Need for Speed (Xbox One) im Test – Der Neustart im ausführlichen Check

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Im letzten Jahr hat die Need for Speed Reihe eine Pause eingelegt. Es schien so, als würden sich Criterion und dann erstmalig Ghost Games ernsthaft dabei abquälen, eine Spielerfahrung zu schaffen, die den Need for Speed Fans wirklich mundet. Dann kam die Pause – Und EA enthüllte, was auf dem Papier definitiv als Need for Speed Underground 3 durchgehen könnte. Die Fans waren begeistert, und um den mit diesem Ableger ausgerufenen Serienneustart zu markieren, nennen Ghost Games und EA dieses Spiel schlicht Need for Speed. Wir haben ausführliche Probefahrten auf der Xbox One gemacht und klären, ob das neue Modell überzeugen kann.

Willkommen, Newbie!

Need for Speed bringt das zurück, was bei vielen Spielern die Reihe erst so beliebt gemacht hat: Eine Story mit Filmsequenzen und echten Schauspielern, das Ganze gepaart mit der nächtlichen Racing-Szene. Ja, Need for Speed versucht den Vibe des überaus beliebten Need for Speed Underground 2 wiederaufleben zu lassen.

Der Versucht gelingt: Tiefgehende Handlungen braucht man selbstverständlich nicht zu erwarten, aber die Darstellung der Racerszene wirkt glaubhaft und es wachsen einem sogar die Figuren ein wenig ans Herz, seien es nun Amy, Spike oder Manu. Die Filmchen haben solide B-Movie-Qualität und wurden sogar passabel auf Deutsch vertont. Zudem führt das Spiel während der Sequenzen und auch auf der Straße eine abwechslungsreiche und gelungene Musikuntermalung an, die gut zum Inhalt passt – So muss das sein.

In erster Linie gelingt durch diese Story das, was gelingen soll: Da man in First-Person durch die Filme gelenkt wird, wird tatsächlich der Eindruck erweckt, dass man selbst gerade neu in Ventura Bay angekommen sind und allmählich in die Racing-Szene eingeführt werden und wichtige Schauplätze sowie natürlich die wichtigen Persönlichkeiten der Stadt kennen lernen. Da dürfen dann selbstverständlich auch Idole wie Magnus Walker oder Ken nicht fehlen, an die die Crew unbedingt heranzukommen versucht.

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Die Filmsequenzen in Need for Speed gehen in Ordnung und erzeugen eine gute Atmosphäre.

Ab auf die Straße

Inhaltlich passt also alles, und zunächst macht Need for Speed auch auf der Straße eine überaus gute Figur. Haben wir uns vom Startbudget den ersten, noch zart besaiteten Wagen unter den Nagel gerissen, erinnert das sehr gelungene Handling sofort an die früheren Ableger von Black Box Games, also an das erste Need for Speed Most Wanted und Co., jedoch wurde eine Prise der Driftlastigkeit von Criterion und Ghost hinzugefügt, sodass die Steuerung insgesamt dynamisch, aber dennoch nicht auf pure Drifterei ausgelegt ist.

Später darf man das Ganze sogar selbst anpassen, denn die Wagen dürfen auch einem ausführlichen Tuning bezüglich des Fahrverhaltens unterzogen werden und entweder auf „Grip“ oder auf „Drift“ getrimmt werden. Die Unterschiede davon sind deutlich spürbar, jedoch auch nicht übermäßig krass. Experimentieren lohnt sich aber, um die eigene Präferenz zu finden.

Schnell führt Need for Speed verschiedene Eventtypen ein, wobei es nichts wirklich Neues gibt: Sprint- oder Rundkursrennen sind ebenso wenig Neuland für Rennspieler wie Drift-Events, die dieses Mal nicht extra Steuerungseinstellungen setzen, sondern den eigenen Wagen so nehmen, wie er ist. Das macht sie außerordentlich gelungen. Aufmerksamkeit erwecken zunächst die „Ghymkana“-Veranstaltungen, die angeblich möglichst krasse Stunts von uns fordern. De facto unterscheiden sie sich nicht von Drift-Events, außer, dass hin und wieder eine Rampe auf der Strecke platziert ist, auf der wir einen Sprung ausführen können. Mehr Möglichkeiten hält die Spielwelt Ventura Bay leider auch nicht bereit – Erinnern wie uns an die krassen Sprünge, die wir beispielsweise in Rockport City (Need for Speed Most Wanted oder in Tri-City (Need for Speed Undercover) durchführen konnten, ist das enttäuschend.

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Die Anzahl der Events hält sich in Grenzen – Fast alle sind ohnehin Storyevents…

Ungenutztes Potential

Und so schleicht sich nach und nach fast in allen Bereichen von Need for Speed der Eindruck ein, dass das Endergebnis aller Komponenten so viel mehr hätte sein können als das, was uns Ghost Games in diesem Jahr auftischt. Die Kulisse Ventura Bay ist zwar unheimlich hübsch, lässt aber Leben und spielerische Besonderheiten vollkommen vermissen. Doch das ist längst nicht alles.

Need for Speed ist ein Always-Online-Spiel. Das heißt, ihr benötigt dauerhaft eine Internetverbindung und seid mit bis zu sieben anderen Spielern in einer Lobby, die ebenfalls in eurer Spielwelt unterwegs sind. Der Sinn davon? Gute Frage. Ihr könnt andere Spieler zu Spontanrennen herausfordern und mit ihnen Events fahren, wenn ihr euch absprecht oder sie zufällig beim gleichen Event stehen, aber das war’s auch schon. Abgesehen davon, dass über Autolog wieder eine Speedwall mit Eventergebnissen erstellt wird, ist der Onlinezwang und überhaupt die Onlinefeatures vollkommen unnütz. Bei der Ankündigung hatten die Entwickler auch noch betont, dass Need for Speed komplett im Einzelspielermodus gespielt werden kann. Es ist ja auch bloß ein Einzelspielerspiel – Impliziert in dieser Aussage war ziemlich sicher eigentlich, dass man es offline spielen kann, was im Übrigen während der Beta auch noch möglich war.

Kommen wir nun zum größten Hammer: Alle, die sich bei Need for Speed an Underground erinnern fühlen, dürften vor allem davon enttäuscht werden, dass sogar die Tuningmöglichkeiten knapp ausfallen. Wirklich ausführlich gibt es nur das Leistungstuning, welches in recht trockenen Menüs präsentiert wird. Optische Tuningmöglichkeiten dagegen fallen mager aus: Angepasst werden dürfen bei allen Wagen wenigstens die Farbe, die Reifen und Felgen, zudem können Aufkleber/Decals platziert werden. Doch Teile austauschen? Bei vielen Boliden lassen sich bis zum Spielende nur wenige Einzelteile erneuern, zum Beispiel Spoiler anbringen oder die Motorhaube austauschen. Doch wer sich darauf gefreut hat, bei jedem Wagen Scheinwerfer auszuwechseln, andere Außenspiegel anzubringen oder gar ein Soundsystem einzubauen, wird bei den meisten seiner maximal fünf Fahrzeuge enttäuscht wurden. Dinge wie Unterbodenbeleuchtungen fehlen gleich ganz.

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Für optisches Tuning gibt es nur wenig Teile, das Leistungstuning wird in eher trockenen Menüs präsentiert.

Ich fahr‘ die Cops spazieren…

All das lenkt nicht so richtig davon ab, dass Need for Speed im Kern genau der Titel ist, den sich viele Fans der Reihe während der letzten Jahre gewünscht haben dürften. Insbesondere durch das starke Handling und das eine oder andere spannende Rennevent erzeugt der Titel an einigen Stellen ein großartiges Spielgefühl und vor allem eine große Motivation, weiterzuspielen. Doch mit mehr Spielzeit zeigen sich auch noch mehr Aspekte, die man hätte besser machen können, oder gar müssen.

Zunächst zu einem grundsätzlichen Ärgernis: Den Cops in Need for Speed. Ja, es gibt sie. Doch ganz ehrlich gesagt, fragt man sich, wieso. Ohne sie wäre der „Outlaw“-Storystrang im Spiel nicht denkbar. Doch die Polizei und ihr Verhalten sowie ihre Integration ins Spiel wirken so, als habe man sich fast schon dafür entschieden gehabt, die Gesetzeshüter aus dem Spiel zu streichen, was man definitiv hätte tun sollen, anstatt sie in dieser Form zu implementieren. Um sich so etwas wie Verfolgungsjagden liefern zu können, sollte man sich erstens in einen möglichst schwachen Wagen setzen und zweitens möglichst wenig Gebrauch vom Gaspedal machen. In der Outlaw-Kampagne wird von einem gefordert, Zwei- und Fünfminutenverfolgungen zu erreichen. Wir haben das nur hinbekommen, in dem wir uns nach dem Abschluss aller anderen Stränge bewusst hingesetzt haben und die Cops die paar Minuten lang spazieren gefahren haben. Beim normalen Fahren ist man sie innerhalb weniger Sekunden wieder los, da die Polizei-KI erstens als Sonntagsfahrer unterwegs ist und sich zweitens ständig irgendwo festfährt – Oder einfach gar kein Interesse an uns hat. Da bringen auch so coole Aspekte nichts, wie dass man kleine Strafen auch mit Bargeld zahlen kann, um gar nicht erst verfolgt zu werden…

Je weiter man im Spiel fortschreitet, desto schlimmer werden zudem weitere technische Macken. Ganz grundsätzlich gibt es von Beginn an immer wieder Bugs. Da wird man zum Eventbeginn mal ganz gerne in verkehrter Richtung auf die Straße gesetzt, oder man ist alleine unterwegs, da Need for Speed vergisst, die KI-Gegner zu laden. Immer schlimmer wird’s mit schnelleren Wagen und zunehmendem Spielfortschritt: Pop-Ups am Streckenrand nehmen zu, es kommt ungefähr alle 2 Minuten zu heftigen Framerateeinbrüchen mit Soundaussetzern, schließlich führen die Ladeprobleme des Spieles soweit, dass wir einfach ins Bodenlose fallen, da das Straßenstück vor uns einfach noch nicht geladen ist. Während dieses Probleme sind, die fehlendem Feinschliff „zu verdanken“ sind, gehört die gerade gegen Ende nervende Gummiband-KI zu den Dingen, die in der Need for Speed Reihe mal ganz grundsätzlich angegangen werden müssten. Bei einem kleinen Fehler schießen sie KI-Kontrahenten sofort an einem vorbei, egal, wie gut man vorher war.

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Ups! Bugs wie diese passieren in der zweiten Spielhälfte öfter…

Und die Langzeitmotivation?

Trotz allem hatten wir Spaß mit Need for Speed, denn wie gesagt: Hier steckt grundsätzlich genau der Titel drin, den wir haben wollten! Doch nach rund zehn Stunden ist der Spaß auch schon vorbei. Dann sind die Storystränge beendet, alle knapp 80 Events gefahren. Zwar hat man vermutlich nicht alle Sammelobjekte eingesammelt, doch auch ohne diese sind die Platintrophäe oder die 1.000 Gamerscore in deutlich weniger als 15 Stunden verdient. Mangels echter Onlineevents oder irgendwelcher Spielanreize nach dem Erreichen von Fahrerlevel 50 gibt es also auch keine echte Langzeitmotivation oder überhaupt einen Grund, Need for Speed noch einmal einzulegen.

So ist es im Grunde schon ein starkes Stück, was EA und Ghost Games hier abliefern: Alle Komponenten zur wahren Größe sind vorhanden, doch von Anfang an wirkt Need for Speed so, als wolle man den Fans den eigentlich Kern vorenthalten. Nach Abschluss des Spieles bestätigt sich dieser Eindruck: Inhaltlich stehen die Zeichen ganz klar auf Sequel, das deutlich ausgebaut sein wird, viel ärgerlicher sind aber die zahlreichen technischen Macken, die davon zeugen, dass auch die Pause von einem Jahr nicht lange genug war, um ein wirklich rundes Need for Speed abzuliefern.

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Mit etwas Glück sieht man so hübsche Panoramen wie diese…

Fazit: Es hätte so schön sein können…

So ganz grundsätzlich ist das neue Need for Speed inhaltlich und spielerisch der beste Ableger der Reihe, den wir in den letzten Jahren spielen durften. Ein tolles Handling, eine überaus hübsche Kulisse und eine Story, die durch die B-Movie-artigen Zwischensequenzen erzählt wird, machen’s möglich. Doch vor allem in der zweiten Hälfte des recht knappen Spieles merkt man, wie wenig Liebe in Need for Speed steckt – Oder dass sich EA und Ghost Games einfach noch ein weiteres Jahr Zeit hätten nehmen sollen, um diesen Neustart zu dem zu machen, was er hätte werden können.

Während die inhaltliche Knappheit trotz vieler offener Möglichkeiten vielleicht noch dadurch zu erklären ist, dass Need for Speed eben wirklich „nur“ ein Neustart ist, der in Zukunft schnell ausgebaut werden soll, sind die technischen Fehler, die zahlreichen Bugs und die verkorkste KI einfach ärgerlich. Insbesondere, was man sich bei den Cops in Need for Speed gedacht hat, blieb uns einfach bis zum Schluss schleierhaft. So ist Need for Speed ein eigentlich sehr guter Arcaderacer, der rund zehn Stunden ordentliche Unterhaltung bietet. Doch direkt von Anfang an breitet sich der Beigeschmack aus, dass es so viel mehr hätte sein können… Und dass Automobilhersteller bei so vielen Fehlern im Getriebe zu einem Rückruf gezwungen wären.

Pro Contra
+ Tolles Geschwindigkeitsgefühl – Cops ein schlechter Witz
+ Grafisch beeindruckende Kulisse – Vor allem gegen Ende hin sehr schlecht optimiert (Framerateinbrüche, Soundaussetzer)
+ Gelungenes Handling – Immer wieder Bugs, zahlreiche Pop-Ups
+ Gute Musikuntermalung – Überflüssige Online-Features
+ „Story“/Filmsequenzen gehen voll in Ordnung – Teils nervige Gummiband-KI
+ Leistungstuning und individuelle Anpassung des Fahrverhaltens – Optische Tuningmöglichkeiten enttäuschen
+ Sehr gelungene Driftevents – Leistungstuning in steifen Menüs, umständliche Map

Technik: 69

  • Grafik: 68
  • Sound: 84
  • Umfang: 69
  • Gameplay: 82
  • KI: 44

Spielspaß: 74

Singleplayer:

  • Story: Ja, Need for Speed hat eine! Die Zwischensequenzen haben B-Movie-Qualitäten, sind aber soweit solide auch deutsch vertont und transportieren das nötige „Feeling“, das Need for Speed Fans in den letzten Jahren vermisst haben dürften.
  • Frustfaktor: Insgesamt ist der Schwierigkeitsgrad von Need for Speed eher niedrig angesetzt. Durch die Gummiband-KI und nervige Bugs sind aber dennoch Frustmomente möglich.
  • Wiederspielwert: Need for Speed macht rund 10-15 Stunden unheimlich viel Spaß – Danach habt ihr wahrscheinlich Platin / 1000 Gamerscore und die Luft ist raus.
  • Design/Stil: Insgesamt gelungen, mit relativ wenig Abwechslung.
  • Musik: Die Musikuntermalung ist toll, die Soundeffekte inklusive Motorengeräusche super, die Synchro gelungen. Nervig: Die Soundaussetzer, wenn das Spiel laggt.

Informationen zum Testgerät
Plattform: Xbox One
Edition: Standard (500GB), ohne ausgetauschte Hardware
Hardware: Titel installiert auf externer USB 3.0 Festplatte (2 TB), später auf interner Festplatte (500GB)
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr

Wir bedanken uns bei EA für die Bereitstellung des Reviewmusters zu Need for Speed!

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Manuel Eichhorn
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