Warner Bros. und TT Games bescheren uns in der Regel ein LEGO-Spiel pro Jahr, das auf einer ganz bestimmten Lizenz basiert. Gleich zu Beginn des Jahres 2016 schickten die beiden Unternehmen ihre Spieler wieder einmal als Figuren aus dem Marvel-Universum ins Rennen, doch man bezog sich nicht auf irgendwelche Figuren aus dem Marvel-Universum, sondern selbstverständlich auf die mächtigen Avengers. LEGO Marvel’s Avengers lässt uns die Schlacht um New York und einige spannende Orte aufsuchen, doch ob sich der Ausflug in das Marvel-Universum dieses Mal lohnt, verraten wir euch in unserem Test zur PlayStation 4 Version von LEGO Marvel’s Avengers.
Aller Anfang ist schwer…
Die LEGO Videospiele sind in der Regel selten für ihr gutes Storytelling bekannt, immerhin kommen Humor und Gameplay hier eher an erster Stelle, doch mit LEGO Marvel’s Avengers schießen Warner Bros. und TT Games tatsächlich den Vogel ab. Der Einstieg ist nämlich mehr als nur verwirrend: Wir befinden uns anscheinend mitten in einer Schlacht, was nicht weiter tragisch ist, doch hat man für diese Schlacht mal eben das Tutorial mehr oder weniger außer Acht gelassen, während die Spieler selbst alle fünf Minuten in die Rolle von einer anderen Superheldenfigur schlüpfen muss. Der Einstieg ist wenig motivierend oder anstachelnd, überhaupt weiter zu spielen und so mussten auch wir nach dem ersten Level erst einmal eine Pause einlegen und uns fragen: „Was haben wir hier eigentlich vor uns?“
Nach einer Verschnaufpause haben wir uns dann erneut an den Titel gewagt, und immerhin wurde es etwas besser: Nach dem ersten Level gibt es dann sogar so etwas wie ein Tutorial, das immerhin die für die LEGO Spiele wichtigen Knöpfe noch einmal kurz erklärt, aber so richtig warm wurden wir erst ab ungefähr der Hälfte des ersten Parts. Die Geschichte wird nämlich verdammt verwirrend erzählt, sodass wir keine Ahnung hatten, warum wir bestimmte Dinge tun mussten, doch dazu später etwas mehr. Als wir erst einmal geschnallt haben, dass wir doch nicht nur sinnlos irgendwelche Aliens – oder Lokis Gefolgschaft, wenn wir mal genau bleiben wollen – abschlachten und uns wie in einem Ableger von LEGO Call of Duty fühlen, wussten wir, dass wir uns direkt in der Schlacht um New York befanden.
Doch bis dahin ging es um irgendwelche Schlachten, irgendwelche Zepter und irgendwelche anderen seltsamen Wesen, zu denen man dieses Mal wirklich kaum einen Bezug bekommt, wenn man nicht wirklich mitten im Stoff ist. Doch auch wenn wir fester im Marvel-Stoff gewesen wären: Viele Quests innerhalb der Level sind sehr seltsam und so merkwürdig, dass wir oft wirklich nur mehr oder weniger durch Zufall herausgefunden haben, was wir eigentlich machen sollten. Da verfügen die Figuren schon über sehr gut gewählte Synchronsprecher und sind dennoch nicht so wirklich in der Lage, dem Spieler zu vermitteln, was er machen soll. Das ist schon sehr traurig und schade. Man fragt sich wirklich, wie man trotz cooler Zwischensequenzen und guter Synchro so schlecht eine Geschichte erzählen kann.
Doch nicht alles an der Story ist schlecht, denn es gibt auch Dinge, die wirklich gut gelungen sind. So ist der bekannte Humor der LEGO Spiele selbstverständlich vorhanden, sodass es doch einmal ganz lustig werden kann, auch wenn man keine Ahnung hat, wer die Figuren auf dem Bildschirm sind und was sie da eigentlich tun. Immerhin dies ist geglückt. Ebenso wie die Openworld-Level, aber über die Levelpolitik sprechen wir gleich direkt im nächsten Abschnitt.
Storylevel, Zwischenlevel und die ganz große Welt
Bisher war es in der Regel so, dass sich die LEGO Spiele in sogenannte Storylevel, in denen die Geschichte im Vordergrund stand und die im Grunde abgeschlossene Kapitel waren, und „Zwischenlevel“ unterteilt, die bisher zumeist in mehr oder weniger offenen Welten spielten. Neben der Story unterschieden sich die beiden Levelarten auch immer darin, dass man in den Storyleveln Studs sammeln konnte, um beispielsweise den Rang „Wahrer Avenger“ zu erhalten, während die Zwischenlevel so etwas nicht aufwiesen. In diesen Leveln konnte man dafür beispielsweise goldene LEGO Steine sammeln.
Nun packt man zwischen diese Levelarten auch noch eine dritte Art, die in einer großen Openworld angesiedelt sind. Hierbei erkunden wir beispielsweise New York oder Asgard, was an sich genommen ziemlich cool ist. Es gibt dort so vieles zu tun, dass man allein in diesen Welten viele Stunden verbringen kann. Dort erwarten einen beispielsweise Quests, Rätsel oder auch Autorennen, es gibt also wirklich viel zu tun. Schade ist jedoch, dass diese Welten, diese Level so gar nicht in den Verlauf der Geschichte passen, sondern wie reingesetzt wirken. Es wäre sinnvoller gewesen, wenn diese Welten erst nach dem Ende der Story zur Verfügung stehen würde, sodass man sich zunächst ganz auf den Verlauf der Story und deren Zusammenhang konzentrieren kann, bevor man sich einer offenen Welt widmet.
In den meisten Fällen wirken die Level ohnehin sehr zusammenhangslos und aneinandergereiht. Erst wenn man ein bisschen weiter in der Story fortgeschritten ist, bekommen viele Storylevel einen Sinn, die Zwischenlevel und die Openworldlevel bleiben leider weiterhin irgendwie undurchdacht und merkwürdig.
Retten wir gemeinsam die Welt
Da ist es doch gut, dass man sich das nicht alleine antun muss! Wie für LEGO Spiele üblich, verfügt auch LEGO Marvel’s Avengers natürlich über einen Koop-Modus, der ab der ersten Spielminute zur Verfügung steht. Wer die TT Games LEGO Spiele von Anfang an verfolgt und gespielt hat, weiß, dass es da, zum Beispiel in LEGO Indiana Jones und LEGO Harry Potter auch viele Rätsel gab, wo man zusammenarbeiten musste. Bisweilen war es urkomisch bis nervig, das Ganze mit der KI zusammenzuspielen, die zur Not bestimmte Dinge automatisch erledigte.
Was wir in LEGO Jurassic World schon ankreiden mussten, wird in LEGO Marvel’s Avengers nun auf die Spitze getrieben: Ja, es gibt durchaus Momente, wo so etwas wie Zusammenarbeit nötig ist, doch leider überwiegen (!) die Augenblicke, in denen man meint, sich eher im Weg zu stehen denn sich zu helfen! Dass die Möglichkeit, zwischen den verfügbaren Figuren zu wechseln, künstlich beschränkt wird, damit jeder mal zum Zuge kommt, ist irgendwo noch verständlich, wenn auch eher nervig, aber viel zu oft gibt es in den engen und unübersichtlichen Arealen diese Augenblicke, wo man sich schlichtweg nur über die eigenen Füße stolpert und es keine sinnvollen Aufgaben für Zwei gibt.
Ebenfalls nervig: Teilweise wird einer der Koop-Partner gnadenlos mit einer sterbenslangweiligen Wartephase abgespeist: Dann muss er irgendwelche Pseudo-Aufgaben erledigen wie beispielsweise eine nicht enden wollende Anzahl an Flugobjekten aus der Luft schießen, während der andere Spieler die eigentliche Aufgabe erledigt. Da fragt man sich stellenweise, ob man LEGO Marvel’s Avengers nicht gleich als Einzelspieler-Titel hätte konzipieren sollen. Die wenigen Momente, die wirklich Spaß machen, können nur ansatzweise entschädigen. Einen Vorteil hat der Koop-Modus aber allemal: Man kann sich wunderbar über die technischen Macken aufregen – oder sich lustig machen!
Wir stehen hier…
Dass die LEGO Spiele aus dem Hause TT Games technisch keine Wunderwerke sind und vor allem mit vielen Glitches aufwarten, ist unter Fans der Reihe längst schon kein Geheimnis mehr. Was sollen wir sagen: Für uns machte LEGO Marvel’s Avengers eine besonders schlechte Figur, durch die inhaltlichen Schwächen und technische Macken befindet sich der Titel quasi in einem Teufelskreis, im wahrsten Sinne des Wortes.
Für LEGO Marvel’s Avengers gilt: Viele coole Elemente bringen nichts, wenn sie nicht richtig miteinander verknüpft sind und für sich genommen nicht einmal richtig funktionieren. Und so ist es leider oft: Manche Gameplayelemente funktionieren gar nicht, auf Tasteneingaben wird nicht reagiert, bestimmte Dinge funktionieren jedes Mal ein bisschen anders, bei QuickTime Events ist es gar häufig egal, ob wir eine falsche oder überhaupt eine Taste drücken, die Figur tut schon, was sie tun soll! Da fragt man sich, wo denn die Playtester abgeblieben sind.
Immerhin: Bugs, die uns am Weiterspielen hinderten, sind uns in LEGO Marvel’s Avengers nicht untergekommen, auch wenn man teilweise etwas erfinderisch sein muss, wie zum Beispiel dann, wenn man sich in einem der Level selbst in einem Container gefangen nimmt und sich nur mit fliegenden Figuren wieder befreien kann. Eine ganz neue Macke hat LEGO Marvel’s Avengers jetzt auch: Beim Beginn eines neuen Levels stehen die Figuren teils noch sekundenlang nicht steuerbar herum, weil das Spiel im Hintergrund noch Dinge lädt. Irgendwann geht’s dann endlich los, aber in der Zwischenzeit, während die Spielfiguren schon ihre „Ich hab nichts zu tun“-Posen ausführen, denken wir uns: Wir stehen hier…
Und wenn man sich dann doch einmal wieder bewegen kann, so bleiben einem oft zwei Aktionstasten zur Verfügung. Mit Viereck kämpft man im Grunde und mit Kreis macht man die ganzen anderen Aktionen, wie beispielsweise die Figur unsichtbar machen. Da kann es schon einmal vorkommen, dass verschiedene Dinge parallel ablaufen: Man drückt Kreis, weil man eigentlich einen Mechanismus in Bewegung setzen möchte und prompt ist man unsichtbar, der Mechanismus hat aber nicht ausgelöst. Oft liegen einfach viel zu viele Dinge auf Kreis, sodass man ziemlich schnell in einen nervigen Wahn getrieben wird und dann in eben jenem beschrieben TeufelsKREIS steckt.
Fazit: Überlassen wir die Weltrettung den Avengers…
… denn wir möchten wirklich nicht an der „Weltrettung“ beteiligt sein. Zu vieles in LEGO Marvel’s Avengers ist leider unrund: Der Einstieg ist zu verwirrend, helfende Tutorials kommen erst zu spät, zu oft fühlt man sich wie in LEGO Call of Duty, zu oft fragt man sich, was die eigentliche Aufgabe ist. Die Geschichte wirkt an vielen Stellen zusammenhangslos, die Levelpolitik wirkt nicht ausgereift. Nicht einmal die Steuerung kann irgendwas reißen, weil diese an vielen Stellen zu bockig ist, um wirklich sinnvoll und nützlich zu sein. Sehr schade, dass man die Möglichkeiten nicht nutzt, die man eigentlich zur Verfügung hätte. Gekrönt wird das Ganze zudem durch seltsame Zwischensequenzen, die keinen Zusammenhang bieten und der fraglichen Coop-Variante. Wozu braucht man einen zweiten Spieler, der doch ohnehin bloß nutzlos wurde?
Doch Halt, nicht alles an LEGO Marvel’s Avengers ist schlecht. Zwar kreideten wir im Test die Levelpolitik an, doch müssen wir auch zugeben, dass die unpassenden und deplatzierten Openworldlevel an sich genau das ausmachen, was wir uns vom Spiel erwartet hätten: Sie machen Spaß und bieten sehr viel Abwechslung, ohne dass man sich mit der wirklich seltsamen Steuerung herumschlagen muss. Neben diesen können wir noch die sehr gute deutsche Synchronisation mit vielen bekannten Stimmen in den Vordergrund heben und auch die Grafik kann sich in den meisten Fällen sehen lassen, da nur geringes Tearing und wenige Framerateeinbrüche vorhanden waren.
Pro | Contra | ||
+ Openworldlevel sind motivierend | – Levelstruktur sehr unübersichtlich | ||
+ Gelungene deutsche Synchronisation | – Aufgaben und Quests nicht immer klar | ||
+ Guter grafischer Stil | – Steuerung stellenweise sehr bockig | ||
+ Gelungener Soundtrack | – Coop fast schon nutzlos | ||
+ Leveldesign ist cool | – Story trotz Synchro und Zwischensequenzen zusammenhangslos | ||
– Einstieg ins Spiel sehr befremdlich | |||
– Leichte Tonaussetzer, seltene Framerateeinbrüche, geringes Tearing, sporadische Clippingfehler |
- Grafik: 73
- Sound: 80
- Umfang: 84
- Gameplay: 38
- KI: 35
Spielspaß: 53
- Story: LEGO Marvel’s Avengers erzählt einige Geschichten aus dem Leben der Avengers, beginnend mit der Schlacht um New York. Das Spiel entführt uns auch nach New York Südafrika und Asgard, wo wir uns in einer Openworld wieder finden.
- Frustfaktor: Dank verstörender Technik und Steuerung, steigt der Frustfaktor an bestimmten Situationen ins Unermessliche, vor allem dann, wenn die Figuren einfach keine Lust haben, das zu tun, was sie eigentlich tun sollen/müssen.
- Wiederspielwert: Wenn man es unbedingt auf Platin anlegt…
- Design/Stil: Klötzchen und Minifiguren, wie man es von LEGO Spielen kennt.
- Musik: Der Soundtrack ist ziemlich gut gelungen, die Synchronisation ist gut, gelegentlich kommt es zu kleineren Tonaussetzern.
Information: Vielen Dank an Warner Brothers für die Bereitstellung des Musters.