Wanderstop (Xbox) im Test – Burnout, Magie und Tee

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Wenn man das erste Mal von Wanderstop erfährt, hört man von einem Teeladen, der mitten im Wald steht. Klingt nach purer Entspannung, nach Frieden, nach einem klassischen Cozy Game, doch dass sich dahinter mehr verbergen könnte, springt einem nicht direkt ins Auge. Wanderstop beschäftigt sich damit, gegen Burnout und andere geistige Gesundheitsprobleme vorzugehen. Ob der Titel das gut umsetzt und wie ich ihn generell fand, kannst du gerne in meiner Review zur Xbox Series S Version nachlesen – doch mach dich auf ein emotionales Abenteuer gefasst.

Alles beginnt mit Alta, einer großen und berühmten Kämpferin, die die stärkste von allen sein will – bis sie eines Tages nur noch besiegt wird. Diese Verluste nagen an ihr, fressen sie innerlich auf und sie begibt sich auf die Suche nach Meisterin Winters, die sie wieder reparieren soll. Es muss doch eine Lösung geben, dass Alta wieder kämpfen und wieder die Beste werden kann. Doch auf dem Weg zu Meisterin Winters wird Altas Schwert immer schwerer, sie will Pause machen, doch sagt selbst, dass sie das nicht darf. Bis Alta zusammenbricht und auf einer Lichtung bei Wanderstop, einem Teeladen, wieder zu sich kommt.

Wanderstop, so heißt nicht nur das Spiel selbst, sondern auch der Teeladen, der mitten im magischen Wald steht und Reisenden einen Ort der Ruhe bietet. Hier bereitet man Tee zu, pflanzt Pflanzen, unterhält sich mit Reisenden, fegt Laub beiseite oder sitzt ganz in Ruhe auf einer Bank und trinkt einen Tee. Hier gibt es kein Ziel, keine Zeit, keinen Druck. Nur Boro, der Alta hilft und mit seiner positiven Art einen interessanten Gegenpol zu unserer Protagonistin bietet.

Allein die ersten Minuten von Wanderstop sind sehr emotional: Ich selbst kenne diese Gefühle und Gedanken, die Alta plagen. Die Erzählungen dieser Gedanken sind sehr gut umgesetzt und gut dargestellt, es sind auch für das entwickelnde Studio keine fremden Gedanken. Man merkt gleich auf den ersten Metern im Spiel, das sich eingehend mit dem Thema Burnout und geistige Gesundheitsprobleme beschäftigt wurde – und das finde ich großartig.

Ich liebe an Wanderstop, das so viele verschiedene Charaktere vorbeikommen und dass auch Alta und ich erstmal lernen müssen, wie der Teeladen funktioniert. Gleich zu Beginn kommt ein Gast vorbei – die Dämonenfachkraft, wie wir später lernen – der zunächst gar keinen Tee trinken möchte. Das verwirrt Alta, schließlich kommt man doch in einen Teeladen, um Tee zu trinken. Dass man auch einfach nur da sein und entspannen möchte, ist für sie sehr abwegig. Oder auch der positive Gerald, der sich als Ritter versucht, weil er denkt, dass sein Sohn ihn dann mehr mag.

Was ich jedoch am meisten an Wanderstop schätze, ist die realistische Darstellung. Alta geht es nicht besser oder gut, nur weil sie jetzt mal zwei Tassen Tee getrunken oder in der Natur spazieren gegangen ist. Das sind unter anderem Methoden und Möglichkeiten, die ihr helfen können, sie wieder auf einen Weg zu setzen, doch bis sie „geheilt“ ist, werden noch viele Wochen, Monate oder gar Jahre ins Land ziehen. Und das geht für mich sehr klar aus Wanderstop hervor, und auch wenn Alta ihr Schwert nicht mehr heben kann, vielleicht findet sie einen Weg, dies wieder zu tun oder findet gar etwas ganz anderes, was sie machen möchte. Da bleibt das Spiel bis zuletzt wage – was auch gut ist.

Ich habe mich in Wanderstop sehr wohl gefühlt. Die verschiedenen Charaktere, die mich besucht haben, fand ich allesamt sehr unterhaltsam und lehrreich – sogar die Businessmänner, die Kaffee wollen und den Sitzungssaal suchen. Jede Figur bietet auf seine Weise eine Geschichte, die emotional tiefgehend ist oder zeigt, woran man zerbrechen kann oder sogar einen Weg bringt, wie man wieder heilen kann. Das sind nicht einfach nur Charaktere, die jetzt mal eben dahingeschrieben sind, sondern gut durchdachte Lernmomente, verpackt in charmante Figuren.

Es gab keinen Moment im Spiel, bei dem ich mich langweilte oder der mir überflüssig erschien – ich vermute, dass Alta viel mehr Momente als überflüssig erachtete, weil ihre innere Stimme Bewegung statt Ruhe verlangte. Auch ich kenne diese Stimme, die mich nicht zur Ruhe kommen lässt, die fordert, immer besser zu sein. Eine Stimme, die wir uns in der heutigen Gesellschaft selbst geschaffen haben, in einer Gesellschaft, in der „langsam sein“ und „nicht mit der Zeit gehen“, etwas Schlechtes ist. Wanderstop versteckt für mich auch genau diese Botschaft, die Kritik an unserer Gesellschaft, an unserer Zeit – und wie wenig wir uns Zeit nur für uns nehmen.

Als am Ende die Credits über den Bildschirm flackerten, was ich sehr traurig. Es fühlte sich auch für mich so an, als würde ich den gemütlichen Teeladen mitten im Wald verlassen. Als würde ich aus dem Ort der Ruhe gerissen und müsste in die Realität zurück. Ganz ähnlich habe ich mich nach dem Ende von Dragon Age: The Veilguard gefühlt, weil beides für mich zu wunderbaren Komfortzonen worden, in denen ich Ruhe und Entspannung, Freundschaften und ein emotionales Netz der Sicherheit finden konnte. Ivy Road hat mit Wanderstop für mich einen wunderbaren Teil geschaffen, was ich nicht für möglich gehalten hätte.

Neben all den Geschichten und Altas Heilung geht es in Wanderstop natürlich auch um das Zubereiten von Tee, schließlich ist es ein Teeladen mitten im Wald. Ich lerne, welche Pflanzen ich anpflanzen muss und wie ich den Tee selbst zubereite. Das ist sehr entspannend. Die Gäste, die in den Laden kommen, sagen selten, was sie wirklich wollen, manche bitten nur um zum Beispiel einen Tee, der beim Aufwachen hilft oder einen Tee, der nach bestimmten Cornflakes schmeckt. Liest man sich jedoch die Beschreibungen der einzelnen Früchte und Zutaten durch, kommt man schnell zur Lösung. und wenn man gar nicht weiter weiß, gibt es noch das Buch der Antworten.

Manche Teewünsche sind abhängig davon, was du ihnen bietest, denn sie geben dir freie Hand. Du sollst dann zum Beispiel deinen Lieblingsgeschmack beifügen oder etwas Persönliches. Dann ist es wirklich egal, was du reingibst, es hat dann nur einen Einfluss auf die nachfolgenden Textzeilen. Generell ist Wanderstop ein sehr einfaches Spiel: Am Ende hatte ich alle Achievements, ohne mich groß bei irgendwas anzustrengen. Aber genau das ist auch wichtig. Wie soll man sonst heilen, wenn man zum Beispiel den Errungenschaften hinterherjagen soll? Ohne diesen fehlenden Druck wäre es nicht so wholesome gewesen.

Dennoch gibt es die eine oder andere Stelle, die ich mir anders gewünscht habe. So zum Beispiel sind manche Sequenzen vertont, so zum Beispiel, wenn Alta in Ruhe eine Tasse Tee trinkt und aus ihrer Vergangenheit erzählt, doch leider ist nicht Vieles vertont wurden. Das finde ich schade, denn gerne hätte ich auch Boros Stimme gehört oder die von Zephyr. Das hätte sicherlich noch ein bisschen mehr zur emotionalen Bindung beitragen können.

Wanderstop ist ein gemütliches und ruhiges Spiel, das immer mal wieder mit Altas negativen Gedanken und Gefühlen wie Stress, Demütigung oder Versagen untermalt wird. Größtenteils ist es jedoch ruhig und wholesome und bietet einen wunderbaren Ort zum Ruhen und Entspannen. Wie oft ich wirklich einfach nur im Teeladen stand und mir wünschte, auf genau dieser Couch oder vor dem Kamin zu sitzen, glaubt ihr mir nicht.

Dennoch gibt es manchmal Momente, die sind unschön – bei mir traten diese größtenteils mit den verschiedenen Pflanzen auf. Es gibt Samen, kleine Hybriden und große Hybriden. Mit den Samen kann ich, wenn ich in der richtigen Reihenfolge pflanze, entweder kleine Hybriden setzen, die mir neue Samenpflanzen bringen, oder große Hybriden pflanzen, die mir dann Früchte für den Tee bringen. Es kann jedoch passieren, dass man zu viele Samen für große Hybriden verwendet, weil man eventuell alles ausprobieren möchte – und dann hat man keine Samen mehr, um was Sinnvolles zu pflanzen. Das ist dann sehr, sehr ärgerlich.

Als das bei mir in Wanderstop der Fall war, habe ich sämtliches Unkraut zerschnitten und Laubberge weggefegt, in der Hoffnung, dort dann Samen zu finden – doch ich hab keine gefunden und war fast schon panisch. Dachte, ich hab mein Spiel kaputt gemacht. Glücklicherweise gibt es das Internet, das mich daran erinnert hat, dass ich die Blumentöpfe nutzen kann, um Pflanzen zu setzen. Das hat dann auch sehr gut funktioniert, dennoch war ich wirklich panisch, das sollte ein bisschen besser durchdacht sein, da es scheinbar nicht nur mir so ergeht.

Ansonsten habe ich nicht groß etwas an Wanderstop zu bemängeln. Ganz selten – vor allem in dem Kapitel mit dem Regen – bricht auf der Xbox Series S hin und wieder die Framerate für kurze Momente ein und manchmal laden Texturen nicht nach. Ansonsten läuft es jedoch sehr flüssig und hatte bei mir keine größeren Fehler.

Die Wertung zeigt eine 87 von 100.

Wanderstop ist ein emotional berührendes und entspannendes Spiel, das sich auf sensible Weise mit den Themen Burnout und psychische Gesundheit auseinandersetzt, während es dich in einen ruhigen und entspannenden Teeladen schickt. Die tiefgründigen Charaktere und ihre Geschichten, sowie die gemütliche Atmosphäre des Teeladens schaffen ein einzigartiges Spielerlebnis, von dem ich mich auch nach den Credits nicht so gerne verabschieden wollte. Trotz einiger, weniger technischer Mängel und kleinerer Gameplay-Problemen ist Wanderstop für mich ein absolut empfehlenswertes Spiel, das zum Nachdenken anregt und eine wohltuende Auszeit vom Alltag bietet. Gerne hätte ich noch viel mehr Zeit in diesem gemütlichen Teeladen verbracht, hätte gerne den einen oder anderen Tee getrunken und mich vor allem viel mehr mit Boro unterhalten.

ProContra
+ Behandelt psychische Gesundheit auf einfühlsame Weise– Gelegentliche Framerate-Einbrüche und Texturprobleme
+ Tiefgründige Charaktere und Geschichten– Manche Sequenzen sind nicht vertont
+ Die Darstellung von Altas inneren Kämpfen ist authentisch und nachvollziehbar– Das Pflanzen-System kann frustrierend sein, insbesondere wenn man Samen verliert
+ Die gemütliche und entspannende Atmosphäre des Teeladens schafft einen Rückzugsort
+ Rätsel und Aufgaben sind nicht zu schwer und tragen zur entspannten Atmosphäre bei
+ Gesellschaftskritik, da wir uns selten Zeit für uns nehmen

Ich habe mir Wanderstop für die Xbox Series S selbst gekauft.

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Beatrice Eichhorn
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