Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist – Ein gedankenreicher Erstling

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Wie kann man bei diesen ganzen Themen ohne SMS und WhatsApp auskommen, warum Pornohefte für den einsamen Freund statt die Onlinevariante – diese Fragen habe ich mir neben einigen anderen beim Lesen von Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist gestellt, doch die Erklärung liegt nahe: 1995 ist der erste Roman von Selim Özdogan bereits erschienen. Ein Roman, dessen Lektüre ich ganz offensichtlich viel zu lange aufgeschoben habe.

Kennengelernt habe ich Özdogan mit Zwischen zwei Träumen und DZ – zwei meiner Lieblingsbücher. Doch sein erster Roman liefert schon genau so viel Stoff zum Nachdenken und Philosophieren. Die Bedeutung von Träumen und unserer Phantasie ist auch in diesem Roman schon sehr groß – die Drogen spielen auch eine wichtige, aber noch keine übergeordnete Rolle. Dafür gibt es Sex. Viel Sex, sehr bildlich dargestellt. Eine Netflix Adaption hätte hier einige heiße Szenen zu drehen.

Was Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist so besonders macht, ist seine Erzählperspektive. Wäre die Geschichte anders erzählt, wäre sie vielleicht gar nicht nachvollziehbar. Protagonist Alex Blau und den Jungs um ihn herum geht es eigentlich oft ziemlich gut. Doch zwischen abgebrochenem Studium, Partyeskapaden und persönlichen Tragödien bereichert die Perspektive das Verständnis ungemein. Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser:innen sonst sagen würden: Reiß dich doch einfach mal zusammen!

An manchen Stellen ist Alex für einen 22-jährigen vielleicht etwas zu pubertär – doch er zeigt dennoch, dass er seine ausgeprägten Triebe unter Kontrolle hat. Das gilt aber nicht unbedingt für sein Leben: So richtig gezielt manövriert er da nicht durch, und genau deshalb ist am Ende Esther alles für ihn. Doch die Beziehung ist geprägt vom Auf und Ab, Esther keine einfache Partnerin – oder? Und am Ende gibt es auch noch einen seiner Freunde, der auch ein Auge auf sie geworfen hat.

Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist arbeitet viel mit Musik und Gedanken – und dadurch umso nachvollziehbarer und in einem Rutsch gelesen. Und aus heutiger Sicht ist eben auch noch die Frage spannend, wie sich die Handlung in Zeiten sozialer Netzwerke, Messenger und Internetpornos abspielen würde. Ich glaube, der Fluss der Dinge würde an vielen Stellen weniger nachvollziehbar werden. Wenn ich das Buch 1995 gelesen hätte und schon hätte bewerten können, hätte ich sicher geurteilt, dass dies ein sehr starkes Debüt ist, jetzt habe ich gelernt, worauf Selim Özdogans Karriere fußt, denn auch heute kann dieses Buch noch in aktuellen Auflagen kaufen. Verdient, wie ich finde.

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Manuel Eichhorn
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