Der Meisterdetektiv ist zurück! Mit einer gewissen Regelmäßigkeit haben PC- und Konsolenspieler seit einigen Jahren die Chance, in die Rolle des berühmten Sherlock Holmes zu schlüpfen. Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter ist die neuste Kreation aus dem Hause Frogwares. Nachdem uns Crimes & Punishments: Sherlock Holmes trotz einiger technischer Stolpersteine ziemlich gut gefallen hat, waren wir gespannt auf dieses Abenteuer. Ob unsere Erwartungen erfüllt wurden, verrät der Test.
Gleiche Struktur, mehr Inhalt
Obgleich Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter von der Struktur her leider immer noch auf fünf streng abgegrenzte Kapitel setzt, macht man inhaltlich Einiges anders als in den Vorgängern: Es gibt eine durchgehende Hintergrundgeschichte rund um Sherlock Holmes, seine Tochter Kate und seine neue Nachbarin Alice, die in Kapitel 5 zu einem kurzen, aber spektakulären Abschluss gebracht wird. Die vier Kapitel davor sind wieder sehr abwechslungsreiche und unterschiedliche Ermittlungen für den Meisterdetektiv, in denen die Hintergrundgeschichte immer wieder gut eingewoben wird. Trotz eines echten Falls weniger kommt man auf eine Spielzeit von circa 12 bis 14 Stunden, was durchaus in Ordnung ist.
Abgesehen von der starren Fälle-Struktur ist es auch in Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter wieder schade, dass der Abschluss der Fälle sehr beliebig wirkt. Man sammelt Beweise und zieht völlig selbstständig Schlussfolgerungen – Man kann mindestens zwischen zwei Verdächtigen unterscheiden, doch bahnbrechende Beweise, die uns bei der Überführung helfen können, fehlen uns leider. Am Ende jedes Falls macht einem das Spiel deutlich, ob man alle Hinweise gefunden hat und auch, ob man die „richtige“ Entscheidung getroffen hat. Abgeschlossen ist der Fall so oder so – Kommenden Sherlock Holmes Spielen würde nicht nur eine offenere Struktur guttun, sondern vielleicht auch eine Art Reputationssystem, für den Fall, dass man wirklich einen Unschuldigen eines Verbrechen bezichtigt… Obwohl das vielleicht auch niemand herausfinden kann, außer Sherlock Holmes selbst natürlich…
Bei den Levels im Spiel setzt man dieses Mal auf ein bisschen mehr Offenheit: So dürft ihr regelmäßig bei der Suche nach Wohnungen von Verdächtigen oder auch vor eurem eigenen Haus in der Baker Street durch einige Straßen von London streifen. Natürlich haben dennoch alle Level recht starre Grenzen und wirklich etwas zu entdecken gibt es nicht, außer es ist ermittlungsbezogen. Von Open-World Verhältnissen ist Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter somit selbstverständlich weit entfernt, was aber auch nicht schlimm ist. Dafür trumpft es mit sehr vielen verschiedenen Schauplätzen auf – Verschiedene Wohnungen und Einrichtungen, ein Sportclub auf dem Land, Kneipen in Whitechapel, der Highgate-Friedhof, und schlussendlich darf auch ein Besuch in der Londoner Kanalisation nicht fehlen. Optische Inszenierung, Soundkulisse und Atmosphäre passen meistens sehr gut zusammen – Frogwares vermittelt ein glaubwürdiges und nur dimensionsmäßig etwas limitiertes Bild von London.
Ein Hoch auf Abwechslung
Noch wichtiger war Frogwares aber ganz offensichtlich die spielerische Abwechslung. Beim Kredenzen verschiedenster Spielelemente lässt man sich auf alle Fälle nicht lumpen. Im Kern ist Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter immer noch ein Rätselspiel, dieses Mal gibt es aber auch mehr Actionsequenzen, QuickTime-Events und auch Stealthpassagen. Alle diese Elemente sind immer recht stimmig implementiert, sodass auch die Action keinesfalls überstrapaziert wirkt, von der Gameplay-Qualität her müsste aber noch deutlich geschraubt werden.
Gerade die Actionszenen sind teilweise leider unterdurchschnittlich. Ein einziger Schusswechsel im Spiel wirkt furchtbar aufgesetzt, auch Szenen, in denen man sich mit Sherlock über Abgründe schwingt, verleiten vermutlich sogar Lara Croft auf der PS1 zum Fremdschämen. Zum Glück halten sich diese Momente stark in Grenzen – Bei den Rätseln und Quicktime-Events liefert Frogwares größtenteils sehr gute Inhalte ab, vor allem, weil Letztere manchmal Rätsel eingebaut haben und man die richtigen Aktionen in den QTEs finden und kombinieren muss.
Die Rätsel selbst sind größtenteils logisch und mit etwas Aufmerksamkeit relativ schnell zu lösen. Durchaus ist das eine oder andere Rätsel dabei, wo man auch länger überlegen muss. Echte Tipps oder Automatismen, um einem zu helfen, gibt es abgesehen von den Erklärtexten nicht – Sollte es einem zu viel werden, kann man jedes Rätsel auch einfach überspringen, ohne Konsequenzen im Spielablauf zu fürchten. Nur die Trophäe bzw. der Erfolg geht einem dann durch die Lappen – Löst man jedes Rätsel und besteht man noch die eine oder andere Herausforderung im Spiel, winkt auch eine recht leichte Platintrophäe bzw. 1.000 Gamerscore.
Spielerisch wünschenswert wären auch im Spielablauf noch mehr Konsequenzen der freier angelegten Ermittlungen. Beispielsweise die Charakteranalysen sind zwar gelungen und erfordern manchmal ein scharfes Auge, jedoch bleiben eventuell fehlerhaft getroffene Rückschlüsse ohne spürbare Konsequenzen, außer, dass Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter von einer „ungenauen Analyse“ spricht. Wenn ich beispielsweise entscheide, dass der Ring am Finger einer Frau ein Familienerbstück ist, kann ich wenige Augenblicke später trotzdem die Frage nach der Verlobung stellen – Es wäre wünschenswert, dass einem hier bestimmte Stränge in den Ermittlungen dann einfach vorborgen bleiben würden (oder andere eröffnet werden würden).
Technik, Sie behindern die Justiz!
Sherlocks größter Antagonist ist auch in Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter leider die Technik – Auf Xbox One ist die Framerate zwar gerade so stabil, aber insbesondere das starke Tearing fällt von Anfang an auf und ist in manchen Gameplayszenen auch sehr anstrengend für Kopf und Augen. Grafisch liefert man zwar insgesamt aber eine solide Leistung, aber vor allem die Figuren erinnern sehr stark in die letzte Konsolengeneration, weswegen die technischen Macken umso ärgerlicher sind.
Sehr gut dagegen ist in einigen Teilen die Soundkulisse. Zwar kommt die deutsche Synchronisierung an einigen Stellen nicht über ein solides Niveau hinaus, aber Soundeffekte und Musik ergeben größtenteils ein gelungenes Gesamtbild und sind schon von Haus aus gut abgemischt.
Am nervigsten sind auf Dauer die unheimlich langen Ladezeiten… Dass trotz der recht kleinen Areale und wenigen aktiven Objekte teils rund eine Minute am Level herumgeladen wird, ist sehr ärgerlich. Immerhin kann man – außer natürlich zwischen den Fällen – in der Zwischenzeit auf Beweise und Schlussfolgerungen zugreifen, aber hat man das schon vorher erledigt, muss man Sherlock zusehen, wie er in der Kutsche sitzt (alternativ kann auch ein statischer Ladebildschirm eingestellt werden). Besonders ärgerlich sind die Ladezeiten, wenn man nur für Kleinigkeiten mehrmals hintereinander den Ort wechseln muss – Beispielsweise um zuerst einen Verdächtigen etwas zu fragen, um anschließend in Sherlocks Archiv etwas nachzusehen und schließlich wieder zum Tatort zu fahren. An diesen Stellen wird Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter zu einer waschechten Geduldsprobe.
Fazit: (Wieder einmal) gelungene Ermittlungen mit Technikhürden
Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter ist ein weiteres solides Abenteuer mit dem Meisterdetektiv, welches vor allem durch seine sehr große spielerische Vielfalt kleine Fortschritte gegenüber des Vorgängers geltend machen kann. Auch inhaltlich liefert Frogwares ein gelungenes Abenteuer, von der starren Spielstruktur her und auch im technischen Bereich gibt es aber leider zu wenig Fortschritte. Wir würden uns eher ein offeneres Abenteuer mit Sherlock wünschen, und vor allem auch mehr Konsequenzen unserer eigenen Handlungen: Fehlerhafte Analysentscheidungen während der Fälle haben kaum Auswirkungen, ebenso ist die Auflösung der Fälle immer noch eher beliebig und vor allem konsequenzlos. Technische Macken wie das sehr starke Tearing und die gefühlt ewigen Ladezeiten machen deutlich, dass zumindest auf Xbox One viel besser hätte optimiert werden müssen, denn die immer noch sehr kompakten Umgebungen sind kein Grund für die langen Wartezeiten. Unterm Strich kann sich Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter somit auf einem Niveau mit dem Vorgänger platzieren. Fürs nächste Mal sollte sich Frogwares vielleicht noch ein bisschen mehr ins Zeug legen, denn man könnte sicherlich vom soliden bis guten Niveau auch auf ein sehr gutes emporsteigen.
Pro | Contra | ||
+ Sehr viel spielerische Abwechslung | – Immer noch sehr starre Spielstruktur | ||
+ Gelungene Rätsel | – Starkes Tearing | ||
+ Viele verschiedene Schauplätze | – Viel zu lange Ladezeiten | ||
+ Ansprechende Hintergrundgeschichte | – Einige spielerisch sehr peinliche Actionsequenzen | ||
+ Insgesamt gute Atmosphäre (auch durch Soundkulisse) | – Zu wenig Konsequenzen falscher Analysen | ||
+ Verschiedene Schlussfolgerungen möglich | – Auflösung der Fälle noch immer beliebig, „richtige“ Lösung schwer zu erkennen |
- Grafik: 62
- Sound: 82
- Umfang: 80
- Gameplay: 73
- KI: 60
Spielspaß: 77
Einzelspieler
- Story: Neben vier verschiedenen recht gelungenen Fällen bietet Sherlock Holmes: The Devil’s Daughterauch eine ansprechende Hintergrundgeschichte.
- Wiederspielwert: Ein Durchgang unterhält rund 13 Stunden. Für gute Detektive hat sich das Potential dann erschöpft.
- Frustfaktor: Weniger vorhanden – Sollten Rätsel zu schwierig sein, können sie einfach übersprungen werden.
- Design/Stil: Stilistisch und atmosphärisch gelungen, die Steuerung sorgt für Abstriche.
- Musik/Sound: Die deutsche Synchro ist solide, die Soundkulisse insgesamt gut.
Informationen zum Testgerät (Xbox One)
Plattform: Xbox One
Edition: Standard (500GB), ohne ausgetauschte Hardware
Hardware: Titel auf externer Festplatte (2TB, USB 3.0)
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 8 Monate
Wir bedanken uns bei bigben interactive für das Pressemuster zu Sherlock Holmes: The Devil’s Daughter!
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