Das französische Studio DONTNOD Entertainment bietet schon immer „außergewöhnliche“ Erfahrungen: Besondere Geschichten, queere Figuren, einfachen Mainstream gibt es bei diesem Studio nicht. Besonders erfolgreich war man mit seinem ersten Episodenabenteuer Life is Strange. Wir haben uns endlich an die zweite Staffel gewagt und verraten auch im Test mehr über auch diese absolut besondere Erfahrung.
Ein atemloser Einstieg
Mit den Vorbereitungen auf eine Party geht es los – und der Vorfreude des 16-jährigen Protagonisten Sean auf alles, was auf dieser Party so geschehen könnte. Die Vorbereitungen gibt man unsere Hand: Limo oder Bier? Lassen wir das Kondom im Nachtschrank oder packen wir’s vorsichtshalber doch lieber ein?
In den ersten Minuten skizziert Life is Strange 2 gekonnt das Leben der beiden Protagonisten, zwei Brüder mit einem Altersunterschied von sieben Jahren, die sich lieben, aber doch genügend necken, und einem Vater, der ein sehr ausgelassenes Verhältnis zu seinen Jungs pflegt, sich aber auch auf die verlassen kann. Dieser Einstieg hat mir sehr gut gefallen, denn es könnte auch der Einstieg in ein gutes Jugendbuch sein, welches eine Geschichte rund um die normalen Wirrungen des Erwachsenwerdens erzählt, denn auch hier spielen Mobbing und ansatzweise auch Rassismus schon eine Rolle. Doch es kommt anders…
Aus einem harmlosen Streich des jüngeren Bruders Daniel entsteht eine handfeste Auseinandersetzung mit dem Nachbarsjungen, der offenbar mit den Menschen auf seinem Nachbargrundstück nicht sonderlich viel anfangen kann. Die Dinge nehmen ihren Lauf, ein Polizist kommt hinzu, und dann wird alles richtig böse…
Ich hatte mich im Vorfeld über die ganzen Monate von sämtlichen Inhalten zu Life is Strange 2 ferngehalten. Das war gut – nach der Einführung war ich erst einmal fertig. Der eine oder andere mag sagen, wie es ja auch geschehen ist, manches Dargestellte wirkt gezwungen oder übertrieben – ich finde das nicht. Ich danke DONTNOD für den Mut, Themen wie Rassismus und Polizeigewalt in dieser Form in einem Videospiel darzustellen.
Es wird nichts verschwiegen
Die beiden Jungs brechen auf auf eine Reise weg von der Heimat – ohne Familie und von der Polizei gesucht. Während Sean versucht, ein fröhliches Gesicht auf dem „Campingtrip“ zu wahren, überlegt er, wie lange er Daniel die Wahrheit verschweigen kann. Life is Strange 2 verschweigt ansonsten in seiner ersten Episode nichts – es ist politisch und will es auch sein, auf einer Reise durch das von Donald Trump geprägte Amerika. Eine Begegnung mit einem Hinterwäldler macht das sehr deutlich.
Meines Erachtens macht Life is Strange 2 in seiner ersten Episode Roads einen herausragenden Job darin, das Zusammenspiel aus den beiden Brüdern zu zeigen: Daniel bringt mit seinen neun Jahren genug kindliches mit, befindet sich aber auf dem besten Weg, langsam erwachsen zu werden, während sich Sean schnell von den typischen Plänen und Fantasien eines 16-Jährigen verabschieden muss und zeigen muss, wie erwachsen er schon ist. Er offenbart viel Stärke – aber auch noch viel Unsicherheiten und bei manchen Entscheidungen kommt ordentlich jugendlicher Leichtsinn zum Ausdruck.
Ich war rund drei Stunden mit der ersten Episode von Life is Strange 2 beschäftigt und fand die Länge und die inhaltlichen Entwicklungen sehr angemessen. Episodenspiele haben für mich manchmal die Eigenheit, trotz der Kürze der Einheiten Längen zu entwickeln. Diesen Eindruck hatte ich hier nicht – trotz des sehr ruhigen Gameplays. Und dann ist da ja noch die Frage offen, über welche Kräfte Daniel eigentlich verfügt…
Amerika ist schön – und gefährlich
Life is Strange 2 passt wunderbar in die aktuelle Zeit. Wir streifen durch wunderschöne Umgebungen und von der technischen Umsetzung auf der Xbox One X war ich angenehm überrascht. Es gibt kaum technische Schwierigkeiten und die, die es gibt, lassen sich verschmerzen. Am meisten haben mich die wunderschönen Wälder und Umgebungen beeindruckt – auch atmosphärisch hat DONTNOD hier viel Gespür bewiesen.
Amerika ist wunderschön – doch die Menschen darin machen sich untereinander das Leben schwieriger, als es manchmal sein müsste. Ich bin der Meinung, dass Life is Strange 2 Vieles gekonnter erzählt als viele andere Videospiele der heutigen Zeit, auch, weil es die Dinge erzählen will. Sicher, hier ist nicht so viel verblümt – aber dennoch erzählt die erste Episode auch Geschichten abseits des Offensichtlichen, vor allem, wenn man sich Zeit nimmt, die Dinge zu erleben.
Neben den Entscheidungen spielt die Erkundung natürlich eine wichtige Rolle, und auch die Aufmerksamkeit des Spielers. Einiges löst man nur aus oder trifft eine bestimmte Entscheidungen, wenn man sich Zeit nimmt und langsam durchs Spiel geht – und teils sogar, in dem man sich nochmal umsieht. Life is Strange 2 fühlt sich dabei ganz ohne VR genau so an, als würde man tatsächlich Sean sein, denn auch die Interaktionen mit Daniel und anderen Figuren fühlen sich sehr natürlich an.
DONTNOD hat lediglich noch keine optimale Lösung dafür gefunden, Unterbrechungen und Wiederholungen von Dialogen durch Interaktionen des Spielers zu vermeiden – teils wirken die Dialoge zu lang für das, was eigentlich in der Zwischenzeit passieren soll. Das ist etwas schade und zieht mitunter etwas aus dem Spielfluss. Für die Entscheidung, die Vertonung nur auf Englisch anzubieten, bin ich DONTNOD und Publisher Square Enix sehr dankbar – denn die Synchro überzeugt und ich stelle mir eine zusätzliche Sprache hier umso schwieriger vor. Deutsche Untertitel sind vorhanden.
Fazit: Wie ein gutes Jugendbuch als Videospiel
Life is Strange 2 ist mit der ersten Episode Roads für mich etwas Besonderes, denn es bietet mir das, was ich in Videospielen oft vermisse: Eine gute, nicht gewöhnliche Story mit jugendlichen Protagonisten. Eine Geschichte, die nicht nur wegen ihrer „oberflächlichen“ Ereignisse krass ist, und hier schreckt DONTNOD nicht vor Themen wie Polizeigewalt und Rassismus zurück, sondern die noch dazu die Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens zeigt, dabei auch Teile zwischen den Zeilen erzählt, und auch emotionalen Tiefgang hat, und zwar nicht nur oberflächlichen. Auch das größtenteils ruhige Gameplay hat mich überzeugt und meine Angst, ich würde mich langweilen, wurde in keinster Weise erfüllt. Außerdem ist Life is Strange 2 wunderschön. Nur kleine Ungereimtheiten zwischen den Dialogen und dem zugehörigen Gameplay stören teilweise den Spielfluss. Ich werde weiteren Episoden mit etwas Abstand spielen – denn bisher hat es das Spiel voll und ganz verdient, genossen zu werden. Und in Erinnerung zu bleiben. Ich hoffe, die anderen Episoden halten da mit.
Pro | Contra |
---|---|
+ Inhaltlich vielfältig und offen | – Abstimmung der Dialoge auf Gameplay nicht immer perfekt |
+ Realistische Geschichte und gekonnte Darstellung der Protagonisten | – Kleine technische Macken |
+ Schöne Spielwelt | |
+ Auch kleine Entscheidungen werden später noch repräsentiert | |
+ Super Soundkulisse |
Technik: 85
Grafik: 88
Sound: 95
Umfang: 88
Gameplay: 85
KI: 70
Spielspaß: 95
- Story: Eine fesselnde Geschichte, die nicht vor Politik zurückschreckt und auch die beiden jugendlichen Protagonisten sehr gut darstellt.
- Frustfaktor: Nicht vorhanden.
- Nachhaltigkeitswert: Life is Strange 2 ist ein wichtiges Spiel mit einer guten Story – Wiederspielwert ist auch da und zumindest die erste Episode hat es verdient, beachtet zu werden.
- Design/Stil: Stimmig und wunderschön.
- Musik und Sound: Musikuntermalung, Sound und Synchro sind top!
- Preis-Leistungs-Verhältnis: Der Preis von 7,99€ für die Episode ist angemessen.
Offenlegung
Wir haben Life is Strange 2 im Rahmen des Game Pass auf der Xbox heruntergeladen. Wir haben das Spiel auf einer Xbox One X getestet, installiert auf einer externen Samsung SSD.
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