Ghost of Tsushima (PS4) im Test – Eine legendäre Welt

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Sony Interactive Entertainment gibt seinen Studios viele Freiheiten, wenn es ums Erstellen neuer Marken und Spiele geht. So konnte man bereits mit Horizon: Zero Dawn einen beachtlichen Erfolg beim Start in eine neue IP hinlegen. Nun darf auch Sucker Punch Productions experimentieren. Ganze sechs Jahre nach Infamous: Second Son war Ghost of Tsushima bereit, auf die Welt losgelassen zu werden und bringt ein neues Szenario und ein neues Genre für das Studio, das vor Infamous mit Sly bekanntgeworden ist. Wie gut uns das Samurai Abenteuer gefallen hat, verrät der Test.

Ein wahrer Held

„Das ist ja wie Assassin’s Creed Japan“ oder „Sucker Punch hat sich aber ganz schön inspirieren lassen…“ hört man immer wieder, wenn es um Ghost of Tsushima geht. Tatsächlich waren das auch meine Gedanken nach der Gameplayenthüllung des Titels vor einigen Monaten. Doch zum einen: Wie viele Spieler haben sich so einen Titel gewünscht und er zweifelt eigentlich daran, dass Sucker Punch dem Ganzen nicht doch seine eigene Handschrift verpassen kann. Und wenn nicht: Lieber gut inspirieren lassen als schlecht selbst machen, oder?

Wie auch immer: Tatsächlich fühlt sich die Gameplayformel von Ghost of Tsushima etwas vertraut an, und ja, es könnte durchaus auch ein Assassin’s Creed Teil sein, nur wisst ihr, was für einer? Ghost of Tsushima wäre Assassin’s Creed Japan, in dem viel Liebe und Feinschliff steckt, das sich nicht so anfühlt, als ob an gewissen Stellen zu viele Köche den Brei verdorben hätten und dass sich vor allem butterweich und geschmeidig spielt, von ganz wenigen Stellen einmal abgesehen.

Dazu nach und nach später mehr, doch Sucker Punch brilliert auch woanders: Bei der Einführung ihres Helden Jin Sakai machen sie alles richtig – es ist ein Held, der beinah unvermittelt ins Abenteuer geschmissen wird, in einer Welt mitten im Krieg und im Konflikt mit den Mongolen erwachsen werden muss, der sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen muss und dabei mit vielen Abenteuern, Bürgern und Hilfebedürftigen in Kontakt kommt. Jin ist ein guter Samuraischüler, der in den ersten Stunden seines Abenteuers seinen Kodex überwinden muss, um effizienter auf dem Schlachtfeld zu sein, und der trotz guter Fähigkeiten etwas Neues lernen kann.

Ghost of Tsushima macht die Heldenentwicklung glaubhaft, Jin lernt nach und nach neue Dinge, die er bei der Erkundung und im Kampf einsetzen kann. Das Spiel schafft es auch, Jin schon von Anfang an als relativ mächtig darzustellen, denn er beherrscht den Umgang mit dem Samuraischwert nun mal schon richtig gut. Dennoch kann er neue Dinge lernen, die ihn noch effizienter machen – doch diese sind recht schnell Feinheiten, die auch ihr als Spieler perfektionieren müsst. Verschiedene Kampfhaltungen, die richtigen Tastenkombinationen: Den Schwertkampf zu perfektionieren, erfordert teilweise Einiges an Fingerspitzengefühl.

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Die schönste Welt von allen

In Ghost of Tsushima wurde ist viel Liebe und Herzblut geflossen, das merkt man dem Spiel überall an. In den besagten Assassin’s Creed Spielen wirken einzelne Elemente immer wieder wie etwas Fremdes, das irgendwo oder irgendwann einmal entstanden ist und dann ins Spiel integriert wurde, ohne das große Ganze zu betrachten. So etwas gibt es in Ghost of Tsushima nicht. Die Elemente des Spieles wirken wie aus einem Guss und sind gut auf die Welt und die Handlung abgestimmt.

Zusammen gehalten wird alles von der wunderschönen Welt: Tsushima ist einfach eine Augenweide. Es ist kein Wunder, dass auf Twitter viele, viele Bilder aus dem Fotomodus geteilt werden, der sich mit einem einzelnen Knopfdruck starten lässt. Manchmal starte ich in Ghost of Tsushima den Fotomodus, anstatt mein Pferd zu rufen. Es lohnt sich, damit zu experimentieren, denn die Spielwelt in Ghost of Tsushima lädt einfach immer wieder zum Verweilen und genießen ein.

Tsushima lockt dabei nicht nur mit vielen Details, sondern ist auch technisch größtenteils fehlerfrei. Wenn man die Regentropfen auf dem Wasser beobachtet und sich die Bäume im Wind wiegen, bekommt man ein Gefühl dafür, was mit der PS4 so alles möglich ist – und was Sucker Punch möglicherweise aus der PS5 herausholt. Dass Ghost of Tsushima auf der PS4 Pro butterweich läuft und die Ladezeiten sogar schon jetzt ziemlich kurz sind, lässt mich neugierig auf die neue Generation blicken. Groß ist die Spielwelt dabei auch – und allein durch die riesige Anzahl von Details in der Spielwelt vermittelt sie auch ein Gefühl für diese Größe, denn nach Geheimnissen muss man wirklich suchen, nicht alles ist nämlich auf der Karte markiert.

Liebe für diese Aussicht und Darstellung!

Bekannte Schwächen & ein bisschen Repetition

Ghost of Tsushima integriert seine Geschichten großartig in die offene Spielwelt. Die Geschichten sind vielfältig und erzählen viel über Figuren, Orte, Legenden – es macht Spaß, Tsushima nach und nach zu erleben und zu sehen, wie die Zahl der Möglichkeiten stetig wächst. Lediglich die Logik des Zeitgefüges muss man außer Acht lassen – spielt man das nächste Kapitel einer Geschichte, die gerade mitten im Konflikt ist, erst Stunden später, hat sich natürlich nichts entwickelt. Tsushima lebt nicht von sich aus, sondern maximal um den Spieler herum, doch echte Konsequenzen in der Welt gibt es über lange Strecken hinweg nicht – schade eigentlich.

Was das Spiel dennoch richtig gut macht: Qualitativ gibt es keinen Unterschied zwischen Haupt- und Nebengeschichten. Sie sind alle gut geschrieben, gut vertont, gut inszeniert und vielfältig. Manch Nebenquest in einem anderen Spiel ist furchtbar lustlos und dient nur dazu, Geld oder Erfahrungspunkte zu sammeln. Das ist in Ghost of Tsushima anders – hier enthält jede Geschichte ihre nötige Portion Liebe.

Dennoch krankt das Spiel an einigen Schwächen, die man aus anderen Spielen kennt: Manche Gameplayelemente werden in stetiger Wiederholung ausgespielt, wie das Suchen nach Spuren oder gar das Herausfordern der Gegner: Während der gekonnte Samurai Angriff Einiges hermacht, sieht man bestimmte Elemente immer wieder und sie laufen jedes Mal gleich ab. Auch der Besuch von heißen Quellen oder das Ehren von Schreinen wirkt unnötig gescriptet – auch wenn ich ohne den Fuchs, der mich hinführen würde, einen Schrein finde, steht er am Ende natürlich neben mir. Das kann schon sein, doch insgesamt zeigt Ghost of Tsushima immer wieder Dinge, die mich unnötig aus dem Geschehen hinausziehen.

Während so etwas wie Jins Erinnerungen, wenn wir zum ersten Mal eigenständig ein Attentat durchführen, was eigentlich gegen den Kodex der Samurai ist, noch als Stilmittel durchgeht, sind andere Dinge weniger verständlich: Mitten im Kampf öffnet sich automatisch das Menü und ich soll Technikpunkte verteilen. Wieso? Ghost of Tsushima würde gut daran tun, auf solche Skripts und Beschränkungen zu verzichten. Ebenso hätte hier und da etwas mehr Vielfalt bei den Elementen einfach noch gut getan – wenngleich Ghost of Tsushima nichts Gravierendes an seiner Faszination verliert.

Die Technik perfektionieren

Stellenweise kann man die Schwierigkeit einzelner Gegner oder Quests nur schwer einschätzen – doch das liegt auch daran, dass Ghost of Tsushima nicht mit klassischen Leveln arbeitet, sondern eher mit der Macht und den erlernten Fähigkeiten. Je nach dem, wie viel man schon kann, kann es auch immer wieder passieren, dass die Mongolen vor einem kapitulieren, wenn man etwas besonders Beeindruckendes macht – ein cooles System, das zeigt, wie mächtig man ist.

Trotzdem läuft man ab und zu in Herausforderungen, die deutlich schwieriger sind als andere: Begegnungen auf der Straße bleiben nämlich sehr leicht, während manche Anführer oder Bosse in Quests etwas schwer und frustrierend werden können, doch fair bleibt Ghost of Tsushima alle mal: Die Kämpfe besteht man nicht mit wildem Knopfdrücken, sondern mit Ruhe und Technik und während man dem Gegner ins Gesicht sieht und seine Aktionen beobachtet. Wie man Jin weiter entwickelt, bleibt einem selbst überlassen und man kann viele nützliche Fertigkeiten für spezielle Angriffe oder fürs Ausweichen lernen.

Glaubhaft integriert Ghost of Tsushima Rohstoffe und Ausrüstung: Es gibt kein riesiges Arsenal an Ausrüstung und die Rohstoffe, die für die Verbesserung nötig sind, sind in nachvollziehbaren Mengen in der Welt verteilt. Handwerker müssen aufgesucht werden, um Rüstungen und Waffen zu verbessern oder das Aussehen zu verändern: Legendäre Schwerter verstecken sich in der Spielwelt, während Händler aus gesammelten Blumen Farben herstellen können und man auch noch Designkits kaufen kann.

Und für eine oder andere legendäre Rüstung bewegt man sich auch mal durch Tsushima und sucht sie: Auch hier macht Ghost of Tsushima eine gute Figur und es ist nicht einfach nur eine Kiste, die irgendwo glitzert und die man öffnet, um etwas zu finden. Sehr gut! Ebenso behalten die Kampfhaltungen ihre Faszination – denn das Freischalten macht ebenso viel Spaß wie das aktive Einsetzen, da man wirklich merkt, wie unterschiedlich effektiv die Haltungen sind.

Man kann die Gräser zum Verstecken nutzen – oder darin kämpfen.

Die Technik perfektioniert

Das Einzige, was man Ghost of Tsushima technisch mal wieder ankreiden kann, liegt weniger am Spiel als an Sonys Ingenieuren: Auch bei diesem Spiel wird die PS4 Pro unheimlich laut, wobei sie immerhin bei ruhigeren Szenen und in Zwischensequenzen auch mal aufhört, zu pusten. Hier wünschen wir uns mehr denn je eine Verbesserung beim Kühlsystem der PS5!

Ansonsten gibt es immer mal wieder kleine Schönheitsfehler beim Klettern und Clippingfehler, sodass Jins Füße oder Hände in Gestein verschwinden. Ansonsten fühlt sich Ghost of Tsushima über weiteste Strecken hinweg butterweich an, ruckelt auf der PS4 Pro nie und sogar die Gegner verhalten sich größtenteils klug, Aussetzer bei der KI konnten wir nur ganz schwer feststellen.

Und genau das ist der Punkt: Sucker Punch liefert zwar durchaus so etwas wie Assassin’s Creed Japan, doch bügelt damit gleichzeitig einen Großteil der Schwächen aus, die Ubisofts Reihe seit Jahren plagen…

Das Ghost of Tsushima Gesamtpaket dagegen wird von anderen Elementen gut abgerundet: Eine herausragende deutsche Synchro, gut einstellbarer HDR Support, eine super Soundkulisse. Es ist alles ein rundes Ganzes.

Auch bei Regen macht die Technik eine gute Figur.

Fazit: Zeit für Abenteuer

Ghost of Tsushima ist die Art von Exklusivtitel, die mich immer wieder daran erinnern, dass ich immer ein PlayStation Kind war: Eine so wunderschöne Spielwelt mit so viel Atmosphäre wie Ghost of Tsushima bietet kaum ein anderes Spiel. Fast durchweg merkt man dem Spiel an, dass Liebe, Herzblut und viel Feinschliff hineingeflossen sind: Kaum ein Spiel der Größe fühlt sich bei einem so komplexen Kampfsystem so butterweich an und wurde so gut auf eine Konsole optimiert. Und ja, auch nicht jeder Exklusivtitel ist in diesen Jahren so gut auf seine Plattform angepasst. Hier und da gibt es kleine Schwächen wie Clippingfehler, doch das war es auch schon. Spielerisch brilliert Ghost of Tsushima mit dem komplexen Kampfsystem, vielen interessanten Geschichten und einer herausragenden Erzählung sowie einer gelungenen Darstellung des Helden. In Kauf nehmen muss man, dass auch in dieser Welt manche Dinge recht schnell repetitiv werden und dass Ghost of Tsushima einen unnötigerweise immer wieder aus dem Geschehen hinauszieht, um Rückblenden zu zeigen (was okay ist) oder einen Technikpunkte verteilen zu lassen (was unnötig ist). Insgesamt ist die Reise nach Japan eine runde und motivierende – und eine, mit der Sucker Punch wunderbar zu etwas Neuem aufgebrochen ist.

ProContra
+ Wunderschöne Spielwelt– Manche Elemente werden schnell repetitiv
+ Viele Geschichten, alle qualitativ hochwertig– Clippingfehler
+ Gut dargestellter Held mit guter Entwicklung– Klettern nicht immer ganz sauber
+ Technisch beinahe fehlerfrei
+ Gute Soundkulisse
+ Tolle deutsche Synchro

Technik: 94
Grafik: 97
Sound: 98
Umfang: 95
Gameplay: 93
KI: 88

Spielspaß: 93

  • Story: Ghost of Tsushima erklärt gekonnt eine Geschichte – oder besser gesagt viele davon. Egal ob Haupt- oder Nebengeschichte: Die Qualität bleibt immer fast gleich hoch.
  • Frustfaktor: Teilweise vorhanden – allerdings hat man auch immer etwas Alternatives zu erledigen und meist muss man sich nur mit Ruhe der Herausforderung stellen.
  • Nachhaltigkeitswert: Der Umfang ist beeindruckend – und ich hoffe, dass Ghost of Tsushima der Aufbruch in etwas Neues für Sucker Punch ist, sodass es uns lang erhalten bleibt.
  • Design/Stil: Ein gut gelungener Stil, optisch wie technisch bombastisch.
  • Musik und Sound: Die Soundkulisse ist super, inklusive der deutschen Synchronisierung.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: Der Vollpreis für Ghost of Tsushima ist mehr als angemessen.

Offenlegung & Unterstützung

Ein Reviewkey zu Ghost of Tsushima wurde uns von Sony zur Verfügung gestellt. Gespielt haben wir Ghost of Tsushima auf einer PS4 Pro.

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Unser Let’s Play zu Ghost of Tsushima

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Manuel Eichhorn
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