Spinner von Benedict Wells – Vom Scheitern und Erwachsenwerden

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In den letzten Jahren habe ich fast alle Bücher auf Englisch gelesen – und ja, das hatte auch etwas damit zu tun, dass mich begonnene deutsche Bücher fast immer gelangweilt und stilistisch eher Fremdschämen verursacht haben. Klingt irgendwie super hart, ich weiß. Doch bei einem kürzlichen Besuch in der Buchhandlung stellte ich nicht nur fest, dass deutsche Bücher allmählich auch neue Motive annehmen können, sondern ich habe vor einer Weile auch herausgefunden, dass mich einige Bücher doch begeistern. Von Benedict Wells habe ich nun zwei Bücher gelesen und er ist auf bestem Weg zu einem der Autoren, die mich begeistern können. Mit Spinner habe ich nun seinen ersten ersten Roman gelesen.

Wells‘ Debüt im Diogenes Verlag war eigentlich Becks letzter Sommer, doch geschrieben hat Wells diesen Roman erst nach Spinner. Inhaltlich ist definitiv Spinner das Debüt, und das merkt man auch daran, dass das Buch deutliche autobiografische Züge aufweist – an der einen oder anderen Stelle hatte ich wirklich eher den Eindruck, hier den Autor zu lesen als Jesper Lier, die Hauptfigur des Romans.

Jesper ist 20, lebt seit einer Weile in Berlin, und versucht sich als Autor, während er sich mit einem Praktikum bei einer Zeitung über Wasser hält. Seine Hoffnungen liegen in seinem Manuskript, welches mittlerweile auf weit über 1.000 Seiten angewachsen – und niemanden so richtig zu überzeugen mag.

Jesper ist eine sehr überzeugende Figur – und ein junger Mann, dessen Denken ich sehr gut nachvollziehen konnte. Er ist sehr losgelöst von der Realität und malt sich Dinge aus, die da gar nicht sind. All das, während er nicht mehr schläft, kaum noch isst, und sein Körper nicht nur dadurch, sondern auch noch einer Krankheit aufgezehrt wird.

Spinner spielt irgendwo im Großstadtsog Berlins, der Realität, Träumen, Fantasien und Halluzinationen. Und das ist ganz großartig inszeniert. Sehr gekonnt wird man dadurch auch mal auf eine falsche Fährte gelockt und ein paar Handlungsstränge entpuppen sich wirklich anders, als es zu erwarten gewesen wäre.

Am spannendsten fand ich, dass ich die Entstehungsgeschichte des Buchs wohl in Spinner selbst nachlesen konnte. Bei der Version, die uns mittlerweile vorliegt, handelt es sich nämlich auch noch um eine mindestens einmal überarbeitete Version. So, wie Jesper während des Buchs erkennt, was im Leben wichtig ist, hat glaube ich auch Benedict Wells erkannt, was beim Schreiben wichtig ist.

Letztlich geht es in Spinner eher um das Scheitern von Träumen als das Wahrwerden – aber auch das ist eine wertvolle Lektion. Alle Motive, die dahin behandelt werden, und das sind neben Freundschaft, Liebe, Trauer, noch einige weitere, werden meines Erachtens ganz großartig verarbeitet.

Ich kann Spinner wirklich als Lektüre empfehlen – und werde in Zukunft auch noch die anderen Bücher von Wells lesen. Zum Abschluss noch eins meiner liebsten Zitate zum Buch. Spinner von Benedict Wells ist im Diogenes Verlag erschienen und u.a. als Taschenbuch* und eBook* verfügbar.

Aber das war unwichtig. Wichtig war nur, dass ich nicht mehr stillstand, dass ich mich den Dingen wieder stellte, egal, was aus mir werden würde. Denn alles andere wäre falsch, denke ich, unecht, irgendwie so, wie wenn man verrauchte Luft einatmet. Man kann damit leben, aber es ist nicht das Wahre, man atmet nicht so tief ein, wie man könnte.

Spinner von Benedict Wells

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Manuel Eichhorn
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