Ich weiß noch, wie ich mir damals aus der Videothek Shin Megami Tensei: Lucifer’s Call für die PlayStation 2 auslieh und das ganze Wochenende damit verbrachte. Nun erscheint es in überarbeiteter Version unter anderem für die Nintendo Switch, sodass ich es mir nicht nehmen ließ, nochmal in Erinnerungen zu schwelgen, allerdings gehört Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster für mich zu jenen Spielen, die man lieber in der Erinnerung lässt.
Speichern und sterben
Als Shin Megami Tensei: Lucifer’s Call rauskam, war es ganz normal, dass JRPGs teilweise gemein waren und man bei einem Game Over nur den zuletzt gespeicherten Spielstand laden musste. Ein „Den Kampf erneut beginnen“, wie es heute viele Spiele – sogar Remastereds – haben, gab es damals nicht. Und auch Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster kommt nicht mit dieser komfortablen Funktion daher. Dafür hat es nun eine Zwischenspeichernfunktion, die jedoch nur bedingt diesen Namen verdient, denn damit beendet man das Spiel.
Doch das ist noch nicht alles, was Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster in die Neuzeit mitgebracht hat. Das Spiel wirbt mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden, doch so wirklich viele gibt es davon nicht. Einen „Lehne dich zurück und genieße nur die Story“-Modus brauchst du nicht zu erwarten. Und vorweg: Der normale Schwierigkeitsgrad ist ziemlich knackig und knallhart, sodass er mich ganz schön fordert, allerdings nicht fördert, denn durch den bereits erwähnten Game Ove Modus bin ich eher frustriert denn wirklich motiviert, um es immer und immer wieder zu versuchen.
Und das, obwohl das Kampfsystem sehr motivierend und spannend ist. Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster hat ein rundenbasiertes Kampfsystem: Rechts oben siehst du, wie viele Züge du noch hast. Löst dein Angriff beim Gegner eine Schwäche aus, darfst du zusätzlich nochmal angreifen. Beim Gegner ist es genauso. Es macht mir Spaß, die verschiedenen Angriffe und Buffs auszuprobieren und herauszufinden, was mit dem Gegner passiert. Auf diese Weise motiviert es mich schon, irgendwie weiter zu machen, doch eine Pause zwischen einem Game Over Bildschirm und einer weiteren Session brauche ich dennoch.
Und plötzlich ist Chaos
Alles beginnt in Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster damit, dass ich mit zwei meiner Mitschüler/-innen die Lehrerin im Krankenhaus besuche – doch das ist alles nicht so ganz wie es scheint, denn ziemlich viel Okkultes geht um. Unter anderem soll das Krankenhaus einen Kult beherbergen, der irgendwas Schräges plant. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Welt geht unter, ich bin plötzlich ein Dämon und Tokio ist auch nicht mehr das, was es mal war.
Das Coole daran ist, dass ich nicht alleine unterwegs bin, sondern ich im Laufe meiner Reise verschiedene Dämonen davon überzeugen kann, sich mir anzuschließen – die kann ich dann übrigens auch in typischer Serienmanier miteinander kreuzen, um andere und bessere Monster zu schaffen. Wer Persona 5 oder einen anderen Ableger der Shin Megami Tensei Reihe, wird wissen, wovon ich rede. Das ist teilweise ziemlich praktisch. Im Unterschied zu Persona 5 können sich hier jedoch einige Dämonen weiterentwickeln, sodass sie quasi von ganz allein zu anderen und stärkeren Monstern werden. Das ist auch praktisch.
Und schon finde ich mich in einer etwas schrägen Geschichte wieder, die viele verschiedene Clans und Kulte beinhaltet und irgendwo steht die Rettung oder die Vernichtung der Welt auf dem Plan. Wofür wirst du dich entscheiden?
So schräg die Story auch ist, so habe ich manchmal Herausforderungen ihr zu folgen. Ich weiß schon gar nicht mehr so richtig, was ich eigentlich mache, sondern folge nur der Story, die immer mal wieder sagt, wo ich jetzt hin soll. Eine richtige Verknüpfung bekomme ich nicht hin. Ich bin mir aber auch sicher, dass mir das früher schon so ging und ich einfach nur wegen des coolen Konzepts dabei war. Früher kam mir das übrigens auch alles nicht ganz so schwierig vor wie heute, vermutlich bin ich einfach älter geworden und halte nichts mehr aus.
Das war mal der Grundstein
Seinerzeit war Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster der Grundstein für viele Spiele dieser Art. Es war ein Wegweiser: Das komplexe Kampfsystem und der hohe Schwierigkeitsgrad waren früher nicht gerade an der Tagesordnung. Roguelites gab es damals noch nicht wirklich und die ganzen Souls Spiele waren auch noch nicht erfunden.
Heute merkt man Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster selbstverständlich sein Alter an und dass es nur bedingt überarbeitet wurde. Vor allem spiele ich hier auf die Steuerung des Protagonisten an, der sich manchmal immer noch sehr seltsam steuern lässt, und auf den Cursor, mit dem man über die Map huscht. Richtig präzise war das noch nie und ist das auch heute noch nicht. Hier hätte ich auf ein bisschen mehr Überarbeitung gehofft.
Dennoch merkt man deutlich, dass die 3D Modelle überarbeitet wurden, denn man sieht ihnen zwar an, dass sie einige Jahre auf dem Buckel haben, dennoch erkennt das geübte Auge auch den Reiz der Neuzeit. Doch ein bisschen habe ich mir gewünscht, dass Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster doch an die Neuzeit angepasst wird: ein bisschen so was wie ein Tutorial wäre schon nice gewesen, um bestimmte Dinge zu erklären und mich nicht so im Regen stehen zu lassen. Denn Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster hat keine Tutorials dabei. Das macht den Spieleinstieg zwar kürzer als in anderen JRPGs, lässt einen aber doch irgendwie ein bisschen allein zurück.
Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster ist ein typisches Rollenspiel, bei dem man gefühlt Stunde um Stunde spielt, sich aber trotzdem ewig wie am Anfang fühlt, weil es sich nach und nach entfaltet. Dieses Konzept mag ich bei den Spielen von Atlus, denn sie geben mir nicht einfach das Gefühl, dass ich meine Stunden verschwende, sondern dass ich noch was dazu lerne. Allerdings weiß ich nicht, ob das ein Konzept ist, das heute wirklich noch jemanden hervorlockt, ebenso wie die ganze Art des Spiels. Es könnte schwierig werden, damit heute noch Spieler/-innen anzusprechen, besonders, wenn anderen JRPGs mit mehr komfortablen Einstellungen daherkommen.
Doch so wegweisend wie das Spiel auch war, so seltsam ist die KI eingestellt. Die meisten Gegner tauchen in Gruppen auf und haben manche Spielrunden nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig zu heilen – auch dann, wenn ich keinerlei Schaden zugefügt habe. Das ist schon ein bisschen seltsam. Denn der hohe Schwierigkeitsgrad kommt mitunter nicht dadurch, dass die KI taktisch vorgeht, sondern chaotisch und einen mit gut gezielten Instakills direkt fertig machen kann.
Fazit: Gut für Nostalgiker
Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster erschien ursprünglich für die PlayStation 2 und liegt jetzt in überarbeiteter Form vor. Während es jedoch damals ganz normal war, dass Spiele so waren wie sie eben waren, merkt man heute diesem Spiel definitiv sein Alter an: Ein Game Over Bildschirm bedeutet das erneute Laden des zuletzt gespeicherten Spielstands. Die Steuerung ist teilweise noch genauso schwammig wie wie schon auf der PS2. Und trotzdem gibt es auch Dinge, die neu sind: An die deutsche Textausgabe musste ich mich erst einmal gewöhnen.
Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster ist vor allem für Nostalgiker geeignet, die in der Vergangenheit schwelgen wollen und sich auf einen ziemlich harten Titel freuen, der allerdings mit einer verworrenen Story daherkommt. Auch Fans der Persona Reihe kommen hier auf ihre Kosten, jedoch nur hinsichtlich des Kampfsystems. Neulinge in der Reihe und all jene, die die Ära verpasst haben, werden vielleicht ein paar Einstiegsschwierigkeiten haben, sich aber dann vom Kampfsystem sicher genauso motivieren lassen wie ich mich.
Neben dem Kampfsystem gab es für mich allerdings wenig, was mich wirklich dauerhaft bei Laune gehalten hätte. Bei der Story habe ich ziemlich schnell den Faden verloren und das Neuladen des letzten Speicherstands nach einem Game Over hatte mich schon damals zur Weißglut getrieben. Heute ist das nicht besser geworden. Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster ist ein komplexes und schwieriges Spiel, auf das man sich definitiv einlassen muss, um es zu genießen.
Pro | Contra |
---|---|
+ Viele verschiedene Dämonen begleiten mich, die sich teilweise entwickeln können | – Nach einem Game Over muss der letzte Spielstand geladen werden |
+ Ganz cooler Soundtrack | – Schwierigkeitsgrad ist ziemlich hoch |
+ Deutsche Textübersetzung | – Story teilweise verworren, sodass ich den Faden ziemlich schnell verliere |
+ Motivierendes Kampfsystem | – Steuerung und Mapcursor recht schwammig |
+ Gute Überarbeitung der 3D-Modelle | – GegnerKI sehr chaotisch eingestellt |
Technik: 73
Grafik: 76
Sound: 86
Umfang: 75
Gameplay: 76
KI: 50
Spielspaß: 73
- Story: Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster erzählt eine verworrene Geschichte über Okkultismus und die Neuerschaffung der Welt.
- Frustfaktor: Dank unfairer Gegner KI und einem Neuladen des Spielstands nach einem Game Over teilweise sehr hoch.
- Design/Stil: Die 3D Modelle wurden recht gut überarbeitet, allerdings sieht man der Grafik ihr Alter definitiv noch an.
- Musik und Sound: Die englische Tonausgabe ist gut und auch der Soundtrack passt hervorragend.
Offenlegung
Ich habe ein Pressemuster zur Switch Version von Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster vom Publisher kostenlos erhalten.