Asexualität in Videospielen: „Ich fühle mich häufig nicht repräsentiert“

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Manchmal ist es gar nicht so leicht, einen treffenden Einstieg für einen Artikel zu finden, wenn der Rest des Textes eigentlich schon im Kopf so gut wie fertig besteht. Seit dem ich vor einigen Jahren herausgefunden habe, dass ich asexuell und nicht einfach nur kaputt bin, suche ich nach Medien, in denen das Spektrum der Asexualität auch mal thematisiert wird, doch es ist schwierig. Manchmal fast unmöglich.

In der englischsprachigen Young Adult Literatur gibt es das eine oder andere Buch, das sich mit Asexualität befasst, jedoch kann man diese Titel an einer Hand abzählen und zum klassischen Mainstream zählen diese Bücher noch nicht, anders bei der Gay Literature, die es in vielen Bereichen gibt und die auch durch andere Medien häufiger in den Vordergrund rückt. Vielleicht auch, weil man es seltener verbergen kann, homosexuell zu sein. Ich als Asexuelle in einer Heterobeziehung bin auf den ersten Blick „normal“.

Was bedeutet es, asexuell zu sein?

Ich schrieb bereits, dass Asexualität ein Spektrum ist, so wie es die Sexualität an sich auch ist. Der eine oder andere sexuelle Mensch hat vielleicht auch nicht ständig das Bedürfnis danach, Sex zu haben, der andere vielleicht schon. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass Asexualität bedeutet, dass einem generell die sexuelle Anziehung fehlt, man sich also nicht unbedingt zu jemandem auf sexuelle Weise hingezogen fühlt. Ich wiederhole mich gern, aber Asexualität ist ein Spektrum. So gibt es auch Asexuelle, die trotzdem gerne Sex haben.

Bei mir ist das nicht der Fall. Ich finde alleine schon die Praxis anstrengend, sie artet für mich häufig in Arbeit aus. Und nein, das liegt nicht daran, dass „mir der richtige Stecher“ fehlt, sondern dass es einfach in meinem Hirn nicht diese Verknüpfung gibt, wie sie bei sexuellen Menschen vorhanden ist.

Ob man asexuell ist oder nicht hängt nicht damit zusammen, dass man als Kind mal ein Trauma hatte oder etwas in der Art, sondern bei mir hat es sich im Laufe der Spätpubertät entwickelt. Stellenweise habe ich meine Unlust auf die Pille geschoben und dann die Pille gewechselt, weil ich dachte, sie ist für meine Libido zuständig. Doch es war am Ende ein Artikel im Spiegel, in dem ich mich wiedererkannte. Seit dem ich weiß, dass ich nicht einfach nur kaputt bin, fühle ich mich deutlich besser. Umso wichtiger ist es, dass auch Asexualität in Medien eine größere Rolle spielt, schließlich geht man davon aus, dass etwa 1 % der Weltbevölkerung asexuell ist – die Dunkelziffer möchte ich dabei gar nicht erst wissen.

„Dann geh doch im Spiel einfach keine Beziehung ein“

Ja, wenn es so einfach mit der Asexualität getan wäre, würde ich diesen Artikel nicht schreiben. In manchen Spielen hat man die Option, verschiedene Beziehungen einzugehen – in fast allen Spielen sind diese Beziehungen jedoch sexueller Natur und ich habe häufig gar nicht die Möglichkeit, das Ganze rein auf romantischer Basis laufen zu lassen.

Häufig lese ich, dass ich ja repräsentiert wäre, wenn keine sexuellen Handlungen im Spiel selbst oder in der Beziehung vorkommen. Doch so einfach ist das nicht. Ich weiß nicht, wie es anderen Asexuellen geht, aber ich nehme Dinge oft ganz anders wahr und verwende gewisse Formulierungen auch anders. Beispielsweise erkenne ich schlichtweg nicht, wenn jemand mit mir flirtet oder wenn meine Aussagen als Flirt wahrgenommen werden könnten. Doch das sind Feinheiten, die in Videospielen keine Rolle spielen – zumindest nicht in den großen, denn es gibt kleinere Titel, die sich sehr wohl mit dem Spektrum beschäftigen.

Selbst wenn ich keine Beziehung eingehen würde: Wir alle wissen, dass sich der Großteil unserer Menschheit nicht wohlfühlt, wenn er einsam ist. So geht es auch mir. Gibt es in einem Spiel die Option auf Romantik, möchte ich diese auch nutzen, denn ich möchte nicht, dass mein Charakter allein sein muss. Ich möchte, dass sier auch die Möglichkeit bekommt, geliebt zu werden. Doch manchmal landet man einfach schneller mit anderen Figuren im Bett, als mir lieb ist.

Mein Lieblingsbeispiel ist hier immer wieder Die Sims 3. Ich kann in dieser Lebenssimulation so gut wie alles sein, viele Aspekte des LGBTQIA-Spektrum sind dabei vertreten. Doch sobald ich in einer Beziehung mit jemandem bin, kommt irgendwann der Punkt, dass sich meine Sim wünscht, mit ihrerm Partner/-in ein Techtelmechtel zu haben, vielleicht sogar ein Baby zu machen. Erfülle ich die Punkte nicht, wird meine Sim traurig. Ich habe zwar immer noch die Möglichkeit, das zu umgehen, aber allein die Tatsache, dass sich meine Sim das wünscht, repräsentiert mich nicht wirklich.

Wieso es so wichtig ist, repräsentiert zu werden

Wenn ich ein heteronormativer Cis-Mensch bin, mache ich mir um eine Repräsentation keine Gedanken, denn die ganze Welt ist meine Repräsentation. Bin ich das nicht, muss ich andere Wege finden, um wahrgenommen zu werden. Es geht mir dabei jedoch nicht darum den heteronormativen Cis-Menschen zu nahe zu treten und ihnen Teile ihrer Repräsentation abzusprechen, sondern meine zu finden.

Für Menschen, die dem Heteronormativ nicht entsprechen, ist es schwierig, einen Platz zu finden, der uns sagt, dass wir willkommen sind. Dass wir nicht kaputt sind, sondern einfach nur anders – und dass anders sein nichts Schlechtes ist. Deswegen ist es so wichtig, dass wir mehr gesehen werden. Besonders „kleinere“ Bereiche aus der LGBTQIA+-Community sind noch nicht so sichtbar. Erst das kürzlich erschienene No Longer Home beispielsweise repräsentiert nicht-binäre Personen und dabei ist es eins von wenigen, das überhaupt Aufmerksamkeit bekommt.

Im Sommer brachte npckc, ein/-e Entwickler/-in, dier sich auf unterrepräsentierte Spektren aus der LGBTQIA+-Community spezialisiert hat, A Year of Springs auf den Markt, bei dem es sich um eine Sammlung drei der Visual Novels aus dem Portfolio dier Künstler/-in handelt. Eines davon steht für Asexualität, ein anderes für Transsexualität. Doch alle genannten Titel stammen aus dem Indiespielbereich. Selten bis gar nicht landet eine solche Repräsentation in den AAA-Spielen.

In einem Artikel, der dieses Jahr erschien, sammelte ich Spiele, in denen Asexualität eine Rolle spielt. Alle darin enthaltenen Spiele gibt es auf itch.io, die wenigsten haben es auch zu Steam geschafft. Ich wünsche mir einfach, dass sich Entwickler/-innenstudios auch mal trauen, asexuelle Charaktere zu schaffen und uns eine Stimme zu geben. Allerdings glaube ich, dass das noch ein sehr langer Weg ist, denn im englischsprachigen Young Adult Literaturbereich gibt es nur eine Handvoll Bücher, im TV gibt es nicht mal eine Handvoll Serien – manche Charaktere, die ursprünglich asexuell sind, werden fürs TV sogar umgeschrieben, um sexuell zu sein (siehe Riverdale) – und im Videospielbereich gibt es nur eine Handvoll Spiele, die lediglich im unbekannteren Indiebereich zu finden sind. Ich möchte bitte mehr wahrgenommen werden und einen Ort haben, der mir sagt, dass ich nicht kaputt bin und auch nicht repariert werden muss.

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Beatrice Eichhorn
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