Solstice (Steam) im Test – Dichter Visual Novel mit Vielfalt

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Eine Stadt unter einer Kuppel, die für drei Monate völlig von der eisigen Außenwelt abgeschirmt wird. Ein junger Arzt und eine Technikerin, die für diese Zeit in die Stadt kommen, um… Nun ja. Mit Solstice bringt das kleine Entwicklerteam MoaCube seinen zweiten Visual Novel in die digitalen Gefilde von Steam. Wir haben uns auf die dystopische Geschichte eingelassen und berichten euch im Test unsere Eindrücke.

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Durchdachte Dystopie

In Solstice erlebt ihr die Geschichte nicht nur aus der Sicht einer Figur, sondern tatsächlich wechselt die Sicht regelmäßig, teilweise auf Basis eurer getroffenen Entscheidungen – Galen ist der junge Arzt, der in die abgeschottete Stadt kommt, Yani die Technikern, die für die Wartung der Einrichtungen zuständig ist. Yanis Weg in die Stadt ist schon alles andere als angenehm, denn die kämpft sich allein um die Eiswüste und ist, beinahe erfroren und zum Glück gefunden von dem Konvoi, mit dem Galen in die Stadt kommt, dessen erste Patientin. Und dann geschieht etwas, was beide aus der Bahn wirft: Lev, ein stadtbekannter Verrückter, verschwindet.

Zunächst klingt das nicht so besonders aufregend, aber tatsächlich ist das eine große Sache, denn freilich spielen sich hinter der Fassade der schon ziemlich außergewöhnlichen Oase mitten in einer Eiswüste ganz andere Dinge, als man erwarten könnte. Solsticevereint eine Detektivgeschichte nicht nur mit Dystopie, sondern auch einer guten Portion Mystik, denn „Kala“ bleibt ein quasi bis zum Ende unerklärliches Phänomen, dass die Leute in der Stadt in Richtung der „Solstice“ (Sonnenwende), also der längsten Nacht im Jahr, in den Wahnsinn treibt…

Solstice macht im Hinblick auf sein dystopisches Setting etwas Kluges: Es geht nicht darum, dass wir einfach mal eben das System stürzen müssen, weil… Na ja, Baum, sondern es geht um konkrete Bedrohungen. Es geht auch weniger um Kritik am System selbst, vielleicht auch dadurch, dass die beiden Protagonisten erstaunlich eng mit diesem verknüpft sind, sondern darum, was (bestimmte) Menschen und ihre Machenschaften daraus gemacht haben.

Genau aus diesem Grund vermittelt Solstice ein so glaubwürdiges Bild der Spielwelt: Zur dichten Atmosphäre kommt wirklich das Gefühl hinzu, immer tiefer in die Spielwelt und ihre Verworrenheit einzusteigen, und zu spüren, dass hier etwas ganz gehörig faul ist. Doch was genau dahinter steckt? Wir hatten immer Vermutungen, aber das Spiel sagt auch selbst: Jeder hat hier eine Leiche im Keller. Und ganz im Ernst: Am Ende waren wir dann doch überrascht…

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Gibt es wirklich Gut und Böse? Solstice zeigt, dass auch aus vermeintlich kleinen Dramen große Konflikte werden können.

Komplexe Geschichte

Dass das so ist, liegt auch daran, dass die Komplexität von Solstice ziemlich hoch ist. Alleine die benutzte englische Sprache ist nicht ganz ohne – Einsteigern würden wir das Spiel daher nicht empfehlen, man sollte auf alle Fälle schon einige englische Visual Novels und am besten auch englische Bücher gelesen haben, um Solstice einwandfrei verstehen zu können.

Doch nicht nur das macht Solstice komplex, sondern auch die vielen Stränge, auf die ihr euch im Spielverlauf begeben könnt. Alleine die Tatsache, dass das Spiel über zwei Protagonisten und viele Entscheidungen mit häufig drei Möglichkeiten verfügt, macht deutlich, wie viele Nuancen ihr bis zum Ende hin freischalten könnt. Abgesehen davon, mehrere Durchgänge zu machen, kann es sich auch lohnen, an bestimmten Schlüsselpunkten Speicherstände anzulegen, um dann direkt hier einsteigen zu können. Grundsätzlich bietet Solstice vier Enden, die jeweils noch unzählige Varianten aufweisen – Bis man alles gesehen hat, kann man mit Solstice gerade für einen Visual Novel sehr viel Zeit verbringen, zumal man schon für einen einzigen Durchgang gut vier Stunden benötigt, was eine beträchtliche Spielzeit ist!

Erstaunlich ist an den Entscheidungen, dass sie keine Holzhammer-Entscheidungen darstellen, sondern auch für sich teilweise nur kleine Nuancen an Unterschieden aufweisen, die aber eben entscheidend sein können. Diese Umsetzung überzeugt besonders, da auch alle Figuren in Solstice ihre überzeugenden Eigenheiten haben und man im Spielverlauf hinter Wahrheiten kommt, die man kaum erwartet hätte… Da überlegt man sich dann auch, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, mit dieser oder jener Person, nun ja… Intimer zu werden. Kleine Abzüge gibt es aber dafür, dass wir teilweise trotz aufmerksamen Lesens von den Antwortmöglichkeiten leicht verwirrt waren.

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Im Spielmenü könnt ihr einen Überblick über die Enden bekommen.

Alles nochmal?

Eine gute Portion Witz ist in der Geschichte darüber hinaus auch vertreten, der zudem gut mit menschlichen Themen verknüpft wird – Und somit vereint Solstice alle Elemente, die man sich von einer guten, modernen und dystopischen Geschichte wünschen kann.

Da machen wir gerne auch noch einen zweiten und dritten Durchgang – Drei haben wir bisher erledigt, mehr werden sicher noch folgen, da wir noch längst nicht alle Enden und deren Varianten gesehen haben. Auch visuell lädt Solstice definitiv ein, es nochmal zu spielen, denn Hintergründe und Figuren sind wunderschön gestaltet und unterstreichen die gute Atmosphäre. Zu bemängeln haben wir nur, dass die Figuren meist nur zwei echte Posen aufweisen, wobei insbesondere Galens verzweifelte Pose eher für schmunzeln sorgt als dafür, seine Gefühle zu uns zu übertragen.

Auch die Musikuntermalung ist herausragend gelungen und sorgt mit ihren atmosphärischen Klängen für Freude – Alleine aber in der vierstündigen Spielzeit für einen Durchgang wiederholen sich viele Stücke und Klänge gleich mehrfach. Hier sind kleine Lücken im ansonsten extrem hohen Produktionsaufwand zu erkennen. Auf eine Synchronisation muss man übrigens verzichten, was aber nicht weiter schlimm ist.

Ärgerlich war für uns, dass das Spiel einige Male gefreezt bzw. abgestürzt ist – Drücken solltet ihr während des Spieles auf keinen Fall die „L“-Taste, denn das mag das Spiel nicht. Weitere Male stürzte es ab, als wir Solstice minimieren wollten. Dummerweise wird aber nur auf manuelle Anweisung oder beim regulären Verlassen des Spieles gespeichert, sodass wir dann alles nochmal machen mussten. Da es kein Vorspulen bis zur nächsten Entscheidung gibt, war das mit einigen Minuten sinnlosen Klickaufwandes verbunden. Eine Autoplay-Funktion ist für geübte Englischleser jedoch sehr wohl an Bord und ist tatsächlich relativ schnell, weswegen man der Sprache einigermaßen mächtig sein sollte.

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So ähnlich ging es uns beim Spielen nur manchmal.

Fazit: Großartige und vielfältige Dystopie

Solstice erzählt eine sehr kluge Dystopie, und zwar eine, die einen länger beschäftigen kann: Der Umfang ist für eine Visual Novel beeindruckend, da der Titel nicht nur mehrere Enden, sondern auch noch unzählige Varianten derselben aufweist. Unmöglich kann man in einem oder zwei Durchgängen alle Nuancen der Geschichte mitbekommen. Ganz grundsätzlich laden die herausragende Atmosphäre und die hohe Entscheidungsfreiheit ohnehin dazu ein, Solstice mehrmals zu spielen, wobei man immer wieder hinter neue Geheimnisse der Figuren kommen kann. Auch der Produktionsaufwand ist mit den gelungenen Hintergründen und der tollen Musik erkennbar hoch, jedoch kassiert Solsticedurch die teilweise verwirrenden Auswahlmöglichkeiten und das kleine Absturzproblem auch leichte Abzüge. Eine absolute Empfehlung erhält der Titel insbesondere für Visual Novel Fans natürlich dennoch – Solstice ist einer der umfassendsten Vertreter des Genre.

Pro Contra
+ Kluge Dystopie – Englisch teilweise auf hohem Niveau
+ Sehr dichte Geschichte und vielfältige Themen + Mystik – Musikstücke wiederholen sich öfter
+ Gelungene Figuren mit Persönlichkeit und Geheimnissen – Seltene Abstürze und Freezes, wobei kein Speichern erfolgt
+ Viele Entscheidungen, mehrere Enden + Deren Varianten – Entscheidungsmöglichkeiten manchmal verwirrend
+ Hohe Spielzeit (einmaliger Durchgang gut 4 Stunden)
+ Visuell und musikalisch sehr gelungen

Technik: 85

  • Musik/Sound: 80
  • Grafik (Charaktere, Hintergründe): 88
  • Umfang/Dauer/Vielfalt: 100
  • Usability: 70
  • Sprache: Englisch

Spielspaß: 85

Sprachvermögen: Das verwendete Englisch befindet sich teilweise auf höherem Niveau. Man sollte der Sprache durchaus mächtig sein.
Entscheidungsfreiheit: Sehr groß. Es gibt grundsätzlich vier verschiedene Enden mit jeweils unzähligen Varianten.
Erzählstil: Die Geschichte wird es aus Sicht zweier Figuren erzählt, wobei man (fast) keinen Einblick in Dinge hat, die nicht geäußert werden. Das ist klug und lädt zum Mitdenken und Rätseln ein.
Wiederspielwert: Sehr groß, vor allem aufgrund der Enden und da man beim ersten (und zweiten) Durchgang unmöglich alle Nuancen der Geschichte mitbekommen kann.

Wir bedanken uns bei MoaCube für die Bereitstellung des Downloadcodes zu Solstice!

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Manuel Eichhorn
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