Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich meine Finger an einen Abzug setzte und Pokemon in ihrer freien Wildbahn vor die Kamera bekam. Genau genommen schon rund 20 Jahre. Pokemon Snap ließ mich auf dem N64 damals ganze Pokemonwelten erkunden und sie in ihrem natürlichen Umfeld fotografieren. Nun, 21 Jahre nach dem ursprünglichen Release steht mir New Pokemon Snap auf der Nintendo Switch zur Verfügung, das sich immer noch genauso wie früher, nur besser anfühlt.
Bitte lächeln!
Ich habe mich im Tutorial von New Pokemon Snap ein wenig veralbert gefühlt, denn ich wusste noch ganz genau, wie alles funktioniert. Natürlich können das weder Rita noch Professor Mirror wissen, doch ich weiß es. Als ich durch meine Kamera blickte und mit dem Neo-One auf meine erste Tour ging, waren das für mich alles keine Neuigkeiten, keine Überraschungen. Es war einfach und schlicht vertraut – und das ist ein Gefühl, das man selten hat, wenn es im Grunde einen zweiten Teil gibt.
New Pokemon Snap orientiert sich sehr, sehr, sehr am Originaltitel. Auf diese Weise werden aber auch alle alten Hasis wie ich und neue gewonnen Fotografierende perfekt eingeführt und entdecken Schritt für Schritt alle Items und Pokemon. Denn erst wenn man etwas weiter fortgeschritten ist, findet man Unterschiede. Während in Pokemon Snap noch jede Strecke immerzu identisch war und nur durch meine neuen Items Veränderungen zu sehen waren, ist New Pokemon Snap richtig lebendig!
Die Strecken kommen in drei verschiedenen Ausfertigungen daher, jeweils mit anderen Pokemon, die es bei Tag oder Nacht zu finden gibt. Je mehr Punkte man sammelt, desto schneller steigt man im Level auf und dann passiert auch wieder was anderes, denn das Verhalten der Pokemon ändert sich, sodass man zwar schon immer und immer wieder dieselbe Strecke fährt, sich aber doch immer wieder andere Dinge darin finden lassen.
Kurzum: Tatsächlich muss ich auf jede Strecke mehrfach abfahren, wenn ich das Fotobuch von Professor Mirror füllen möchte. Der liebe Professor möchte nämlich die Pokemon studieren, kann aber nicht selbst in die Wildnis gehen, sondern schickt stattdessen mich mit einer Kamera hinaus, damit ich möglichst viele Pokemon in ihrer freien Wildbahn fotografieren kann und Professor Mirror etwas über das Ökosystem lernen kann.
Es lebt!
Ich liebe damals schon Pokemon Snap und war immer wieder fasziniert, was damals alles möglich war: Glutexo, das man in einen Vulkan schmiss, damit es sich zu Glurak entwickelte, war meine Lieblingsstelle. Allein schon wie Glutexo zuvor um den Vulkan stiefelte, einfach herrlich. Damals dachte ich, das könne man gar nicht mehr toppen. Na ja, und dann brachte Nintendo einfach New Pokemon Snap um die Ecke, das noch tausendmal lebendiger ist als das, was da vor 20 Jahren möglich war.
Wenn ich mich damals schon freute, was möglich, war bin ich von New Pokemon Snap ziemlich geflasht. So viele verschiedene Ökosysteme und so viele Geheimnisse, die es zu jeder Strecke zu finden gibt. Ob das die Bidizas sind, die einen Damm über mehrere Fahrten hinweg bauen, oder ein Skaraborn, das nachts einfach an einem Baum hängt. Es sind so viele Kleinigkeiten, die mich dazu bringen, immer und immer wieder die Strecken abzufahren, in der Hoffnung, etwas Neues zu sein. Vielleicht vergesse ich manchmal dabei auch, dass ich Fotos machen muss und muss dann die Strecke erneut fahren.
Meistens wünsche ich mir jedoch, dass ich einfach aussteigen kann aus meinem Fahrzeug, und näher an die Pokemon herangehen darf. Dass ich sie aus nächste Nähe beobachten kann, vielleicht sogar zeichnen statt fotografieren. Und beobachten, wie sie auf mich reagieren. Das nervt mich nämlich tatsächlich, und zwar damals wie heute: Ich kann das Neo-One, also das Fahrzeug nicht anhalten. Ich weiß, dass das der Sinn ist, damit man die Strecken eben gezwungenermaßen wieder und wieder fahren muss, doch manchmal möchte ich es wenigstens kurz anhalten können. Nur für einen Moment. Stattdessen gibt es einen Modus, um vorzuspulen.
Als ich das hörte, wollte ich es nicht ganz glauben. Wer kommt auf den Gedanken, das auch noch vorspulen zu wollen? Klar, wenn ich die Strecke vielleicht nur wegen eines letzten fehlenden Fotos abfahre, klingt es logisch, aber wenn sich Fans wünschen, auszusteigen, baue ich eine Funktion ein, um schneller zu fahren? Ich bitte euch.
Shit, verwackelt
Ich erwähnte bereits, dass du dich in New Pokemon Snap darauf einstellen solltest, alle Strecken viel zu oft zu fahren, um alle Pokemon in all ihren möglichen Formen zu fotografieren. Denn nicht immer sind es nur die Pokemon, die nicht wollen, manchmal bin ich diejenige, die es einfach nicht hinbekommt, das richtige Foto zu schießen, sodass ich selbst Schuld bin, wenn ich zurückkehren muss. Und dennoch… Manchmal bin ich einfach nicht Schuld.
Manchmal fokussiert New Pokemon Snap einfach nicht dort, wo es fokussieren soll. Manchmal halte ich direkt auf ein Pokemon und das Spiel erfasst dann, das direkt daneben ist. Das ist schade und ärgert mich tatsächlich sehr. Es ist zwar cool, dass es mit einem automatischen Erkenner daherkommt, um direkt die Pokemon zu identifizieren, doch in manchen Situationen ist es mir keine wirkliche Hilfe, sondern nur eine Last.
Ein Gefühl habe ich bei New Pokemon Snap jedoch mit Sicherheit nicht vermisst: Schon früher wollte ich immer alles Pokemon gleichzeitig fotografieren. Ich wollte nichts verpassen, sodass ich immer und immer wieder die Kamera drehe, damit ich auch alles mitbekommen. Meistens führt das bei mir eher zu Frust, weil ich eben doch nicht alles mitbekomme, aber ich lebe nun mal nicht nach Better Done, Than Perfect. Für mich ist New Pokemon Snap nicht das entspannende und beruhigende Erlebnis, das es für andere ist. Ich möchte gerne direkt perfekt sein – wobei mir schon das Spiel selbst einen Strich durch die Rechnung macht.
Ich habe das Gefühl, dass man New Pokemon Snap am besten auf dem PC spielt – doch hier fiel mir vieles auf. Beispielsweise sind viele Schatten sehr eckig, so als könne man gar keine runden Ecken gestalten. Außerdem sehen die kleinen Vorschaubilder echt krass verpixelt aus, das ich am Anfang ganz schön erschrocken war und hoffte, dass das Bild nur in der Vorschau so aussehen würde. Zudem verstecken sich hin und wieder grafische Fehler, wie beispielsweise beim Fluss, wenn man sich im Park umdreht, das sind jedoch nur Kleinigkeiten. Unschöner finde ich dabei die Clippingfehler, wenn sich zum Beispiel Meganie durch Blätterwerk schiebt und dieses nicht nachgibt. Das sind Dinge, die nicht sein sollten – zumal Meganie gescripted läuft, so wie viele der anderen Pokemons auch. Ein bisschen mehr Sorgfalt hätte ich mich hierbei sehr gewünscht. Auch mange Umgebungselementen fehlt es manchmal an Feingefühl.
New Pokemon Snap kommt zudem mit einer Sprachausgabe daher – auf Wunsch Englisch oder Japanisch – doch gesprochen, wird nicht wirklich viel. Das ist schade. Nur wenige Textstellen sind wirklich vollständig vertont, dabei habe ich mir doch mehr gewünscht. Damals auf dem N64 ergab das tatsächlich Sinn, doch jetzt sind wir doch schon viele Jahre weiter. Fürs nächste Mal wünsche ich mir definitiv eine vollständige Sprachausgabe. Ebenso sind die unverständlichen Sätze von Professor Mirror seltsam, darüber habe ich auch schon hier geschrieben.
Fazit: Ich zücke meine Kamera und die Welt gehört mir
Ich habe mich mit New Pokemon Snap so gefühlt, als hätte ich die Welt von Pokemon Snap nie verlassen. Als lägen dort keine 20 Jahre dazwischen. Als wäre ich noch immer ein Teil dieser faszinierenden Welt aus Pokemon und Menschen, in der alle im Einklang leben. Doch so vertraut sich New Pokemon Snap auch anfühlt, so viele neue Dinge hat es mit sich gebracht, allen voran eine rundum lebendige Spielwelt mit funktionierenden Ökosystemen und so viel Liebe zum Detail, das ich mich immer wieder frage, was ich all die Jahre in der Zwischenzeit ohne diese friedliche Welt gemacht habe.
Noch immer wünsche ich mir, dass ich einfach aussteigen und die Welt zu Fuß erkunden kann. Dass ich beobachte, wie die Pokemon auf mich reagieren und wie sie sich mit mit anfreunden. Doch ich darf auch im Jahr 2021 das Neo-One nicht verlassen, ich darf es nicht mal anhalten lassen – stattdessen führte man eine Funktion ein, um schneller zu fahren. New Pokemon Snap präsentiert eine fantastische Welt, die teilweise auf blanken, vorprogrammierten Scripts basiert, die auslösen, ganz gleich, ob ich was mache. Und obwohl ich das weiß und obwohl ich all die grafischen Fehler sehe und all die Clippingfehler, mir wünsche, aussteigen zu können, und ich manche Strecken immer und immer wieder abfahren muss. Obwohl ich all das sehe und weiß, war es eine der besten Investitionen im Jahr 2021 für mich.
Pro | Contra |
---|---|
+ Unheimlich lebendige und faszinierende Spielwelten | – Ich kann immer noch nicht aussteigen oder anhalten, stattdessen wird eine Funktion fürs schnellere Fahren eingeführt |
+ Perfekt für Perfektionisten oder all jene, die eine Runde Entspannung suchen | – Viele Clippingfehler, obwohl Pokemon Scripts folgen |
+ Liebe zum Detail bei Ökosystemen | – Seltsame Kommunikation seitens Professor Mirror |
+ Pures Nostalgiefeeling | – Sprachausgabe nur teilweise, nur bestimmte Pokemon vertont |
+ Faszinierende Umgebung, inspirierendes Konzept | – Einige grafische Unschönheiten |
+ Schönes Zusammenspiel der einzelnen Pokemon | – Fokus bei Pokemon nicht immer treffend |
– Ständige Repetition der Strecken |
Technik: 79
Grafik: 83
Sound: 82
Umfang: 85
Gameplay: 66
KI: 79
Spielspaß: 91
- Story: Du hilfst Professor Mirror dabei, seinen Fotodex mit verschiedenen Pokemon in ihrem natürlichen Umfeld zu schaffen.
- Frustfaktor: Ich will aussteigen, verdammt!
- Nachhaltigkeitswert: New Pokemon Snap wird hoffentlich einen ähnlichen Stellenwert bei vielen einnehmen wie seinerseits Pokemon Snap.
- Design/Stil: Sehr hübsch in der Gestaltung der Pokemon, leider mit einigen Mängeln.
- Musik und Sound: Super angenehm und passend, mit ausgewählten Pokemonstimmen. Schade, dass die Synchro nicht dauerhaft ist.
- Preis-Leistungs-Verhältnis: Für 59,99 € absolut gerechtfertigt, da man viele verschiedene Strecken und viele unterschiedliche Welten erhält.
Offenlegung
Ich habe mir New Pokemon Snap für die Nintendo Switch selbst gekauft.