Nach unserem Anspieltermin zu Divinity Original Sin Enhanced Edition waren wir recht euphorisch, wenn es um die Konsolenfassung des Old-School-RPGs ging. Divinitymit coolem Couch-Coop, das klingt nach unzähligen Stunden anspruchsvoller Unterhaltung. Uns liegt nun die PS4-Fassung zum Testen vor. Die Divinity Original Sin Enhanced Edition ist genau das geworden, was wir erwartet haben, wären da nicht… Unser Test verrät, was uns an der Konsolenumsetzung stört.
Enhanced Edition = Enhanced?
Es gibt Spiele, die haben uns bereits gelehrt, dass der Namenszusatz „Enhanced Edition“ nicht unbedingt etwas zu bedeuten hat, sondern dass damit unter Umständen „nur“ eine solide Konsolenumsetzung mit kleineren Verbesserungen gemeint sein kann – Wir erinnern uns an Risen 3: Titan Lords. Divinity Original Sin Enhanced Editionmacht die Sache besser: Die erweiterte Version, in deren Genuss auch die Spieler auf dem PC kostenlos gekommen sind, macht tatsächlich Einiges besser als „das Original“ von Mitte 2014.
In der Enhanced Edition fließen die Verbesserungen sämtlicher Patches, die für die PC-Fassung nach dem Launch veröffentlicht wurden, mit neuen Erweiterungen für die Enhanced Edition zusammen. Im Verlaufe dieser Updates haben die Larian Studios diverse Kritikpunkte in Angriff genommen, die wir bei unserem Test damals noch bemängelten. Beispielsweise das Balancing fällt uns nicht mehr ganz so unangenehm auf, insbesondere durch die neuen Schwierigkeitsgrade, durch die nun jeder Spieler die Spielerfahrung bekommt, die er möchte. Wer den Entdeckermodus wählt, kann sich voll und ganz auf die Spielwelt und die Handlung einlassen. Die Kämpfe sind dabei immer noch taktisch und stellenweise immer noch fordernd, insbesondere für Einsteiger, aber nicht mehr so fies, wie wir das aus dem Original kennen.
Ebenfalls „Enhanced“ ist die Grafik und macht auf der PS4 einen überaus hübschen Eindruck: Die Schauplätze überzeugen mit vielen Details und einer guten Atmosphäre. Rein für die Grafik also zunächst einmal Daumen hoch. Besonders beeindruckt sind wir vom ruhigen Bild, welches fast ohne Kantenflimmern auskommt. Lediglich Grasflächen und Bäume haben einen leicht unangenehmen Flimmereffekt, aber darüber können wir gerne hinwegsehen. Ärgerlicher sind die Framerateeinbrüche, die in unregelmäßigen Abständen auftreten und für deutlich spürbare Ruckler sorgen.
Oldschool-Maßstäbe
Nicht vergessen sollte man, dass es sich bei Divinity Original Sin Enhanced Editionganz bewusst um ein Oldschool-RPG handelt – Was bedeutet, dass viele Mechaniken in der heutigen Zeit ziemlich veraltet wirken. Einiges würden wir auch immer noch als fehlerhaft bezeichnen, denn manche NPC-Interaktionen verlaufen überaus merkwürdig.
Zum Spielsystem gehört es, dass man den Figuren immer wieder die gleichen Sätze entlocken kann, wenn man sie erneut anspricht. So lange, bis man die Handlung anderwertig vorangetrieben hat und die Figuren quasi per Skript neue Sätze zugewiesen bekommen. Divinity Original Sin Enhanced Edition ist übrigens ein überaus textlastiges Spiel. Mittlerweile sind fast alle Figuren englisch vertont worden, doch alleine, um auch Details aufzuschnappen, sollte man sich auf alle Fälle die deutschen Texte durchlesen, womit man häufig eine ganze Weile beschäftigt ist, da einen manche Figuren wirklich seitenweise bequatschen.
Andere Dinge sind wie schon erwähnt ziemlich merkwürdig. So können wir häufig auch das x-te Mal versuchen, die gleiche Kiste zu plündern, der anwesende NPC oder die Wachen werden zwar jedes Mal meckern und uns davon abhalten, aber trotz aller Drohungen niemals echte Konsequenzen walten lassen. Und gehen wir die gleiche Person dann wieder ansprechen, redet sie mit uns, als sei nichts gewesen. Zufallsabhängig sinkt manchmal unser Ansehen bei dieser Figur… Nach welchen Prinzipien diese Systeme funktionieren, haben wir immer noch nicht so ganz durchschaut.
Ein großes Ding an Divinity Original Sin Enhanced Edition ist übrigens, dass, wie wir schon in unserem Test zur PC-Fassung festgehalten hatten, die Story ziemlich schwach ist. Rivellion ist zwar hübsch, zieht aber kein bisschen in seinen Bann. Das darf in einem RPG eigentlich nicht sein. Bedingt wird das durch die unnachvollziehbaren NPC-Interaktionen ebenso wie durch die eher wirre Haupthandlung, die qualitativ nicht besonders hochwertig ist. Das ist schade!
Umfassende Charakterentwicklung, anspruchsvolle Kämpfe
Divinity Original Sin Enhanced Edition führt für Konsolenverhältnisse eine ungeahnt umfangreiche Charakterentwicklung ein und bietet natürlich auch immer noch die anspruchsvollen und taktischen Kämpfe, mit denen sich Spieler der PC-Version schon seit über einem Jahr auseinandersetzen konnten.
Wer Divinity Original Sin Enhanced Edition meistern will, kann im Spiel gut und gerne Hunderte Stunden verbringen. Insbesondere dann, wenn man sich an den höchsten Schwierigkeitsgrad heranwagt, der nicht weniger bietet als ein Permadeath-Feature, sofern alle Gruppenmitglieder sterben.
Soweit, so gut. Halten wir fest: Mit Divinity Original Sin Enhanced Edition können auch Konsolenspieler in den Genuss eines umfangreichen, vielfältigen und detailverliebten Rollenspieles kommen. Wir fragen uns nach dem Spielen der Konsolenversion aber: Möchte das jemand? Unsere Erfahrungen mit der Umsetzung waren nicht gerade positiv.
Bei Divinity Original Sin Enhanced Edition auf der PS4 fließen so einige Ärgernisse zusammen, die nicht nur den Einstieg ziemlich zäh machen, sondern auch dauerhaft ziemlich nervig sein können. So geht alles damit los, dass die Tutorials keine umfassenden Einführungen liefern. Teilweise wird einem richtiger Mist erklärt („Du hast ein Inventar. Gesammelte Gegenstände sind dann im Inventar“), wichtige Dinge über die Konsolensteuerung und das Interface werden einem aber verschwiegen. Konsequenz: Die ersten paar Spielstunden mit der Divinity Original Sin Enhanced Edition entdeckt man immer wieder neue Dinge an der Steuerung, die einem noch so gänzlich unbekannt waren.
So ganz grundsätzlich wirkt es so, als haben die Entwickler bei der PS4-Umsetzung eine gute Arbeit geleistet. Insbesondere im Koop überzeugt der echte Splitscreen-Modus, der sogar das parallele Verwalten der Figuren und des Inventars erlaubt. Wir würden jedoch empfehlen, die Bildschirmteilung zu erzwingen, da uns der „dynamische“ Splitscreen eher verwirrt hat, zumal man nicht festlegen kann, auf welcher Seite welcher Spieler angezeigt werden soll. Spieler 2 ist immer rechts, was abhängig von eurer Position vor dem Fernseher auch verwirrend sein kann.
Leider hat die Konsolensteuerung aber mit unheimlich vielen Ungenauigkeiten und das Spiel als solches auch mit vielen Fehlern zu kämpfen, die uns schon ab der ersten Spielminute begleitet haben. Ein paar Highlights im Überblick:
- In den Kämpfen ist das Anvisieren bestimmter Gegner unheimlich schwierig. Aus irgendeinem Grund springt der Cursor nämlich ausgerechnet über Feinde hinweg (!) anstatt dort zu verweilen. Insbesondere in engen Gebieten und bei mehreren Feinden ist das Anvisieren eines bestimmten Widersachers eine manchmal minutenlange Kleinstarbeit.
- Grundsätzlich ist das Anvisieren auch außerhalb der Kämpfe schwierig. Manche NPCs konnten wir gar nicht ansprechen, manche Objekte schlichtweg nicht einsammeln, da das Objekt einfach nicht erfasst wird. Ihr müsst die Figur drehen, um etwas anzuvisieren, doch gerade bei kleinen Objekten ist das schwierig. Wir haben viel zu oft einen NPC aus Versehen bestohlen, anstatt ihn einfach ansprechen zu können. Es kann helfen, mit der Kamera hineinzuzoomen, was jedoch auch nicht die Optimallösung ist. Insgesamt sind viele Objekte auf dem Fernseher einfach viel zu klein.
- Wir hatten bereits einen Haufen Fehler und Bugs in der Divinity Original Sin Enhanced Edition. Manchmal löst zwischendurch einfach ein Kampf ohne anwesende Feinde aus, der sofort wieder beendet wird, manchmal lösen Objekte fehlerhaft aus. Besonders nervig war ein Anzeigebug, bei dem Spieler 1 dauerhaft sämtliche Objekte in der Umgebung mit ihrem Namen angezeigt bekommt, was insbesondere in Städten dafür sorgt, dass beinahe der ganze Bildschirm mit Text zugepflastert ist.
- Besonders nervig ist, wenn Objekte angegriffen werden sollen. Kriegerklassen können zwar in einen Kampfmodus wechseln, doch andere Klassen müssen dafür für jeden einzelnen Angriff ein Pop-Up Menü öffnen, „Angreifen“ wählen und das Objekt jedes Mal neu anvisieren. Bei einer ausdauernden Kiste ist das nervig und zeitraubend!
- Der Koop-Modus verfügt zwar über getrennte Menüs, öffnet jedoch Spieler 1 das Hauptmenü, während Spieler 2 gerade im Inventar ist oder selbst Menüs geöffnet hat, liegt das Hauptmenü unter diesem Menü und ist somit unbrauchbar.
Durch die ganzen Fehler und Ärgernisse wirkt die Divinity Original Sin Enhanced Edition auf der PS4 momentan ziemlich unfertig. Auf der gamescom sagten uns die Entwickler, das Spiel werde Ende 2015 oder Anfang 2016 erscheinen. Und aktuell wirkt es so, als habe der Titel schlichtweg noch einige Wochen oder Monate Feinschliff gebraucht.
Ein besonderes Ärgernis der PS4-Version ist, dass das Spiel zwar automatisch speichert und eine Schnellspeicherfunktion hat, dabei jedoch dauerhaft die PS4-Festplatte mit Spieldaten zumüllt, da für jedes Autospeichern eine neue Datei angelegt wird. Da jede über eine Größe von 10,49 MB verfügt, kommen pro halber Spielstunde manchmal 100 MB an unnützen Speicherdaten zusammen!
Fazit: Ernüchterndes Abenteuer
Inhaltlich hat Divinity Original Sin Enhanced Edition durch die lahme Story und eine eher schwache Spielwelt immer noch mit Schwächen zu kämpfen, ist aber durch Erweiterungen und Überarbeitungen das Spiel geworden, dass wir uns bereits bei unserem PC-Test im letzten Jahr gewünscht haben. Leider hat uns die Konsolenversion in ihrer aktuellen Form enttäuscht – Hauptsächlich, weil sie aktuell einfach unfertig wirkt. Wir sind nicht nur vielen Bugs begegnet, sondern ärgern uns auch über eklatante Schwächen in der Steuerung, vor allem, wenn es um das Anvisieren von Objekten oder Gegnern geht. Wer sich mit diesen Mängeln abfinden kann, erhält mit Divinity Original Sin Enhanced Edition auch auf der PS4 ein umfangreiches und anspruchsvolles Old-School-RPG. Wir waren aber eher genervt, als dass wir uns noch einmal so viele Stunden in Rivellion aufhalten wollen würden. Schade – Hoffentlich wird noch nachgebessert.
Pro | Contra | ||
+ Sehr vielfältig | – Äußerst unpräzise Steuerung | ||
+ Riesiger Umfang | – Anvisieren im Kampf kann zur Geduldsprobe werden | ||
+ Anspruchsvolle Kämpfe | – Häufig Auslösen versehentlicher Aktionen | ||
+ Vier Schwierigkeitsgrade sprechen viele Spielertypen an | – Viele Bugs (Anzeigefehler, Skriptprobleme) | ||
+ Umfangreiche Charakterentwicklung | – Steuerung stellenweise unnötig umständlich (Angreifen von Objekten) | ||
+ Schöne Spielwelt | – Deutliche Framerateeinbrüche | ||
+ Gelungener Soundtrack | – PS4-Festplatte wird mit Savegames zugemüllt | ||
+ Prinzipiell gelungener Koop-Modus | – Lahme Story, schwache NPCs | ||
+ Grafisch extrem hübsch | – Rivellion zieht kaum in seinen Bann |
- Grafik: 79
- Sound: 85
- Umfang: 100
- Gameplay: 50
- KI: 58
Spielspaß: 49
Singleplayer/Koop:
- Story: Leider lahm – Die Spielwelt ist hübsch, zieht aber kaum in ihren Bann. Schuld sind schwache NPC-Interaktionen und eine eher wirre Haupthandlung.
- Frustfaktor: Endlich gibt es mehrere Schwierigkeisgrade – Für Frust sorgen die nervige Steuerung und viele Bugs.
- Wiederspielwert: Wer sich durchschlägt, kann sehr viel Spaß mit Divinity Original Sin Enhanced Edition haben.
- Design/Stil: Gelungen und stimmig.
- Musik: Die Musikuntermalung ist gut, die Figuren nun komplett englisch vertont.
- Koop: Der Koop-Modus mit echtem Splitscreen überzeugt. Kleinere Unzulänglichkeiten gibt es auch hier.
Informationen zum Testgerät
Plattform: PlayStation 4
Version: Standard
Hardware: Standard, ohne ausgetauschte Hardware
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 13 Monate
Wir bedanken uns bei Koch Media für die Bereitstellung des Review Muster zu Divnity: Original Sin Enhanced Edition!
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