren finden erst nach einigen Spielstunden zusammen, ein Kniff, der inhaltlich nachvollziehbar, irgendwann dann natürlich allzu logisch ist. Je nach Spielstil kannst du diesen Zeitpunkt in der Story nach wenigen oder auch nach mehr Spielstunden erreichen. Da ich mir immer sehr viel in Welten anschaue und auch dazu neige, gleich die meisten Nebenschauplätze zu erledigen, hat es bei mir fast 15 Stunden gedauert, bis ich mit dem Aufbau meiner Liga in Assassin’s Creed Shadows beginnen konnte und bis Naoe und Yasuke zusammengefunden hatten – wahrscheinlich hatte ich es mir dadurch auch ein bisschen schwerer gemacht, als nötig, denn wie gesagt, mit Yasuke zu spielen, macht mir unterm Strich mehr Spaß.
Im späteren Spielverlauf gibt dir Assassin’s Creed Shadows fast immer die Wahl, mit dem wer der beiden Figuren du spielen möchtest, einige wenige Abschnitte im Rahmen von ganz bestimmten Quests sind aber gescriptet und du hast keine Auswahlmöglichkeit. Da ist dann auch der Bereich, in dem du dich bewegen kannst, jeweils eng begrenzt und der Animus zieht eine Wand, die nicht durchschritten werden kann, um diese Gebiete drum herum. Diese Abschnitte haben mich nicht sonderlich abgeholt, weil sie sich auch eher unspektakulär spielen – hiervon darf sich Ubisoft in Zukunft aus meiner Sicht gerne verabschieden.
Grundsätzlich unterscheidet sich das Gameplay zwischen Naoe und Yasuke sehr, sehr deutlich: Mit Yasuke kannst du den offenen Konflikt suchen und bestehst auch gegen mehrere Gegner ohne Probleme. Mit Naoe ist das nicht der Fall, hier musst du eine leise Vorgehensweise wählen und kannst einzelne Gegner mit Attentaten problemlos ausschalten. Kommt es zum Kampf, kommt man gegen drei oder vier kleinere Gegner auch noch problemlos zurecht – doch spätestens, wenn dann ein Elitegegner auftaucht, wird es echt eng. Modifizieren kannst du dein Spielerlebnis in Assassin’s Creed Shadows recht umfangreich durch verschiedene Skillungen, unter anderem gibt es jeweils drei Nahkampf-Waffentypen für die zwei Hauptfiguren, die jeweils auch einen großen Unterschied machen. Zudem hast du Auswahlmöglichkeiten bei den Skillungen. Kurz gesagt: Es ist aus meiner Sicht kein Problem, Assassin’s Creed Shadows entsprechend dem eigenen Spielstil zu basteln.
Wunderschönes Japan…
Eine Sache ist mir im Verlauf meiner Spielstunden immer klarer geworden und die Erkenntnis wurde vor allem beim Knacken der 60 Spielstunden klarer: Ich habe Assassin’s Creed Shadows nicht unbedingt wegen des Gameplays durchgespielt. Ich bin froh, dass der Titel deutlich übersichtlicher gestrickt ist als der direkte Vorgänger mit dem Untertitel Valhalla – da ist nämlich nach 70, 80 Stunden noch kein Ende in Sicht gewesen. Aus meiner Sicht hätte man Assassin’s Creed Shadows aber auch noch 10-20 Stunden kürzer gestalten können (wobei die Spielzeit immens davon abhängt, wie viele der der Aktivitäten du wirklich anschaust und wie viele der Orte du besuchst, die du im Rahmen der Haupt- und selbst der Nebengeschichten niemals zu Gesicht bekommen würdest).
Was mich an Assassin’s Creed Shadows am meisten motiviert und immer wieder schlichtweg begeistert hat, ist die Spielwelt an sich. Auf der PS5 Pro hat Ubisoft ein technisch herausragendes Spiel abgeliefert. Es ist für mich die detailreichste, atmosphärischste und schönste Spielwelt, die ich bisher erlebt habe. Technische Mängel gibt es vor allem nach den ersten Patches, die im Verlauf der ersten Wochen nach dem Release im März erschienen sind, kaum. Ich hatte mich für Assassin’s Creed Shadows für den 40FPS-Modus entschieden, der zwischen dem Qualitäts- und Leistungsmodus liegt. Damit war ich höchst zufrieden. Die Bildrate: Jederzeit flüssig, mit einer Ausnahme: Menüs und Karte ruckeln leider fröhlich vor sich hin, was leider bis heute nicht verbessert wurde.
Stell dir vor, du bist dabei, eine der Burgen in Assassin’s Creed Shadows zu infiltrieren. Während du gerade den Weg hinein suchst, hörst du aus der Ferne den ersten Donner anrollen. Du schaust dich um und siehst, woher das Unwetter kommt. Ein paar Minuten später bist du in der Burg, schaltest gekonnt die Gegner aus, während jetzt das eigentliche Unwetter anrollt, und du bei strömendem Regen, Blitz und Donner dein Werk verrichtest. Und wenn du fast fertig bist, lässt der Regen nach, das Unwetter zieht ab, das Wasser tropft noch von den Dächern. Wenn es Winter ist, kann dir etwas Ähnliches mit einem Schneesturm passieren – es ist für mich immer wieder faszinierend, wie gekonnt und detailreich Assassin’s Creed Shadows solche Dinge darstellt. Technisch hat das Spiel auch im Vergleich zu Valhalla viele Schritte nach vorn gemacht. Man merkt, dass die vorherige Konsolengeneration fallen gelassen wurde und auch für die PS5 Pro ist Assassin’s Creed Shadows wirklich sehr gut optimiert.


…wirre Struktur & alte Schwächen
An anderen Stellen hat sich Assassin’s Creed Shadows nicht so sehr weiterentwickelt, wie es sich hätte entwickeln sollen. Ein Bereich, den ich recht schnell abhaken möchte, ist das Thema KI und Gegnerverhalten. Es gibt zwar nicht ganz so viele Aussetzer wie in den vorherigen Teilen, aber immer wieder gibt es trotzdem komische Aktionen. Beispiel: Zwei Wachen unterhalten sich, eine davon schaltest du mit einem Kopfschuss aus. Ergebnis: Die andere Wache lässt einen Satz fallen wie „Hä? War da was?“ und danach passiert – genau, nichts! So was ist ärgerlich, manchmal sind auch Wachen, die ganz in der Nähe stehen, von stattfinden Kämpfen völlig unbeeindruckt. Und dann gibt es Moment, in denen irgendwoher 20 Wachen daher laufen. Es ist ein bisschen inkonsequent und nervig, teils zeigt sich dasselbe schwache Verhalten der KI wie schon seit Assassin’s Creed IV und davor – unabhängig vom Schwierigkeitsgrad müsste Ubisoft da dringend mal ran.
Meine größte Kritik an Assassin’s Creed Shadows bezieht sich jedoch auf den Spielablauf und die Spielstruktur: Über die Spielstunden hinweg füllt sich das Aufgabenbrett mit immer mehr Aufgaben und vor allem Zielen, die allermeisten Aufgaben beschäftigen sich damit, Ziel X und Y auszuschalten und unterwegs Hinweise zu sammeln, wo sich die nächsten Ziele befinden. Jegliche Organisationen werden auf dem Aufgabenbrett in einem Ring angeordnet, einzelne Ziele auszuschalten, liefert dann neue Hinweise, wo sich weitere Mitglieder befinden. Was mir in Assassin’s Creed Shadows viel weniger gelungen ist als in jeglichen anderen RPGs: Mir Ziele zu setzen und diese konzentriert abzuarbeiten.
Bei der Spielwelt konnte ich mir wunderbar vornehmen, bestimmte Gebiete jetzt abzuarbeiten und zu erkunden, durch die technische Präsentation der Welt hat es mir unglaublich viel Spaß gemacht, manchmal auch nur durch die Wälder oder über die Felder zu streifen, auch wenn dort eigentlich rein gar nichts zu entdecken war – solche Gebiete gibt es auch viele in Assassin’s Creed Shadows. Doch Fortschritt bei Quests lief oft so ab: Ich laufe durch irgendeinen Ort oder an irgendeiner Stelle vorbei, plötzlich lassen Naoe oder Yasuke einen Satz fallen wie: „Ah, das ist der Händler, von dem Person X sprach“ und sofort ist der Spielfigur klar, wo wir gerade reingelaufen sind – während ich keinen Plan habe, welchen meiner gefühlt Eintausend Aufträge ich in diesem Moment verfolge. Auch Ziele, die mir spontan vor die Klinge gelaufen sind, konnte ich oft nicht zuordnen, aber irgendeine meiner Aufgaben in meiner riesigen Liste war dann abgehakt.
Im Verlauf der Spielstunden lässt dann auch die gefühlte Vielfalt der Aktivitäten in Assassin’s Creed Shadows merklich nach, mit der Erkundung von Tempeln und Schreinen, berittenem Bogenschießen für Yasuke, Kuji-Kiri für Naoe, weiteren Nebenquests, die das Sammeln von bestimmten Dingen fordern und Einigem mehr gibt es eigentlich genügend Vielfalt. Doch wenn man sich dann den 50, 60 Spielstunden nähert, hat man dann alles öfter gemacht und dann fühlen sich diese Dinge nicht mehr neu an, teilweise erwecken sie dann eher den Eindruck, als seien sie, ein, zwei Mal zu oft in der Spielwelt dupliziert wurden. Über allem steht, dass es Assassin’s Creed Shadows nicht schafft, eine Konsistenz bei den Haupt- und Nebenhandlungen zu erzeugen.
So kommt es dann auch, dass es sich vollkommen zufällig anfühlt, wenn plötzlich die Credits über den Bildschirm laufen – auch wenn ich erahnte, dass sich das Ende der Haupthandlung näherte, geschah es gefühlt plötzlich, und zwar durchaus nach so etwas wie einem Showdown, aber es hätte genauso gut 10 Stunden vorher passieren können. Fertig mit allen Aktivitäten bin ich ja trotzdem bei weitem nicht, und so fühlt sich das Ende von Assassin’s Creed Shadows sehr unbefriedigend an. Eben so, als ob der nächste DLC mit 20 weiteren Stunden schon wartet, was ja auch genauso sein dürfte.
Hallo, Konrad! Über die deutsche Synchronisierung von AC Shadows
Ich habe mich dazu entschieden, Assassin’s Creed Shadows in der deutschen Sprachversion zu spielen, man kann alternativ sogar eine japanisch vertonte Version spielen. Für die deutsche Synchronisierung hat Ubisoft hochkarätige Sprecher:innen engagiert und die Performance der deutschen Vertonung ist über weitere Strecken hinweg auch richtig gut gelungen. Manche Sprecher:innen wurden in zu vielen Rollen eingesetzt. Vor allem den Wachen hätten mehr Sätze gutgetan, immer wieder höre ich Konrad Bösherz, den ich als Sprecher überaus liebe, die gleichen Sätze sagen, wenn ich entdeckt werde. Auch die in der Spielwelt verteilen Händler:innen haben immer wieder dieselben Stimmen, hier handelt es sich aber sogar um Klon-NPCs, also ist die Entscheidung irgendwie nur konsequent, aber nicht mehr so richtig einem Spiel im Jahr 2025 angemessen.
Es stören also die Details, doch insgesamt ist die deutsche Version des Spieles dennoch sehr gelungen – was die Soundkulisse angeht, zeigen sich ansonsten eine überaus gelungene Musikuntermalung und vor allem die großartigen Soundeffekte. Egal ob Umgebung, Wetter oder Kampfgeräusche – hier liefert Assassin’s Creed Shadows absolut ab!
Fazit: Zwischen Innovation und Stillstand

Assassin’s Creed Shadows ist technisch der mit Abstand beste Teil der Reihe: Als erster Titel, der nur für die aktuelle Konsolengeneration geliefert wurde, ist das Spiel vor allem auf der PS5 Pro nicht nur eine Augenweide, sondern auch in vielen anderen Aspekten technisch erhaben. Vor allem die Darstellung der Spielwelt mit ihrem schier unglaublichen Detailreichtum, den Wettereffekten und Jahreszeiten weiß zu gefallen. Bei anderen Themen konnte sich die Reihe noch nicht so ganz weiterentwickeln: Die KI hat immer noch ihre Lücken, vor allem aber mangelt es der grundsätzlichen Spielstruktur an Konsistenz und Klarheit: Viele Fortschritte und Interaktionen fühlen sich überaus zufällig an, eine klare Zielsetzung beim Fortschritt ist nur selten möglich. Hier hat Ubisoft meines Erachtens Einiges an Arbeit vor sich, damit die Nachfolger von Assassin’s Creed Shadows auch über viele Stunden hinweg Spaß machen. Meine rund 80 Stunden in Assassin’s Creed Shadows haben mir durchaus viel Freude bereitet: Vor allem aber aufgrund der technischen Exzellenz. Ohne diesen Aspekt hätten mir rein vom Gameplay her wahrscheinlich auch 40 oder 50 Stunden des Spieles gereicht, um sicher sagen zu können: „Nun habe ich alles gesehen!“
Pro | Contra |
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+ Atemberaubende Detailfülle der Spiewelt | – Zäher Einstieg, Racheplot zunächst langweilig |
+ Großartige Wetter- und Jahreszeiteneffekte | – Überfrachtete Aufgaben und Ziele |
+ Authentisches Japan-Setting, starke Atmosphäre | – Unklare Spielstruktur |
+ Top Soundkulisse | – Teils schwache KI |
+ Auswahl des individuellen Spielstils möglich | – Menü und Karte sehr ruckelig |
Offenlegung
Ich habe Assassin’s Creed Shadows selbst gekauft.