Until Dawn (PS4) im Test – Vielfältiges Teenie-Drama mit Horroransätzen

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Until Dawn hat ziemlich lange auf sich warten lassen – Ursprünglich 2012 als Move-Titel für die PlayStation 3 angekündigt, erscheint der Titel drei Jahre später als PS4-Spiel. Das inhaltliche Konzept blieb grundsätzlich gleich: Acht Jugendliche besuchen ein verschneites Berggebiet und erleben dort die Nacht des Grauens. Ob auch wir entsprechend gefühlt haben, verrät der Test.


Acht Jugendliche, eine Hütte, ganz viel Spaß…

Until Dawn macht ab dem Hauptmenü klar, dass sich Sony und Supermassive Games eine echte Starbesetzung gesichert haben, um das Teenie-Drama auf die interaktive Leinwand zu bringen. Da erwarten einen nämlich so vertraute Gesichter wie Hayden Panettiere, Brett Dalton oder Rami Malek.

Umso erstaunlicher ist, dass die ersten Spielminuten, im Grunde das ganze erste Kapitel, so dermaßen unrund ausfallen. Da fühlt man sich, was Regiequalität und Dialoge angeht, bestenfalls in eine deutsche Billig-TV-Produktion versetzt. Zum Glück steigt das Niveau auf Dauer, erreicht aber nie eine überaus hohe Qualität, die man vielleicht erwartet hätte.

Nach dem ersten Kapitel bekommt Until Dawn dann auch so etwas wie Inhalt, denn bis dahin beinhalten die Dialoge hauptsächlich irgendwelche Informationen darüber, wer mit wem in die Kiste springen könnte. Insbesondere, wenn man zu Beginn mit Jessica und Michael alleine unterwegs ist, reicht’s irgendwann mit den zweideutigen Anspielungen. Vor allem: Am Ende machen sie dann ja auch noch einen Rückzieher, sodass sich das pausenlose Gequatsche vom „kleinen Kapitän Michael“ nicht mal auszahlt. Übrigens nicht etwa, weil man gerade schon von unidentifizierbarer Gefahr verfolgt wurde, sondern, weil, nun, man ist ja ach so unsicher…

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Die Kulisse ist beeindruckend – Wer vermutet da schon Gefahr?

Aus Spaß wird Ernst

Es gibt noch einige weitere solcher fragwürdiger Stellen im Skript, teilweise kann man auch gerne von Logiklücken sprechen. Wieso in der großen Lodge eigentlich nie jemand Licht anschaltet, obwohl der Strom offenkundig funktioniert und es stockfinster ist, blieb uns bis zum Ende nicht ganz nachvollziehbar.

Ansonsten nimmt Until Dawn schön Fahrt auf und kredenzt eine spannende Geschichte, die uns tatsächlich beinahe dauerhaft an den Controller gefesselt hat. Für einen kompletten Spieldurchgang haben wir rund acht Stunden benötigt. In dieser Zeit gibt es wirklich gute Unterhaltung, die aber nicht unbedingt viele Wendungen bereithält: Wir haben die meisten „Wendungen“ in der Story innerhalb der ersten Stunde erahnen können.

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Aus Spaß wird ganz schnell Ernst.

Interaktive Unterhaltung

Wer bei Until Dawn einen interaktiven Film à la Telltale erwartet, dem sei gesagt: Until Dawn ist deutlich mehr als das! Tatsächlich bekommt man ziemlich viel Spiel fürs Geld, denn es gibt deutlich mehr als QuickTime-Events. Alleine schon die Erkundungsabschnitte sind teilweise recht umfangreich und ermöglichen das Entdecken zahlreicher Geheimnisse, die nicht nur Hintergrundinformationen verschaffen, sondern auch teilweise aktiv auf das Geschehen in Until Dawn einwirken.

Dieser Aspekt ist in Until Dawn wirklich gelungen, denn das Herzstück sind natürlich die Entscheidungen und verschiedenen Handlungsmöglichkeiten. Teilweise sind diese zwar etwas fragwürdig und manchmal auch irrelevant, doch insgesamt zeigt Until Dawneine beeindruckende Verknüpfung der Entscheidungen und Handlungen, teilweise sogar in Kleinigkeiten. Hebe ich Objekt XY auf oder nicht? Eine solche Kleinigkeit kann sich letztlich bedeutend auf den Fortgang der Story auswirken. Die Einblendung des Schmetterlingssymbols verrät einem, wann eigene Entscheidungen und Handlungen von zuvor Konsequenzen zeigen. Das ist ein nettes, wenngleich aber auch nicht unbedingt notwendiges Element – Denn man sieht ja direkt vor sich, was gerade geschieht. Davon abgesehen sind die enthaltenen Gameplayelemente schön vermischt und werden weder unter- noch überstrapaziert. Das lenkt aber nicht ganz davon ab, dass man in Until Dawn freilich nur da interagieren kann, wo das Spiel das möchte: Stellenweise hätten wir uns noch gewünscht, von uns aus aktiver sein zu dürfen. Zwei Beispiele: Selbst Licht anschalten oder selbst Fensterläden schließen, um Gefahren schon frühzeitig zu vermeiden. Aber solche Dinge gehen freilich erst, wenn die Regie es erlaubt.

Durch die Entscheidungen und Handlungsmöglichkeiten kann den Figuren allerlei passieren – Aus diesem Grund gibt’s einen Haufen verschiedener Trophäen beispielsweise dafür, wer am Ende überlebt und wer nicht. Wir müssen gestehen, dass wir in den frühen Morgenstunden noch für das Ableben gleich mehrerer Figuren gesorgt haben. Das sind Dinge, die man mit einem neuen Spieldurchgang oder dem Replay einzelner Episoden ausbügeln kann. Letztere Funktion bietet sich an, um sich schnell fehlende Trophäen besorgen. Über den ersten Spieldurchgang hinaus ist also zumindest ein weiterer Spielwert von zumindest einigen Stunden in Until Dawn durchaus gegeben.

Dennoch würden wir unterm Strich sagen, dass Until Dawn als Vollpreistitel zu einem etwas zu hohen Preis im Laden steht. Auch wenn der Wiederspielwert über den ersten Durchgang hinaus durchaus vorhanden ist, so ist man vermutlich je nach Spielweise nach 10-12 Stunden wirklich fertig mit Until Dawn. 50 Euro anstatt 70 hätten es also auch getan.

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Der Horror liegt im Detail

Kommen Horrorfans nun mit Until Dawn auf ihre Kosten? Der Titel wird ja ziemlich aktiv so beworben und vermarktet. Wir müssen sagen, dass wir vom Horroranteil wirklich enttäuscht waren. Nicht, dass wir uns unbedingt mehr gewünscht hätten, aber von einem „Horrorspiel“ würden wir bei Until Dawn nicht sprechen: In der Hauptsache arbeitet das Spiel mit seichten Schreckmomenten, die meistens völlig vorhersehbar sind. Wir haben uns nur ein, zwei Mal wirklich halbwegs erschrocken. Von dauerhafter Furcht oder einem Angstgefühl kann keine Rede sein.

Möglicherweise sind daran aber auch andere Atmosphärekiller schuld, die bei Until Dawn leider mit an Bord sind. Dazu zählen in erster Linie die Soundkulisse und die teilweise unterirdische Qualität der Charakteranimationen.

Ja, richtig gehört: Supermassive Games hat es trotz echter Schauspieler und Motion-Capturing hinbekommen, teils erschreckend schlechte Animationen abzuliefern, insbesondere was Mimik und Gestik der Figuren betrifft. Während teilweise auch das Laufen hölzern aussieht, passen Gesichtsausdruck und Körperhaltung sehr häufig nicht zu dem, was die Figur gerade sagt oder empfindet (besser gesagt empfinden sollte), teilweise sind die Gesichter auch verbuggt und sehen gar aus wie entstellt, beispielsweise, wenn Animationen hängen bleiben oder schlagartig von einem Lachen zu einem angsterfüllten Blick wechseln. Darüber hinaus ist die Synchro oft asynchron.

Das konnten wir in den raren Momenten hören und sehen, wenn man die Synchro mal versteht, und damit zurück zur Soundkulisse: Während diese eigentlich wirklich solide ist, ist die Tonabmischung allerunterste Schublade. Nicht nur sind Dialoge einfach viel zu leise, sondern auch die Stimmen untereinander sind ganz schlecht aufeinander abgestimmt. Da hilft auch das Nachjustieren im Einstellungsmenü kaum. Tatsächlich werden so auch manchmal die Schreckmomente versaut, da der zugehörige Soundeffekt kaum zu hören ist. Hin und wieder leisten sich die Sprecher auch kleinere Pannen bei der eigentlich soliden deutschen Synchro. Mit diesen Mängeln haben wir unseren übergeordneten Atmosphärekiller von Until Dawn erfolgreich identifiziert – Gespielt übrigens über normale Fernsehlautsprecher, bei korrekten Konsolen- und TV-Einstellungen.

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Beeindruckende Kulisse mit Navigationsproblemen

Grafisch tanzen die Figuren durch die erwähnten Mängel, die daran erinnern, dass Until Dawn noch zu PS3-Zeiten in Entwicklung war, deutlich aus der Reihe, denn die Kulisse in Until Dawn ist häufig beeindruckend. Insbesondere die Außengebiete im Schneesturm sind absolut hübsch anzusehen und auch sehr detailreich. Hin und wieder kämpft das Spiel aber auch mit deutlichen Framerateproblemen.

Ein weiteres kleines Problem im Technikbereich sind einige Unzulänglichkeiten in der Steuerung, denn diese ist mitunter manchmal etwas unpräzise und insbesondere Events zum Öffnen von Türen neigen dazu, nicht auf Anhieb zu funktionieren. Besonders ärgerlich sind aber Szenen, in denen der Controller ruhig gehalten werden muss, denn diese lösen teilweise ohne Grund aus – Oder, wenn man sich genau in dem Moment bewegt, wenn das Event beginnt. Das ist zwar richtig so, aber man wird meistens nicht darauf vorbereitet.

Seltam ist im Übrigen noch die Ausschüttung der Trophäen, die nicht so recht nachvollziehbar ist. Wir haben keine einzige Trophäe außer die zum Abschluss des Spieles zum richtigen Zeitpunkt bekommen, sondern teilweise lösten sie erst Kapitel später aus. Hier sollte mit einem Patch nachgeholfen werden.

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Fazit: Seichter Teenie-Horror mit folgenreichen Entscheidungen

Until Dawn bietet mindestens acht Stunden wirklich gute Unterhaltung und zeigt dabei, was alle Videospiele mit Entscheidungen mittlerweile können sollten: Eine Geschichte in Abhängigkeit davon zu schreiben, was man zuvor getan hat. Die Schwere der Entscheidungen schwankt dabei von irrelevant bis heftig, hin und wieder hätten wir uns gewünscht, noch aus eigenem Antrieb heraus mehr Einfluss auf die Geschicke der Protagonisten nehmen zu können.

Davon abgesehen bietet Until Dawn eine spannende, wenn auch recht vorhersehbare Story, die nach einem recht niveaulosen Einstieg zum Glück schnell an Fahrt aufnimmt. In ihrem Verlauf erlebt man eine ausgewogene Mischung recht gelungener Gameplayelemente, die in einer beeindruckenden Kulisse bei guter Atmosphäre präsentiert werden. Leider leidet diese insbesondere unter der katastrophalen Soundabmischung sowie den stellenweise trotz echter Schauspieler unterirdischen schlechten (Gesichts-)Animationen der Protagonisten. Somit bleibt zu sagen, dass Until Dawn noch ein ganzes Stück mehr Feinschliff hätte vertragen können. So bleibt’s unterm Strich bei einer sehr soliden und spannenden Unterhaltung.

Pro Contra
+ Gute Atmosphäre – Katastrophale Soundabmischung
+ Stellenweise beeindruckende Kulisse – Teils schlimme Animationen, beinahe entstellte Gesichter der Schauspieler
+ Gute Mischung der Gameplayelemente – Hin und wieder Framerateprobleme
+ Solider Umfang (acht Stunden) und guter Wiederspielwert – Die eine oder andere Panne bei der Synchro
+ Häufig tolle Auswirkungen der Entscheidungen – Einstieg fühlt sich an wie TV-Billigproduktion
– Kaum Furchteffekte, hauptsächlich seichte Schreckmomente
– Vebuggte Trophäenausschüttung

Technik: 74

  • Grafik: 76
  • Sound: 51
  • Gameplay: 83
  • Umfang: 83
  • KI: 79

Spielspaß: 80

Einzelspieler :

  • Story: Supermassive Games inszeniert eine zunächst recht platte und niveaulose Story, die zum Glück schnell auf Fahrt aufnimmt und wirklich spannend, wenn auch sehr vorhersehbar ist.
  • Wiederspielwert: Recht hoch – Der Umfang ist mit acht Stunden recht ordentlich und darüber hinaus bietet es sich an, Episoden erneut zu spielen oder gar einen zweiten Durchgang zu machen.
  • Frustfaktor: Quasi nicht vorhanden.
  • Design/Stil: Die Kulisse ist beeindruckend – Das Bild wird von den erstaunlich schlechten Figuren gestört, und das trotz echter Schauspieler und Motion Capturing!
  • Musik/Sound: Der Sound ist ein echter Atmosphärekiller: Die Abmischung ist unterirdisch!

Informationen zum Testgerät
Plattform: PlayStation 4 500GB
Hardware: Standard, ohne ausgetauschte Hardware
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 9 Monate (PS4 Launchkonsole)

Wir bedanken uns beim Playstation Team von Harvard PR für die Bereitstellung des Musters von Until Dawn!

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Manuel Eichhorn
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