Ein Junge verschwindet im Red Creek Valley, doch was genau hat es mit diesem Verschwinden auf sich? The Vanishing of Ethan Carter ist mehr als nur ein First-Person-Rätselspiel, denn es schickt euch gleichzeitig auf eine mysteriöse Entdeckungsreise. Knapp ein Jahr nach dem PC-Release erscheint die PS4-Umsetzung des Titels aus dem Hause The Astronauts, die extra auf die Unreal Engine 4 portiert wurde. Näheres zu diesem „Remake“ verrät unser Test.
Die Erleuchtung steht am Ende
The Vanishing of Ethan Carter gehört zu der Gruppe Spiele, über die man wertende Aussagen erst dann anstellen sollte, wenn man das Ende des Spieles gesehen hat. Denn am Ende steht die Erleuchtung – Vieles ist plötzlich logisch und Dinge, die man vorher sogar als Mangel am Spiel oder am Gameplay hätte ankreiden können, erscheinen plötzlich in einem ganz anderen Licht und sind vollkommen nachvollziehbar.
Mehr wollen wir zur Handlung nicht verraten. Wir waren überrascht, wie sich die Handlung rund um den vermissten Jungen Ethan Carter und den Detektiv Paul Prospero am Ende entwickelt und wir hätten uns schon während des eigentlichen Spieles ein paar Hinweise in die richtige Richtung gewünscht. Die Auflösung geht am Ende ganz schnell und ist fast ein wenig platt – Und das, wo uns während der ungefähr vierstündigen Spielzeit nicht nur einmal die Fragezeichen auf die Stirn geschrieben standen.
Ein lineares Vergnügen
Während die Geschichte zum Ende hin deutlich aufgewertet wird und letztlich stark aufgewertet wird, zeigt sich beim Gameplay eine gegenteilige Entwicklung: Während die Rätsel der ersten paar Spielabschnitte noch fordernd, mysteriös und in Kleinigkeiten ein kleines bisschen unnachvollziehbar sind, so wirken insbesondere die letzten beiden Abschnitte eher halbherzig und sind wenig innovativ.
Zum Hauptaufgebot der zweiten Spielhälfte gehört die Rekonstruktion von Todesfällen – Nachdem man den entsprechenden Tatort genau analysiert und Objekte an ihren jeweiligen Platz gebracht hat, visualisieren sich diverse Erinnerungsfragmente Ethan Carters vor dem Auge des Detektivs Paul Prospero und es liegt dann an euch, diese Fragmente in die richtige Reihenfolge zu bringen. Das erfordert zunächst noch ein wenig Denkarbeit, spätestens die letzten beiden Fälle sind aber keine nennenswerte Aufgabe mehr.
Das ist schade, denn insbesondere am Anfang hält The Vanishing of Ethan Carter echte Kopfnüsse bereit, die entweder sehr konzentriertes Denken oder aber gar ein „halbwegs fotografisches“ Gedächtnis voraussetzen. Einige Spieler dürften hier dann auch zum Guide greifen. Zwischendurch gibt es noch kleine Momente, die nicht wirklich logisch sind. In der Visualisierung erklärt sich die Position des Objekts zwar, aber hier muss man eben zufällig an die richtige Stelle laufen, um die Visualisierung letztlich überhaupt sehen zu können.
Insgesamt ist The Vanishing of Ethan Carter ein äußerst lineares Vergnügen – Zwar gibt es eine recht weitläufige Kulisse zu erkunden, doch wenn man die Wege kennt, kann man sich schnell von Schauplatz zu Schauplatz durchschleusen. Theoretisch sind sämtliche Rätsel optional und man kann das letzte Kapitel auch erreichen, ohne ein vorheriges Rätsel gelöst zu haben – Doch die erwähnte letzte Enthüllung, die auch die Linearität des Spieles erklärt, kommt nur ans Licht, wenn alle „Geschichten“ gelöst wurden – Fünf sind es an der Zahl.
Viel Fokus auf die Kulisse
Trotz aller Enthüllungen und Erklärungen müssen wir am Ende festhalten, dass die Entwickler sehr deutlich spürbar einen großen Stellenwert auf die Kulisse gelegt haben. Diese ist zweifelsohne großartig: The Vanishing of Ethan Carter lässt auf der PS4 ordentlich die Grafikmuskeln spielen und inszeniert ein extrem hübsch anzusehendes Red Creek Valley. Der atmosphärische Soundtrack tut sein Übriges zum insgesamt sehr dichten Erlebnis.
Während wir regelmäßig von superben Kulissen beeindruckt sind, so wirkt hin und wieder alles ein wenig wie direkt aus dem Baukasten. Zusätzlich hätten wir uns auch in der Spielwelt noch ein klein wenig mehr Mysteriöses oder gar Leben gewünscht. Abseits der Rätsel halten sich Interaktionsmöglichkeiten in engen Grenzen, eigene Erkundung wird leider kaum belohnt, und das, obwohl The Vanishing of Ethan Carter zunächst den Eindruck macht, dass es alleine die Aufgabe der Spieler ist, das Verschwinden von Ethan mit eigenen Mitteln aufzuklären.
Somit bleibt Red Creek Valley am Ende wirklich nur eine großartige, teilweise atemberaubende Kulisse, die die PS4 hin und wieder überfordert. Die Framerate wirkt oft instabil, an einigen Stellen kommt es zu deutlich spürbarem Stocken. Kurz vor Ende unserer Testphase wurde der Patch 1.02 veröffentlicht, der zumindest etwas Abhilfe schaffte, das Problem aber nicht komplett aus der Welt schaffen konnte.
Lobenswert ist, dass The Vanishing of Ethan Carter zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten bereithält, und zwar sowohl im Soundbereich als auch bei der Grafik – Insbesondere für die Leute, die stark von Motion Sickness betroffen sind. Als neue Option kam mit dem erwähnten Patch auch die Möglichkeit hinzu, die Bildrate bei 30 Bildern pro Sekunde zu fixieren.
Fazit: Atemberaubende Reise mit Orientierungskrise
The Vanishing of Ethan Carter erweckt den Eindruck eines großen Erkundungsspieles. Echte Eigenarbeit wird aber nicht gewürdigt, denn letztlich kommt alles in fünf linear angeordneten Kapiteln zusammen. Zusätzlich lässt die Qualität der Rätsel insbesondere in der letzten halben Stunde drastisch nach, während zu Beginn noch einige fordernde Kopfnüsse geliefert werden. Dazwischen stehen kleinere unlogische Passagen. Die Story wird am Ende geschickt aufgelöst – Für die ziemlich kurze und platte Enthüllung gibt es zwischendurch aber ein wenig zu viele Fragezeichen.
Was The Vanishing of Ethan Carter dauerhaft auszeichnet ist die großartige und grafisch beeindruckende Kulisse, die auch vom atmosphärischen Soundtrack gestützt wird. Doch auch hier hätte es noch ein wenig mehr Mysteriöses und Leben geben dürfen. Zudem hat die PS4 mit einer stabilen Framerate zu kämpfen, während die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten im Grafik- und Soundbereich wirklich lobenswert sind. Unterm Strich ist The Vanishing of Ethan Carter eine solide Erfahrung, sich noch mehr auf Erkundung oder Rätsel hätte konzentrieren müssen – Oder auf beides.
Pro | Contra | ||
+ Großartige Kulisse | – Instabile Framerate | ||
+ Grafisch häufig beeindruckend | – Kleinere unlogische Passagen | ||
+ Insgesamt sehr interessanter Storyansatz… | – … der ruhig früher hätte angesprochen werden dürfen: Die Erleuchtung kommt ziemlich platt am Ende | ||
+ Einige interessante Kopfnüsse am Anfang | – Rätsel am Ende wirken halbherzig, lassen Anspruch missen | ||
+ Zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten im Grafik- und Soundbereich |
- Grafik: 85
- Sound: 85
- Gameplay: 69
- Umfang: 70
- KI: 75
Spielspaß: 69
Einzelspieler/Koop:
- Story: Mysteriös und recht fesselnd. Am Ende zeigt sich ein sehr interessanter Ansatz – Der ruhig schon früher hätte angesprochen werden können, da er Vieles erklärt und einige unnötige Fragezeichen während der Handlung hätte vermeiden können. Die Auflösung ist ein bisschen zu platt.
- Wiederspielwert: Sehr gering – Obwohl es anfänglich so wirkt, gibt es nur wenig echte Freiheit und die relevanten Abschnitte lassen sich sehr linear abspulen. Die tolle Kulisse lässt sich erkunden, was aber nur eingeschränkt Sinn hat.
- Frustfaktor: Nicht vorhanden.
- Design/Stil: Die Kulisse ist großartig. Hin und wieder hätte es noch einen Tick mysteriöser sein dürfen!
- Musik/Sound: Der atmosphärische Soundtrack unterstreicht die gute Atmosphäre. Die Synchro ist solide. Lobenswert sind die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten zur Abmischung.
Informationen zum Testgerät
Plattform: PlayStation 4 500GB
Hardware: Standard, ohne ausgetauschte Hardware
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 8 Monate (PS4 Launchkonsole)
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