Alter, scheiße!
Die ersten Minuten von Yomawari: Night Alone sind ganz lieb und simpel gehalten: Wir sind mit unserem Hund Poro Gassi und lernen so die Steuerung. Super, soweit, so gut. Noch ist keinem etwas passiert. Ja, bis wir einen verdammten Fehler begehen und der ganze Horror überhaupt erst seinen Lauf nehmen kann. Und nein, das hat nichts mit unserer Unfähigkeit zu tun, sondern mit den Entwicklern, die es sehr gut schaffen, uns ein blödes schlechtes Gewissen einzureden. Doch, alles zu seiner Zeit. Ihr erinnert euch vielleicht noch an die Trailer zu Yomawari: Night Alone, in denen damit geworben wurde, dass euer Hund fortläuft und eure Schwester ihn suchen geht, sodass dann am Ende beide weg sind? So ist das schon eine böse Geschichte, doch wisst ihr, wer die Schuld am Ganzen trägt? Ihr!
Wir spoilern nicht, denn dies geschieht in den ersten Spielminuten, ganz kurz nachdem kurzen Tutorial. Euch wurde gerade gesagt, wie ihr Dinge aufhebt und benutzen könnt. Und dann? Dann fordert euch dieses böse Spiel auf, einen Stein auf die Straße zu werfen. Okay. Tja, und dann wissen wir alle, was dumme Hunde tun, wenn man etwas wirft, nicht wahr? Und genau das macht unser Hund ebenfalls. Er läuft mitten auf die Straße und wird von einem LKW zermatscht. Aber so richtig. Und dann? Ja, dann gehen wir natürlich nach Hause zurück, wo uns unsere Schwester erwartet, die natürlich nicht sonderlich begeistert über die leere Leine ist, an der mal unser Hund hing. Anstatt nun aber mit der Wahrheit herauszurücken, schweigen wir natürlich, weswegen sich unsere Schwester auf die Suche unseres Hundes begibt. Ganz toll haben wir das hinbekommen.
Weil das nun aber immer noch ausreichend ist, folgen wir unserer Schwester. Ohne Taschenlampe, hinaus in den finsteren Ort. Hier erwarten uns Monster und Geister und letzten Endes verfolgen wir uns nur selbst, da wir uns in gruseligen Schuldgefühlen wähnen. Und schon sind wir mitten drin in Yomawari: Night Alone: Wir suchen eine verschwundene Schwester und einen toten Hund. Das haben wir uns ganz toll eingebrockt. Ja, Yomawari: Night Alone ist ein Horrorspiel, dessen gruselige und dichte Atmosphäre wir versucht haben, mit halbwegs vulgärer Sprache zu beschreiben, damit die Tiefe dessen nicht gleich bewusst wird.
Gänsehautatmosphäre
Yomawari: Night Alone hat neben der haarsträubenden Geschichte, die schon sehr schwer nachzuvollziehen ist, natürlich auch etwas, das richtig gut ist: Der Titel verfügt über eine unheimlich dichte Atmosphäre, die einen ins Spiel saugt und einen nur wieder ausspuckt, wenn man dem Grauen ins Auge geblickt hat. An vielen Stellen ist die Atmosphäre zum Schneiden dick, sodass ihr euch wirklich erschreckt, wenn ihr einem Gegner begegnet, den ihr vorher vielleicht nicht ganz gesehen habt. Zumindest wir haben uns ein paar Mal gehörig erschreckt. Denn nicht nur die Straßen sind dunkel, nur wenige Straßenlaternen tauchen einige Stellen in Licht und ihr habt nur eine Taschenlampe bei euch, sondern auch der Soundtrack passt sehr gut zum ganzen Setting. Zusätzlich wird euer Sichtfeld leicht eingeschränkt.
Doch zurück zum Soundtrack, denn dieser sorgt für eine noch bessere Atmosphäre. Im Spiel selbst wird so gut wie ohne Musik gearbeitet, dafür hat man jedoch eine gelungene Geräuschkulisse eingebaut. Wenn ihr euch beispielsweise in einem Gebüsch oder hinter einem Schild vor nahenden Geistern versteckt, seht ihr zwar nicht, ob die Geister vorbei sind – jedoch nicht direkt, sondern nur mit einem roten Kreis auf dem schwarzen Bildschirm – aber ihr könnt sie durchaus hören. Ihr hört sie flüstern und seufzen und hofft, dass sie einfach an euch vorbeigehen und euch nicht bemerken. Und gerade wenn ihr euch auf etwas konzentriert, und das Flüstern und Rascheln nicht wahrnehmt, und euch nach einem Item bückt, kommt ein Geist von hinten und zerrt euch in die ewige Finsternis. Verdammt gut gemacht!
Ich fühle mich so hilflos…
Eventuell konntet ihr es bereits erahnen: In Yomawari: Night Alone geht es vor allem darum, dass ihr die Nacht überlebt. Zwar ist es nicht sonderlich dramatisch, wenn ihr im Laufe eurer Nachtwanderung sterbt, denn dann kommt ihr immer wieder zu eurem Zuhause zurück und behaltet auch gefundene Objekte, dennoch fühlt man sich im Vergleich zu anderen Spielen, die ähnlicher Natur sind, vollkommen hilflos. Denn eine richtige Waffe, um euch vor den Monstern zu verteidigen, habt ihr leider nicht. Euch stehen nur eure Taschenlampe und ein paar Kieselsteine zur Wahl, die ihr verwenden könnt. Die Taschenlampe dient hierbei dazu, Licht zu bringen und einige Geister mit Licht zu verschrecken, während ihr mit den Kieseln entsprechende Geräuschkulissen entwickeln könnt, um somit einige Gegner von euch abzulenken. Und dann war’s das auch schon. Ihr habt keine Möglichkeit, gegen die Geister zu kämpfen und euch zu verteidigen.
Es gibt nur euch, die Taschenlampe, die Kieselsteine und jede Menge Geister und Monster, die es auf euch abgesehen haben. Dank der guten Atmosphäre werdet ihr es euch jedoch zweimal überlegen, ob ihr euch einem Gegner nähert oder ob ihr es lieber sein lasst. Wir finden es jedoch sehr schade, dass man keinerlei Möglichkeiten hat, sich zu verteidigen. Das und die abstruse Geschichte, die uns fast wahnsinnig macht (liebe Kinder, wenn euer Hund von einem LKW zermatscht wird, sagt es euren Eltern oder Geschwistern – oder wollt ihr, dass diese von einem Monster gefressen werden? Dachten wir uns). Hier hätten wir uns ein besseres Zusammenspiel gewünscht.
Doch all das spielt im Grunde keine wirkliche Rolle, da der Titel recht einfach gehalten ist, sodass ihr zur größten Not einfach vor den meisten Gegnern davonlaufen könnt. Auch hier hätten wir uns ein wenig mehr Herausforderung gewünscht, immerhin hat es eine gute Atmosphäre, warum also nicht ein paar Feinheiten ins Gameplay einmischen?
Das schlechte Gewissen
Wir haben immer noch die Idee und auch das Gefühl, dass auch ein Videospiel über einen gewissen Erziehungscharakter verfügen sollte. Während man sogar bei Shootern beispielsweise strategisches Vorgehen und Arbeiten im Team lernt, sitzt man bei Yomawari: Night Alone im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Das Spiel sagt einem im Grunde, dass es vollkommen in Ordnung ist, seine Familie zu belügen. Und nein, wir laufen im Spiel unserer Schwester nicht aufgrund unseres schlechten Gewissens nach, sondern nur deswegen, weil wir am Ende zu Hause vor Langeweile eingehen würden. Etwas Anderes treibt uns am Ende doch nicht an. Unser schlechtes Gewissen greift erst hinterher. Nämlich genau dann, wenn wir hören wie unsere Schwester verschleppt wird oder ist sie gar tot?
Keine Ahnung, wir wollen euch ja nicht spoilern, aber es ist am Ende unsere Schuld, dass diese Schwester, die wir nicht kennen, für die wir aber irgendwie verantwortlich sind, im Nichts verschwindet. Dass wir nicht auf andere aufpassen können, hatten wir ja schon im Tutorial bewiesen, als unser Hund vom LKW erfasst wurde. Fortan lässt sich darüber streiten, ob die Monster und Geister, denen wir begegnen, wirklich die Straßen des Ortes heimsuchen oder ob sie am Ende nur da sind, weil wir ein schlechtes Gewissen haben. Uns persönlich gefällt diese letztere Variante, denn so einer kopflosen und gedankenlosen und verantwortungslosen Hauptfigur darf nichts Anderes geschehen. Sie hat selbst die Verantwortung zu tragen.
Ihr dürft das nicht falsch verstehen. Yomawari: Night Alone eignet sich verdammt gut für Horror- und Gruselfans, doch wer auf der Suche nach einer Geschichte ist, die einen mitnimmt, der ist hier definitiv an der falschen Adresse.
Fazit: Nicht mit uns, oder doch?
Yomawari: Night Alone entführt uns in einen Titel, der mit einer dichten Atmosphäre und einem durchaus interessanten Setting daherkommt. Wäre die Geschichte für uns nicht so dämlich und würde sie uns nicht so wahnsinnig wütend machen, wäre Yomawari auch ein ganz gutes Spiel, da es technisches recht einwandfrei ist. Lediglich die Einfachheit der Geister und Monster ist da nicht ganz passend. Wir sind zwar nur mit einer Taschenlampe und Kieselsteinen bewaffnet, aber die Herausforderung fehlt uns dann doch etwas. Wer noch auf der Suche nach einem guten Titel für Halloween ist und wer von der bösen Geschichte absehen kann, dem können wir Yomawari: Night Alone wärmstens empfehlen. Wer jedoch auf der Suche nach einer guten Story ist, der ist hier nicht gut beraten.
Zumindest für uns ist es kein Spiel, das irgendeine Botschaft vermittelt, außer dass es vollkommen in Ordnung ist, seine Familie anzulügen, sodass diese am Ende von einem bösen Monster verschleppt oder gar getötet wird. Sorry, das ist für uns keine Botschaft, die ein Spiel haben sollte.
Pro | Contra | ||
+ Sehr gute Atmosphäre | – Moralischer Beginn sehr fragwürdig | ||
+ Geniale Geräuschkulisse | – Lerneffekt nicht vorhanden | ||
+ Technisch fast einwandfrei | – Gameplay keine Herausforderung | ||
+ Grafisch sehr passend | – Keine Abwechslung |
- Grafik: 87
- Sound: 95
- Umfang: 78
- Gameplay: 63
- KI: 69
Spielspaß: 47
- Story: Haarsträubend und dämlich. Nein, danke. Zudem gibt es keinen Lerneffekt und wirklich beschäftigen kann einen der Titel höchstens ein paar Stunden.
- Frustfaktor: Hält sich in Grenzen, obwohl wir sehr frustriert über die Protagonistin sind.
- Wiederspielwert: Sehr gering.
- Design/Stil: Grafisch wurde hier gute Arbeit geleistet, da man sich ins Spiel hineingesaugt fühlt und Angst verspürt.
- Musik: Besser könnte man die Atmosphäre überhaupt nicht unterlegen als mit dieser hervorragenden Soundkulisse.
Information: Vielen Dank an NIS America für das Pressemuster von Yomawari: Night Alone.