Einsamer Wolf aus der Feder des britischen Autors Joe Dever ist bis heute eine der erfolgreichste Spielbuchreihen – 1984 gestartet, wurden bis heute über 10 Millionen Exemplare verkauft und die Reihe hat es 28 veröffentlichte Bände gebracht. Mit Joe Dever’s Lone Wolf: Console Edition schafft es nun die Videospiel-Adaption des italienischen Studios Forge Reply endlich auf Konsolen – Der Titel feierte sein Debüt 2013 auf mobilen Plattformen und wurde episodenweise veröffentlicht, in der Console Edition sind alle vier Akte vereint. Wir haben uns auf die Reise durch Sommerlund begeben und berichten euch im Test, ob uns der Spielbuch-RPG-Mix gefallen hat.
Nichts für Lesemuffel!
Joe Dever’s Lone Wolf kombiniert ein digitales Rollenspielbuch mit einem rundenbasierten Kampfsystem. Das bedeutet: Das Abenteuer rund um den Einsamen Wolf ist textlastig und nichts für Lesemuffel! Die Story wird größtenteils in Textform erzählt, nur bei Abschluss der Akte gibt es Zwichensequenzen, und auch eure Entscheidungen trefft ihr innerhalb dieses Buches.
Zu einem 3D-Rollenspiel verwandelt sich Joe Dever’s Lone Wolf nur, wenn ihr gegen Gegner in den rundenbasierten Kämpfen antretet oder wenn ihr die kleineren Rätseleinlagen bestreitet, wie das Schlösserknacken und das Öffnen von Toren mit den Shianti-Würfeln. Letzteres fordert euer räumliches Vorstellungsvermögen und ist gar nicht so leicht – Es sei denn, ihr verfügt über die entsprechende Kai-Fertigkeit, um euch die richtige Lösung anzeigen zu lassen, indem Einsamer Wolf den Würfel dahingehend manipuliert.
Schreib dein eigenes Buch!
Wer jetzt glaubt, dass man sich in Joe Dever’s Lone Wolf nur durch seitenweise trockenen Text klicken muss, der irrt: Zum einen ist das Ganze wirklich ganz gut geschrieben und spannend (übrigens komplett auf Deutsch übersetzt!), zudem müsst ihr nie wirklich lange lesen, bevor ihr durch Kämpfe o.Ä. mal wieder Abwechslung bekommt. Doch zum anderen schreibt ihr eure Geschichte in Joe Dever’s Lone Wolf tatsächlich selbst, denn schon zum Beginn des Abenteuers dürft ihr zahlreiche Entscheidungen treffen, die den Verlauf der Geschichte und euer Spielerlebnis erheblich beeinflussen.
Es ist gut, dass Joe Dever’s Lone Wolf drei Speicherplätze bietet, denn: Obwohl ihr in die Rolle von Einsamer Wolf schlüpft, dem letzten Überlebenden des legendären Kai-Ordens, lenkt ihr keineswegs die Geschicke einer feststehenden Figur, stattdessen wählt ihr euch schon am Anfang euren bevorzugten Spielstil (quasi: Kämpfertyp, Taktiker/Fernkämpfer oder überlegter bzw. ruhiger Herangeher), eure bevorzugte Waffe, aber vor allem eure zur Verfügung stehenden Kai-Fertigkeiten.
Diese sind recht vielfältig und alles zusammen entscheidet nicht nur über die Manöver, die euch im Kampf zur Verfügung stehen, sondern auch über die Entscheidungen, die ihr beim Bewegen über die Karte treffen könnt. Habt ihr beispielsweise das Tierverständnis nicht als Fertigkeit gewählt, könnt ihr zwischenzeitlich auch nicht deren Hilfe erwarten und auch keinen Wolfsgefährten im Kampf herbeirufen.
In Joe Dever’s Lone Wolf trifft man also nicht nur im Spielverlauf Entscheidungen, sondern legt bereits am Anfang in gewissem Maße fest, welche einem überhaupt zur Verfügung stehen. Somit können zwei Durchgänge durch Joe Dever’s Lone Wolf tatsächlich sehr unterschiedlich ausfallen, vor allem, wenn man beim zweiten Durchgang die genau gegenteilige Figur zusammenstellt. Noch eine Notiz nebenbei: Die Unterschiede zwischen Schwert, Axt und Streitkolben als Waffe fallen leider eher klein aus, da auch die drei zur Verfügung stehenden Attacken quasi identisch sind. Hier hätten wir uns mehr gewünscht.
Gespräche, Entscheidungen…
Joe Dever’s Lone Wolf erzählt die gute Geschichte eines düsteren Romans – Nur, dass ihr eine aktive Rolle übernehmt, die Geschicke des Protagonisten lenken und aktiv kämpfen dürft und das alles mit wunderschöner Musik untermalt und insgesamt gut inszeniert ist. Auch wenn man es kaum vermutet, haben wir uns schon lange nicht mehr so hineingezogen in eine Welt gefühlt wie Sommerlund.
Auch die zur Verfügung stehenden Entscheidungen bringen uns immer wieder zum Grübeln, denn teilweise bestimmen wir direkt das Schicksal der anderen Figuren, die wir zwar nie zu Gesicht bekommen haben, wir uns aber trotzdem durch die gut geschriebenen Texte ans Herz gewachsen sind. Einige der Figuren kehren auch wieder, während wir teilweise einige Abschnitte später die Konsequenzen unseres Handelns erfahren oder tragen müssen.
Neben der Buchseite mit dem Text, die hin und wieder auch sehr schön illustriert wurden, steht euch meistens die Seite mit der Weltkarte zur Verfügung. Hier entscheidet ihr, wo ihr als nächstes hingeht, um eure Geschichte fortzuschreiben, wobei ihr manchmal auch zwischen mehreren Orten entscheiden könnt, was wiederum über den Fortgang der Geschichte entscheidet. Wichtig ist auch: Ist der Ort sicher genug, könnt ihr meditieren, um eure Gesundheit, Kai-Energie und Ausdauer wieder zu regenerieren. Bloß nicht von Feinden überraschen lassen – Im Vorfeld der Meditation informiert euchJoe Dever’s Lone Wolf darüber, ob der Ort einigermaßen sicher ist.
… und Kämpfe
Kämpfe könnt ihr in Joe Dever’s Lone Wolf nicht vermeiden und zwischenzeitlich ist das Spiel auch sehr kampflastig, sodass ihr für eine Weile direkt in mehrere Kämpfe hintereinander gesteckt werdet.
Die Auseinandersetzungen in Joe Dever’s Lone Wolf sind eine ziemlich taktische Angelegenheit. In den rundenbasierten Kämpfen müsst ihr ständig die drei überlebenswichtigen Ressourcen Gesundheit, Kai-Kraft und Ausdauer im Auge behalten und zudem die Abklingzeiten der Fertigkeiten beachten, die wiederum entweder Kai-Kraft oder Ausdauer brauchen.
Mit allen Spielstilen sind vereint zum einen die Möglichkeit der Nah- und Fernangriffe mit euren Waffen und das „Sommerswerd“, die besonders mächtige Waffe des Einsamen Wolfs. Für viel Kai-Kraft könnt ihr mit ihr nach Aufladen der Fertigkeiten mächtig Schaden austeilen und schaltet maximal drei Fertigkeiten frei.
Je nach Spielstil unterschiedlich sind eure zur Verfügung stehenden Kai-Kräfte, die relativ vielfältig angelegt sind: So könnt ihr entweder einen tierischen Gefährten herbeirufen, euch die Kraft der Materie zu Nutze machen und (eventuell brennende!) Objekte auf Feinde schleudern, euch tarnen, um nicht so leicht getroffen zu werden und vieles mehr – Egal, was euch zur Verfügung steht, wichtig ist, den angemessenen Einsatz der Fertigkeiten abzuwägen. Spielerisch sind die Fertigkeiten übrigens relativ ähnlich, denn wenn sie einen aktiven Teil erfordern, dann immer in Form von QuickTime-Events – Auch davon solltet ihr also ein Fan sein, auch wenn sich diese hier sehr gut meistern lassen.
Auch wenn man relativ oft in Bedrängnis hinsichtlich Kai-Kraft und Ausdauer kommt, so sind die Kämpfe auf mittlerem Schwierigkeitsgrad in der Regel sehr gut zu meistern. Hin und wieder lauert zwischendurch ein besonders fieser Kampf, während manche Bosskämpfe beinahe zu einfach sind – Hier hätte man am Balancing noch etwas schrauben können. Wenn ihr eine besonders große Herausforderung wollt, könnt ihr auch den schwierigen Modus wählen, denn hier können Feinde auch dann angreifen, wenn ihr gerade eine Attacke übers Kreismenü wählt – Normalerweise wird das restliche Kampfgeschehen dann pausiert.
Viele Details, kleine Steuerungsärgernisse
Unter anderem dieses erwähnte Kreismenü ist es, das uns hin und wieder ärgert – Während man das Interface von Joe Dever’s Lone Wolf trotz einiger anfänglicher Verwirrung doch ganz gut durchschauen kann, so ärgern kleine Probleme bei der Eingabe mit dem Xbox One Controller. Im Kampf reagiert so manchmal das Menü nicht auf ausgewählte Attacken, sodass Einsamer Wolf einfach untätig bleibt. Des Weiteren stört beim Verkaufen von Items beim Händler, dass die Auswahl dann jedes Mal auf Items springt, die zurückgekauft werden können. Das sorgt für Verwirrung und dafür, dass man versehentlich etwas zurückkauft, was man gerade erst loswerden wollte.
Typische RPG-Elemente wie das Sammeln und Ausrüsten von Items dürfen in Joe Dever’s Lone Wolf natürlich nicht fehlen. Auch das Upgraden von Ausrüstung mittels gesammelter Materialien ist möglich und vor allem wichtig. Einiges der anfänglichen Ausrüstung bleibt euch bis zum Ende erhalten. Eure Charakterwerte dürft ihr nur indirekt selbst beeinflussen: Attribute wie Stärke werden nach Beenden eines Kapitels auf Basis eurer Entscheidungen ausgebaut, was erneut deren Gewicht beweist. Fertigkeiten können lediglich „gemeistert“ werden, sodass sie weniger Ausdauer bzw. Kai-Kraft verbrauchen.
Dass Joe Dever’s Lone Wolf von mobilen Plattformen kommt, sieht man ihm eingeschränkt an – Die Console Edition ist direkt mit der Remastered-Fassung verwandt, die für Steam erschienen ist. Einige Texturen sehen hin und wieder ziemlich mies aus, dafür überzeugen aber Maps und Figuren mit ihrer schönen Gestaltung, und an der Optik des digitalen Buches gibt es erst recht nichts auszusetzen. Erfreulich ist, dass die Umsetzung auf Xbox One ohne erkennbare technische Probleme erfolgt ist, sodass mit Rucklern oder Ähnlichem keine Probleme bestehen.
Wenn man alle vier Akte von Joe Dever’s Lone Wolf absolvieren möchte, ist man zehn bis 15 Stunden beschäftigt – Für den Preis von 14,99€ bekommt man also nicht nur ein detailverliebtes Abenteuer der etwas anderen Art geboten, sondern auch ein vom Umfang her sehr angemessenes. Und mit einem Durchgang hat man hier ja wirklich nicht alles gesehen.
Fazit: Spannendes Buch & atmosphärisches Spiel
Wer Joe Dever’s Lone Wolf: Console Edition genießen will, sollte etwas mit Büchern und Spielbüchern anfangen können. Für Lesemuffel ist dieses Spiel auf alle Fälle nichts. Doch wer sich darauf einlässt, bekommt nicht nur ein spannendes digitales Rollenspielbuch geboten, sondern auch tolle taktische Kämpfe. Joe Dever’s Lone Wolf illustriert sehr gelungen, was es heißt, dem Spieler die Wahl zu lassen, sodass man mit einem neuen Spieldurchgang tatsächlich seine eigene Geschichte schreibt, wobei sich die Entscheidungen nicht nur auf den Storyverlauf, sondern auch auf die Charakterentwicklung auswirken – So, wie das sein soll.
Joe Dever’s Lone Wolf überzeugt trotz der hohen Textlastigkeit mit einer detailverliebten und atmosphärischen Inszenierung, die nur durch kleinere Unzulänglichkeiten bei der Steuerung sowie das teilweise leicht unausgeglichene Balancing kleinere Abstriche erfährt. Ansonsten sind manche Abschnitte einen kleinen Tick zu kampflastig, zudem muss man Freund (relativ einfacher) QuickTime-Events sein. Joe Dever’s Lone Wolf hat uns vor allem durch die technisch solide Xbox One Umsetzung trotz dieser kleinen Abstriche wirklich begeistert und können euch das Abenteuer mit Einsamer Wolf nur empfehlen – Vor allem, weil es nicht viele Spiele wie dieses da draußen gibt.
Pro | Contra | ||
+ Herausragende Variante des digitalen Spielbuchs | – Kleine Unzulänglickeiten bei der Steuerung (Kampfmenüs, Waren verkaufen) | ||
+ Spannende Geschichte | – Kleine Balancing-Probleme | ||
+ Atmosphärische Inszenierung | – Texturen für aktuelle Verhältnisse stellenweise schwach | ||
+ Große Bedeutung von Spielerentscheidungen | – Wenig Unterschied zwischen den drei Primärwaffen | ||
+ Jeder Durchgang tatsächlich eine eigene Geschichte | |||
+ Gelungene Musikuntermalung | |||
+ Taktisch anspruchsvolle Kämpfe | |||
+ Hübsche Kampfarenen |
- Grafik: 76
- Sound: 89
- Umfang: 88
- Gameplay: 90
- KI: 90
Spielspaß: 92
Singleplayer:
- Story: Eine tolle und atmosphärisch geschriebene Geschichte rund um Einsamer Wolf, den letzten Überlebenden der Kai-Lords. Eine Geschichte, die teilweise auch selbst geschrieben werden darf und dadurch erst recht in ihren Bann zieht.
- Frustfaktor: Sehr gering, nur teilweise durch kleine Balancing-Probleme vorhanden.
- Wiederspielwert: Sehr groß, auch für mehrfache Durchgänge, da man beim ersten Mal unmöglich alles sieht und sich das Spielerlebnis auch durch die anfangs gewählten Fertigkeiten beträchtlich wandelt.
- Musik: Die Musikuntermalung ist sehr gut gelungen und atmosphärisch.
Informationen zum Testgerät
Plattform: Xbox One
Edition: Standard (500GB), ohne ausgetauschte Hardware
Hardware: Titel installiert auf interne Festplatte
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 5 Monate
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