Agatha Christie: Mord im Orient-Express (PS5) im Test

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Wer wollte nicht schon immer mal mit dem berühmten Orient-Express von Istanbul bis nach Paris fahren? Zum 140. Geburtstag des Zuges wird eine Sonderfahrt mitsamt des berühmten Detektivs Hercule Poirot und mindestens einem Mordfall. Microids Studio Lyon hat sich am Klassiker von Agatha Christie versucht und präsentiert nun Agatha Christie: Mord im Orient-Express in aktueller Zeit und auf den aktuellen Konsolen. Ich habe mir die PS5 Version genauer angesehen. Mehr gibt es in meiner Review. !B

Hercule Poirot läuft durch einen holzgetäfelten Zug.

Auf der Suche nach der Fahrkarte

Dezember 2023 – Der Orient-Express tritt eine Jubiläumsfahrt zum 140. Bestehen der Verbindung an, startend in Istanbul mit dem Ziel in Paris. Praktischerweise befindet sich zu dieser Zeit auch Hercule Poirot in Istanbul, der per Mail gebeten wird, zurückzukehren. Praktisch, dass also gerade auch der berühmte Zug fährt. Doch damit beginnen wir nicht. Wir begleiten Poirot erstmal dabei, wie er in einem Hotel in Istanbul einige der später wichtig werdenden Charaktere trifft und gebeten wird, eine Zugfahrkarte zu finden. Eine gute Möglichkeit, um die grundlegenden Gameplayelemente des Spiels kennenzulernen.

Agatha Christie: Mord im Orient-Express zählt zu den Klassikern der Literatur, der schon das eine oder andere Mal mehr oder weniger erfolgreich verfilmt wurde. Microids Lyon wagt sich nun an eine Verspielung und probiert sich dabei neu aus: Es gibt einige spannende Abwandlungen zum Klassiker. Schon allein dadurch, dass der Titel direkt im Jahr 2023 spielt und somit auch moderne Technik einige Auftritte hat – inklusive Funkloch, als wir mitten in einer Schneelawine feststecken. Doch es gibt noch einige Änderungen, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde.

Wie es der Name schon vermuten lässt, bringt Agatha Christie: Mord im Orient-Express mindestens einen Mordfall mit, der es aufzulösen gilt. Angeführt von einem der berühmtesten Detektiven der Welt, der nicht unbedingt zu meinen Lieblingen gehört und den ich in den ersten Spielstunden mehr als arrogant fand. Ich mochte einfach nicht, dass Poirot nach jeder richtigen Antwort sich selbst lobt, wie toll seine grauen Zellen doch sind.

Hat man sich einmal an den Stil von Poirot gewöhnt, begegnet man einem spannenden Fall, der jedoch mit vielen, viel zu einfachen Rätseln verknüpft sind und somit kaum zu Herausforderungen werden. Zudem gibt Agatha Christie: Mord im Orient-Express automatisch an, ob man richtig liegt oder nicht, wodurch man relativ schnell durch den Fall kommt. Und wenn doch mal nicht weiter kommt, kann man Hinweise freischalten. !B

Zu sehen ist ein edles Hotel mit marmornen Säulen. Das ist das Hotel Tokatlien in Istanbul.

Ungereimtheiten in den Aussagen

Es handelt sich bei Agatha Christie: Mord im Orient-Express um eine Mordermittlung. Das bedeutet, dass Hercule und wir ganz viele verschiedene Aussagen hören, die wir auf die Wahrheit überprüfen müssen – und zwar in einem Konfrontationsmodus. Keine Sorge, theoretisch kann man dabei nichts falsch machen – allerdings gibt es am Ende eine Trophäe, wenn alle Konfrontationen ohne Fehler durchgeführt wurden. Generell gibt es sehr viele Trophäen dafür, wenn man alles ohne irgendwelche Fehler gemacht hat. Wer also auf Trophäenjagd ist, sollte alle Antworten überdenken.

Doch leider verstricken sich die Storyteller hinter Agatha Christie: Mord im Orient-Express selbst in diversen Widersprüchen, die manchmal nicht unbedingt was mit dem Fall selbst zu tun haben. So habe ich zum Beispiel einige der Charaktere bereits vor ihrem eigentlichen Auftritt im Spiel angesprochen oder war mit ihnen direkt im Gespräch. Beispielsweise blieb mir dabei die russische Prinzessin im Gedächtnis, die sich mir im Kapitel 3 vorstellte. Später wurde sie Teil der Ermittlungen und Hercule sagte, dass sie sich noch gar nicht offiziell vorgestellt wurden. So gibt es einige Widersprüche selbst durch Hercule, die hätten vermieden werden können.

Bei den Ermittlungen selbst ist vieles zum Glück klar und nicht so verwirrend, wie einzelne Gespräche. Dafür zieht sich jedoch manches doch ganz schön und einige Momente verlangen, dass ich ständig im Zug hin und her laufe. Der Zug selbst hat zwar einige wunderbare Momente – vor allem bin ich von den Licht- und Spiegeleffekten ganz angetan. Doch es fehlt ihm an Atmosphäre: Er macht keine Geräusche. Ich höre weder Zuggeräusche, noch Stimmen, wenn sich die Charaktere unterhalten, dafür höre ich immer wieder dasselbe Hintergrundgedudel. Das ist ein wenig sehr schade und nimmt ganz schön die Stimmung im Zug. Die Umgebung außerhalb des Zuges ist… nun ja, sagen wir mal so, ein paar mehr Details wären für Belgrad schon schön gewesen. !B

Ein Zug fährt durch eine Schneelandschaft und hält in einem Ort mit einer Kirche und drei Häusern.

Kniffe und Rätsel

Auch wenn sich manchmal die Aussagen in sich selbst verstricken, so greift Agatha Christie: Mord im Orient-Express doch auf einen ziemlich guten Trick zurück. Und gerade dann, wenn man denkt, man ist durch, fügen sich noch einige Kapitel mehr an. Ich mag, wie sich die Geschichten ineinander fügen, doch hätte es mir wesentlich besser gefallen, wenn einfach Schluss gewesen wäre, wenn Schluss hätte sein sollen. Dann wäre das Ganze eine humane Ermittlung mit so circa acht Spielstunden gewesen, was sehr entspannend gewesen wäre.

So fühlt es sich fast an, als würde man Agatha Christie: Mord im Orient-Express bewusst in die Länge ziehen wollen. Ich verstehe, dass wir hier jemanden finden müssen, der jemanden getötet hat, aber irgendwie hätte das nicht sein müssen. Unabhängig der verschiedenen Kniffe, so bringen auch die einzelnen Rätsel Irritationen mit sich.

Beispielsweise die Identifizierung der verschiedenen Charaktere: Trifft Hercule auf jemand neuen, so muss er Staatsangehörigkeit, Alter und Beruf festlegen, dabei fällt es unheimlich schwer, das richtige Alter zu tippen. In der Regel habe ich hier geraten. Auch die Staatsangehörigkeit ist mit der deutschen Tonspur nicht immer so leicht herauszufinden: Brit:innen und Amerikaner:innen unterscheiden sich im Deutschen gar nicht voneinander, die einzige Deutsche im Spiel hat einen hart übertriebenen Berliner Dialekt, der nicht mal vollständig durchgezogen wurde. Und Hercules französischer Akzent kommt viel stärker durch als noch in The London Case, ich weiß, anderes Studio und so, aber trotzdem. Beide Spiele sind nur wenige Wochen voneinander erschienen.

Doch nicht nur das sind seltsame Elemente im Spiel, auch manche Rätsel sind ein wenig schwieriger in der Darstellung. Beispielsweise soll man später Stichwunden der Länge eines Messers zuordnen. Immerhin: Agatha Christie: Mord im Orient-Express sagt dir, wenn du richtig oder falsch liegst. Unnötig scheinen diese Rätsel dennoch zu sein. Besonders in dem Fall hätte ich mir gewünscht, mehr selbst ermitteln zu können und auch mal bewusst falsche Lösungen finden zu können, statt dass mir das Spiel so sehr unter die Arme greift. Immerhin ist es technisch dennoch runder als The London Case. !B

Dargestellt ist eine Charakteranalyse, bei der man Alter, Nationalität und Beruf des Charakters einschätzen muss.

Meine Motivation

Zugegeben: Aufgrund vieler Alltagsthemen musste ich mich täglich sehr stark motivieren, Agatha Christie: Mord im Orient-Express weiterzuspielen. Es hat mich nicht wirklich gereizt, mir war es egal, wer hier wenig umgebracht hat. Poirot hat mich zudem schrecklich mit seiner Überheblichkeit genervt – ich weiß nicht, warum man ständig diesen Typen in den Vordergrund rückt und sich nicht mal wieder an Miss Marple oder gar am Ehepaar Beresford, die ich persönlich mehr schätze als die anderen Christie Charaktere.

Aus diesem Grund hat es auch so lange gedauert, bis wir eine Review zum Spiel überhaupt geschrieben haben. Den Key hatten wir bereits eine Weile, aber ich hab mich schlichtweg nur schwer motivieren können, weiterzuspielen. Zwischen Poirot und mir hat einfach die Chemie nicht gestimmt. Später, wenn ich erstmal die anderen Charaktere im Spiel näher kennengelernt habe, und auch Miss Locke eine Rolle spielte, habe ich mich wohler gefühlt. Doch vorher war es schwierig für mich, überhaupt die PlayStation 5 anzuschalten. Ich hoffe ja später doch mal auf angenehmere Hauptfiguren, die durch die Agatha Christie Limited unterstützt werden. !B

Hercule Poirot steht in seinem Zimmer im Zug und starrt auf sein rotes Bett. Er sagt "Ah...Endlich ein richtiges Bett! Perfekt für einen König... oder einen müden Detektiv."

Fazit: Mord im schicken Zug

Gamer's Palace Score: 68 / 100

Agatha Christie: Mord im Orient-Express erzählt einen Klassiker neu, bringt ihn in die Gegenwart und packt auch noch einige spannende Elemente mit ein, die mir teilweise jedoch das Gefühl geben, dass die Geschichte dadurch in die Länge gezogen wurde. Auch wenn mich der Orient-Express selbst sehr begeistert und ich vor allem die Licht- und Spiegeleffekte bewundere, so konnte ich kaum einen Funken zwischen mir und Hercule spüren. Der überhebliche Ermittler stellt sich zu sehr in den Mittelpunkt, erst später konnte ich mich mit anderen Charakteren im Spiel identifizieren und mich auf die verschiedenen Rätsel – die manchmal eher seltsam und undurchdacht wirken und teilweise sehr einfach sind – einlassen und die Fahrt im Zug genießen.

Offenlegung

Wir haben kostenlos einen Review Key für die PS5 Version von Agatha Christie: Mord im Orient-Express vom Publisher erhalten.

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Beatrice Eichhorn
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