Troll and I (PS4) im Test – Pelziges Abenteuer mit Bart

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Das Entwicklerstudio Spiral House aus Liverpool wagt den großen Schritt: Mitgewirkt hat man bereits an zahlreichen Spielen, seien es große Titel wie World Racing oder auch Alone in the Dark: The New Nightmare. Zuletzt hat man für Sony das PS Vita exklusive PlayStation Vita Petsentwickelt, das 2014 veröffentlicht wurde. Troll and I ist nicht nur das erste komplett eigene Abenteuer, sondern erscheint direkt auch multiplatform: Bereits jetzt für PC, PS4 und Xbox One erhältlich, wird eine Version für Nintendo Switch später folgen. Ich habe mir das Abenteuer angesehen und verrate euch in unserem Test zur PS4-Version, ob dieses Indie-Abenteuer einen Abstecher wert ist.

Otto, der Abenteurer wider Willen

Ich habe mich auf Troll and I wirklich gefreut, denn was man vorab so sehen konnte und das Grundkonzept des Spieles (zwei Spielfiguren, Splitscreen!, …) klingen auf dem Papier wirklich toll. Direkt der Einstieg ins Spiel hat dann die bestehende Illusion erst einmal zunichtegemacht. Wir schlüpfen in die Rolle des Jungen Otto, der aus seinem kleinen skandinavischen Dorf zur Jagd aufbricht. Davor haben wir in einer Sequenz in Spielgrafik gelernt, dass bereits fünf Jahre zuvor einige böse Männer in diese Region aufgebrochen sind, um einen Troll zu jagen, der dort angeblich leben soll.

Wie sollte es auch anders sein: Prompt als Otto zwei Wildschweine erlegt hat, kommt es zur Explosion in den Bergen, Rauchschwaden steigen über seinem Dorf auf… Der Weg zurück ist versperrt, über Blockaden hinweg kann Otto noch Abschied von seiner Mutter nehmen, doch muss sie im brennenden Dorf zurücklassen… Die Jagd und die Flucht aus dem Dorf sind technisch und spielerisch so veraltet, dass die etwas platte Story zunächst gar nicht so auffällt. Die Jagd zum einen ist arg witzig, denn ein Wildschwein gibt es in der Umgebung genau dann, wenn Otto eine Spur liest, was natürlich an jeder Stelle möglich ist. Das Verfolgen der Spur gestaltet sich wenig spannend und ist auch ein bisschen Glückssache. Irgendwann entdeckt man auf jeden Fall ein Wildschwein, vielleicht nur, weil es gerade irgendwo dagegen läuft. Das Zielen mit den gesammelten Holzspeeren dagegen ist eine coole Sache, da Otto beim Zielen stark zittert, was man später durch Upgrades verringern kann.

Die Flucht aus dem Dorf dann ist eine Aneinanderreihung von Quick-Time-Events aus der PS2-Ära. Der einzige „spannende“ Kniff ist, dass man an einer Stelle unbedingt nach rechts laufen muss, denn auf dem linken Weg bietet einem das Spiel gar nicht erst an, X zu drücken um über einen dort liegenden Baumstamm zu springen – Warum auch immer. Haben wir die Flucht aus dem Dorf erst einmal geschafft, treffen wir auch schon die zweite Hauptfigur: Den Troll.

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So „t(r)oll“ geht es los…
Troll und Otto: Beste Freunde

Otto macht sich das ganze Spiel über nicht einmal die Mühe, dem Troll einen anderen Namen zu geben. Es bleibt schlichtweg bei „Troll“. Die beiden sind ab der ersten Minute beste Freunde, der Troll kann die menschliche Sprache problemlos verstehen, sodass die beiden zusammenarbeiten können. Die Verbindung zwischen den beiden Protagonisten ist grundsätzlich noch zu erklären, denn irgendwo verbindet sie ein gemeinsames Schicksal (z.B. die Zerstörung der Heimat), doch Troll and I versäumt es vollständig, das „Warum?“ und „Wohin?“ zu erklären – Und ebenso, die restliche Handlung logisch aufzubauen.

Aus irgendeinem Grund brechen die beiden sofort auf eine Reise quer durch die Berglandschaft auf – Zunächst ist das Ziel überhaupt nicht klar. Ich als Otto hätte ja versucht, mit der Kraft des Trolles in das zerstörte Dorf zurückzukehren, um zu retten, was zu retten ist. Doch diese Idee kommt dem Jungen nicht einmal. Nach einigen Stunden weiß Otto dann plötzlich, dass der böse Typ namens „Nico“ hinter den Verbrechen und den Explosionen steckt. Woher er das weiß? Gute Frage. Der Troll hat es ihm sicher nicht gesagt, denn der bleibt stumm. Die Interaktionen zwischen den Figuren beschränken sich auf Dauer auf die ständige Frage Ottos, ob es dem Troll gutgehe, sowie dem dezenten Hinweis, dass der Troll dringend ein Bad benötige.

Letztendlich sind wir also auf einer gewöhnlichen Rachemission, wie wir sie aus zahlreichen anderen Spielen der letzten Jahre kennen. Doch erzählerisch ist Troll and I so schwach, dass es sogar verpasst, dieses simple Motiv sinnvoll zu erklären und darzustellen. Von Nicos Männern trifft man indes nur sehr wenige, und wenn, dann sind sie in der Regel bereits tot: Die eigentliche Bedrohung sind goblinartige Wesen, die durch Spalten auf die Erde kommen, die die Explosion geöffnet hat. 40 davon gibt es in der Spielwelt, und wir können sie schließen – Indem der Troll einen in der Nähe aufgesammelten Felsen auf die Spalte wirft.

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Sollte der Troll mal sterben… Oder ich Troll and I spielen müssen.

Ein gemeinsames Abenteuer – Echte Zusammenarbeit?

Eine Sache möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Troll and I ist in vielerlei Hinsicht wirklich schwach. Trotzdem hat das Spiel auch viele lichte Momente und an manchen Stellen hatte ich wirklich Spaß damit. Das liegt zum einen daran, dass ich schon seit jeher auf trashige und nicht mehr ganz zeitgemäße Abenteuer stehe, zum anderen aber auch, dass Troll and I wirklich viel Potential hat und dieses manchmal auch zumindest ansatzweise nutzt.

In Troll and I ist man zu jeder Zeit mit beiden Protagonisten unterwegs. Man kann jederzeit zwischen den Figuren wechseln und so gibt es natürlich Interaktionsmöglichkeiten, die jeweils nur einem von beiden zur Verfügung stehen. Um es mal zu auszudrücken: Der Troll eignet sich im Wesentlichen nur zur schnellen Fortbewegung, um höhere Stellen zu erklimmen und fürs Grobe, aber nur gegen größere Gegner. Im Kampf gegen Einzelne ist die Steuerung mit dem Troll so schrecklich unpräzise, dass man besser mit Otto in den Kampf zieht – Zumal eine gute Waffe von Otto Feinde genauso schnell oder gar schneller erledigt als der Troll, wenn man nicht gleich trifft.

In den Umgebungen gibt es einige Stellen, wo die beiden definitiv zusammenarbeiten müssen: Manchmal muss der Troll beispielsweise Gegenstände herumtragen, um Otto eine Brücke zu bauen oder ein Schutzschild zu sein. Das sind leider die einzigen Stellen im Spiel, wo es sich wirklich lohnen würde, einen zweiten Spieler an der Hand zu haben. Ansonsten müssen Aktionen nämlich oft eher nacheinander ausgeführt werden – Otto muss beispielsweise Wege frei räumen oder Fallen entschärfen, danach darf sich der Troll weiterbewegen. Alleine macht das Spaß und kann ziemlich dynamisch sein, zu zweit würde sich aber jeweils der andere Spieler langweilen, was irgendwo natürlich nicht Sinn der Sache ist.

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Troll, komm her…!

Rollrasen und Performance-Schluckauf

Dass Troll and I mir stellenweise Spaß gemacht hat, muss wirklich daran liegen, dass ich Trash in manchen Fällen ganz gut leiden kann. Das Spiel ist auch kein kompletter Totalausfall, aber das Beste ist irgendwo doch noch der Ansatz. Denn spielerisch und technisch hält sich im gesamten Spiel nicht nur der Eindruck, ein unfertiges Spiel zu spielen, sondern auch noch eines, das aus der letzten Konsolengeneration stammen muss.

Von Anfang an fällt der magische Rollrasen im Spiel auf. Gras und Pflanzen entrollen sich wenige Meter vor einem, geht man rückwärts, klappt sich alles einfach wieder ein. Vermutlich haben die Entwickler das so programmiert, um die ohnehin schon wackelige Performance nicht noch weiter einbrechen zu lassen. Die Umgebung in Troll and I kämpft aber noch mit einem anderen Problem: Obwohl die Gebiete eher überschaubar sind, fällt die Orientierung unheimlich schwer, da alles furchtbar gleich aussieht und Eyecatcher fehlen… Ja, ich habe mich öfter verlaufen.

Darüber hinaus hat das Spiel ein großes Problem mit dem Kontrast – Insbesondere Höhlen, aber auch manche offenen Gebiete sind so dunkel, dass man rein gar nichts erkennt. Eine Helligkeitseinstellung gibt es im Spiel natürlich nicht. Dass sich nach und nach herausstellt, dass alle Gebiete in Troll and I über Blockaden, die man mit neuen Items freisprengen kann, miteinander verknüpft sind, macht die Orientierung in der Spielwelt auf Dauer auch nicht gerade einfacher.

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Ja, es gibt auch vergleichsweise hübsche Momente…

Steife Kämpfe, bockige Steuerung und der obligatorische Sammelwahn

Spielerisch hat Troll and I schließlich mit Problemen zu kämpfen, die ich so zuletzt wirklich in der anfänglichen PS3-Ära bemerkt habe. Grundsätzlich ist die Steuerung wirklich unpräzise und die Kamera sehr bockig. Sie dreht sich häufig gerade so, dass man nichts mehr erkennt. Umso schwieriger fällt die Interaktion insbesondere mit kleinen Objekten, denn man muss schon im genau richtigen Winkel und Abstand zu allem stehen, um etwas einsammeln oder auslösen zu können. Besonders nervig ist das als Otto beim Erklimmen von Vorsprüngen, denn allzu oft führt Otto lieber eine Rolle aus, anstatt endlich den Vorsprung vor seiner Nase zu greifen. Wenn es dumm läuft, fallt ihr dann auch wieder die anderen bereits geschafften Vorsprünge runter, weil Otto rückwärts rollt, und dürft ganz von vorne anfangen…

Die Kämpfe in Troll and I sind ziemlich steif und null dynamisch. Zwar gibt es Ausweichen als Funktion, aber eher der Vollständigkeit halber. Nur einige Gegner im Spiel sind wirklich fies – Bei denen seid ihr dann auch gleich mit einem Schlag tot. Da man Ottos Gesundheit ansonsten mit gesammelten Götzen erweitern kann, droht einem sonst kaum eine Gefahr. Umso frustrierender ist es, wenn man dann mal ins Gras beißt, denn nicht immer befand sich ein Speicherpunkt in greifbarer Nähe. Vor allem bei einem großen Lager der bösen Goblins hat mich das zur Weißglut getrieben. Bei meinem zweiten Durchgang bin ich einmal völlig ohne Grund gestorben, denn ich war nicht mal im Kampf und das Spiel hatte wohl irgendein Kollisionsproblem, weswegen Otto plötzlich tot umkippte. Frustrierend! Probleme bei der Fortbewegung der KI gibt es übrigens öfter, wenn euch die andere Spielfigur folgen soll. Der Troll verfängt sich gerne in der Spielwelt, während Otto hin und wieder einfach einfriert und erst wieder reagiert, wenn ihr in ihn wechselt.

Nicht fehlen darf in Troll and I natürlich auch der obligatorische Sammelwahn. Immerhin hat der Großteil der Objekte auch einen Sinn: Troll- und Ottogötzen dienen dazu, die Fertigkeiten der beiden Figuren aufzuleveln, während Materialien dazu da sind, Nahkampfwaffen und Geschosse herzustellen. Ansonsten gibt es natürlich auch Notizbuchseiten zu sammeln, die etwas zur Hintergrundgeschichte verraten, und Warnsirenen der Feinde zu zerstören – Um am Ende eine Trophäe zu bekommen. Da die Welt so überschaubar ist, sind viele der Sammelobjekte leicht zu finden, doch mitunter schwer zu erkennen. Obwohl sie wie aus anderen Spielen gewohnt weiß blinken, liegen sie oft in den dunklen Ecken, wo man dank der wunderbaren Kontrastverhältnisse ja kaum etwas sieht.

Fazit: Das hat ja schon Bart…

Troll and I hat mir persönlich an einigen Stellen doch so etwas wie Spaß gemacht. Doch das liegt in erster Linie daran, dass ich trashigen Spielen grundsätzlich offen gegenüberstehe und dass ich immer wieder gehofft habe, Troll and I würde sein ohne Zweifel vorhandenes Potential doch noch besser nutzen. Aus heutiger und kritischer Sicht macht Troll and I jedoch kaum etwas richtig: Technisch und spielerisch wirkt Troll and I nicht nur wie aus längst vergangenen Zeiten, sondern „dank“ bockiger Steuerung und wirrer Kamera auch noch sehr unfertig.

Spielwelt und Story leiden aber auch noch an Krankheiten auf ganz anderen Ebenen: Eine trotz ihrer Kompaktheit derart unübersichtliche Spielwelt ist mir bislang selten begegnet. Die Orientierung fällt schwer, auch durch Kontrastprobleme, die einige Abschnitte unerkennbar werden lassen. Dass es Troll and I dann jedoch bei der Geschichte nicht einmal schafft, ein klares Motiv für die Reise der beiden Figuren zu erzeugen und dass Otto aus nach wie vor unbekannter Quelle plötzlich den Namen des Mannes kennt, an dem er Rache nehmen möchte, ist wirklich arg schwach… In Erinnerung bleiben im Wesentlichen nur diese Mängel von Troll and I, sodass ich euch unterm Strich leider nicht empfehlen kann, diesem Abenteuer eure Zeit (und Geld) zu schenken.

Pro Contra
+ Zwei spielbare Figuren – Technisch und spielerisch völlig veraltet
+ Teils echte Zusammenarbeit zwischen den Figuren – Bockige Steuerung, wirre Kamera
+ Gute Ansätze vorhanden – Üble KI-Aussetzer bei Freund und Feind
+ Musik teilweise stimmungsvoll – Spielwelt vollkommen unübersichtlich und ohne Highlights
– Kontrastprobleme – Manche Bereiche sind nicht zu erkennen
– Performance wacklig
– „Rollrasen” und Pop-Ups
– Motiv der Reise der Figuren erschließt sich nicht, unlogische Handlung

Technik: 43

  • Grafik: 27
  • Sound: 62
  • Umfang: 70
  • Gameplay: 33
  • KI: 26

Spielspaß: 39

Singleplayer:

  • Story: Viel Mühe gibt sich Troll and I nicht. Letztlich ist alles eine Rachegeschichte, wobei sich das genaue Motiv und die Interaktionen zwischen den Figuren kaum erschließen. Ansätze wie Magie des Trolls und Spalten zu einer anderen Welt bleiben unbeleuchtet.
  • Frustfaktor: Stellenweise hoch – Durch fehlende Speicherpunkte, wenn man grundlos stirbt.
  • Wiederspielwert: Kaum vorhanden. Ein einmaliges Durchspielen der Handlung (ca. 8 Stunden) wird, wenn man es schafft, auf jeden Fall reichen.
  • Design/Stil: Es gibt hübsche Momente, aber die Spielwelt ist ansonsten vollkommen ohne Highlights und vom Design her ein Einheitsbrei – So sehr, dass sogar die Orientierung schwerfällt.
  • Musik: Die Musikuntermalung ist teils sehr stimmungsvoll, dafür fehlen aber viele Soundeffekte, vor allem von Otto und dem Troll selbst.

Wir bedanken uns bei Maximum Games für das Pressemuster zu Troll and I!

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Manuel Eichhorn
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