Sniper: Ghost Warrior 3 (Xbox One) im Test – Ein großer Schritt nach vorne, aber…

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Mit Sniper: Ghost Warrior macht sich CI Games bereits 2010 bereit, das Image von Budget-Spielen hinter sich zu lassen. Die Wertungen waren zwar eher durchwachsen, aber zumindest optisch konnte der Titel einen Eindruck hinterlassen und mit einer Sniper-Simulation schlägt man auch in ein Genre, dass es nicht allzu häufig gibt. Nach mehreren Verschiebungen ist nunmehr Sniper: Ghost Warrior 3 erschienen. Und dieser Titel macht deutlich: Genauso, wie City Interactive zuvor seine Vergangenheit abhängen wollte, möchte dieses Spiel seine Vorgänger in allen Belangen übertrumpfen.


Open World statt Linearität

Schon von der Grundstruktur her hat sich Sniper: Ghost Warrior 3 deutlich weiterentwickelt: Anstatt abgetrennter Missionen in verschiedenen Umgebungen, setzt City Interactive diesmal auf frei begehbare Spielwelten – Drei relativ große Maps bekommt man im Spielverlauf zu sehen, auf denen sich dann jeweils die Missionen auslösen lassen. Da Sniper: Ghost Warrior 3 mit der Cry Engine entwickelt wurde, ist optisch zunächst einmal natürlich kein prinzipiell schlechtes Bild zu erwarten, während das Spiel optisch aber durchaus starke Erinnerungen an andere Titel mit der Engine weckt.

CI Games wirft in die Zutatenliste, was sonst noch gut klingt: Selbstverständlich gibt es mehrere Herangehensweisen in allen Missionen, Rohstoffe und Handelswaren können gesammelt werden, um Gegenstände nicht nur zu kaufen, sondern auch selbst herzustellen, ein Fahrzeug gibt es zur Fortbewegung. Darüber hinaus gehört es zu einer jeden Open-World natürlich dazu, dass es Nebenaktivitäten gibt. Die Entwickler haben es in Sniper: Ghost Warrior 3 zwar mit dem Zupflastern der Spielwelt nicht übertrieben, allerdings gibt es mit einer gewissen Regelmäßigkeit dennoch Nebenaktivitäten zu bestreiten, die in manchen Fällen Abwandlungen der Hauptmissionen darstellen, in vielen Fällen, Gefangene zu befreien.

Es ist erkennbar, dass Sniper: Ghost Warrior 3 bei den ganz Großen mitspielen möchte. Zunächst klappt das auch wirklich ganz gut, das Spiel hatte mich tatsächlich eingefangen – Abgesehen davon, dass hinsichtlich der Bugs ungefähr die gleiche Häufigkeit von Fehlern aufgetreten ist, die ich bereits aus den Vorgängern kannte. Schon im Prolog habe ich es geschafft, ein Skript zu zerstören, weswegen ein NPC, den ich verhören sollte, einfach einfror. Positiv: Die anderen Skripts liefen einfach weiter, und obwohl die Aufgabe „NPC verhören“ bis zum Ende nicht erledigt war, konnte ich das Tutorial ohne Neustart abschließen. Dennoch hat Sniper: Ghost Warrior 3 definitiv den Rekord gebrochen, wie oft ich ein Spiel in der ersten Stunde kaputt gemacht habe – Plötzlich hing meine Figur verrenkt an einem Türrahmen, weil irgendein Teil des Spiels beschlossen hat, dass diese Tür ein magischer Anzugspunkt sein muss und meine Figur versuchte, dort zu klettern… und und und. Recht lustig.

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In der offenen Spielwelt gibt es durchaus hübsche Dinge zu sehen.

Ein Kabinett der Belanglosigkeiten

Im Großen und Ganzen waren die Bugs noch recht witzig, es waren keine Gamebreaker dabei, und grundsätzlich: Sniper: Ghost Warrior 3 macht zunächst einmal eine ordentliche Figur. Doch mit genauerer Betrachtung wird immer deutlicher, dass CI Games zwar einen riesigen Schritt nach vorne gemacht hat, doch dass das einfach nicht reicht, um eine gute Gesamtperformance abzuliefern. Das Herzstück von Sniper: Ghost Warrior 3 ist noch immer das eigentliche Auflauern auf die Gegner und das Beseitigen derselben. Und das funktioniert auch wirklich gut, wird aber noch immer von den gleiche KI-Schwächen geplagt, wie die Vorgänger. Da kommt es schon mal vor, dass Gegner in eine völlig falsche Richtung rennen oder sich geradewegs in unsere Schusslinie begeben. Dennoch sind die Gegner wirklich anspruchsvoll und nicht unterschätzen – Direkte Auseinandersetzungen mit den Gegnern sind meistens kaum schaffbar, zumal Munition vor allem am Anfang ohne Magazin-Upgrades auch kein sooo reichliches Gut sind.

Für die Drohne als Ergänzung zum Sniper-Lineup bin ich CI Games wirklich dankbar. Gleichwohl macht die Drohne das Auskundschaften der Umgebungen natürlich sehr, sehr einfach, was Hardcore-Spielern das Spielerlebnis verweichlichen könnte. Aber die können ja einfach auf die Drohne verzichten und sie nur in Notfällen einsetzen, oder dann, wen man sie braucht. Mit Zusatzmodulen für die Drohne kann man nämlich zum Beispiel Überwachungskameras oder die Stromversorgung hacken – Cool.

Das Problem an Sniper: Ghost Warrior 3 ist, dass die Entwickler versucht haben, so viel um diesen einstigen Kern der Reihe herumzubauen, aber nichts davon einen wirklichen Sinn, geschweige denn Tiefgang hat. Die Nebenaktivitäten sind nett, aber es hat keine erkennbaren Auswirkungen, ob man sie erledigt oder nicht. Sie sind eben da, um die Spielwelt, in der sich immer mehr Matschiges offenbart, wenigstens mit irgendeinem Leben zu erfüllen. Wenigstens gibt es wilde Tiere, einen Tag- und Nachtwechsel und Wettereffekte, aber die Spielwelt schafft es trotzdem nicht, mich in ihren Bann zu ziehen. Trotz ihrer hübschen Panoramen, wobei sie bei Weitem nicht an theHunter: Call of the Wild heranreichen kann (zu unserem Test).

Ach ja… Und dann gibt es auch eine Story. Die habe ich aber wirklich schnell ausgeblendet. Die Missionsanweisungen an sich sind noch ziemlich brauchbar und auch gut umgesetzt, mit aber größtenteils ziemlich egal gewesen. Schlimmer und größtenteils peinlich ist der Versuch in Sniper: Ghost Warrior 3, eine persönliche Geschichte rund um den Protagonisten und seinen verschollenen Bruder zu etablieren. Die Zwischensequenzen dazu sind qualitativ bestenfalls mäßig, die Synchronisierung ebenfalls, der Inhalt der Gespräche, vor allem wenn weibliche Figuren auftauchen, wirklich peinlich. Denn da geht es größtenteils um verflossene Liebschaften und merkwürdige Themen… Den Versuch, ein persönliches Schicksal in Sniper: Ghost Warrior 3 darzustellen, wie es die Konkurrenz auch seit einigen Jahren tut, hätte CI Games lieber noch eine Weile zurückstellen sollen.

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Zivilistenbefreiungen gibt es wirklich oft.

Lineare Freischaltungen

Eine Weiterentwicklung hätte ich von Sniper: Ghost Warrior 3 im Bereich der Charakterentwicklung erwartet – Denn in einer offenen Spielwelt ist es doch auch möglich, Ausrüstung und Waffen zu finden, oder? Falsch gedacht. Zwar lassen Gegner durchaus ihre Waffen fallen, doch viel mehr als die x-te AK-47 ist da nicht zu holen. Immerhin kann man die Waffen zerlegen, um neue Bausteine für die Herstellung zu bekommen.

Dort ist aber alles gescriptet – Nach jeder Mission schaltet man neue Dinge frei, die man herstellen kann. Somit gibt es keine Überraschungen und kein Gefühl, ausrüstungsmäßig vorab etwas erreicht zu haben. Und so verkommt das prinzipiell coole Herstellungs-Feature zu einem fixen Überprüfen aller Vorräte und Vergleichen der Werte neuer mit alter Ausrüstung im Unterschlupf zwischen den Missionen. Ich hätte mir irgendwie mehr erwartet – Keine Lootparty à la Hack & Slash, aber wenigstens ein bisschen Freude beim Herstellen neuer Ausrüstung, wo es doch auch recht viele verschiedenen Waffen und Modifikationen wie Schalldämpfer, Magazine oder Visiere gibt.

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Freischalten kann man zum Beispiel ein Hack-Modul für die Drohne

Snipern als Königsdisziplin

Das Herzstück des Spieles bleibt somit das Erledigen der Gegner mit einem Snipergewehr aus der Ferne, und hier macht das Spiel auch wirklich keine Fehler. Je nach Schwierigkeitsgrad ist Sniper: Ghost Warrior 3 auch wirklich für anspruchsvolle Spieler etwas, denn dann muss man Dinge wie den Wind nämlich selbst berücksichtigen.

In Sniper: Ghost Warrior 3 ist es sogar eure Aufgabe, die Entfernung des Ziels selbst am Zielfernrohr einzustellen, um möglichst präzise zu schießen. Um noch genauer zu sein, könnt ihr auch die Luft anhalten, um die Bewegung des Fadenkreuzes auf ein Minimum zu reduzieren. Hier plagt ein Fehler das Spiel, denn immer wieder werden einem Erfahrungspunkte für das Schießen ohne Luftanhalten angerechnet, obwohl man dieses durchaus genutzt hat. Ansonsten gibt es natürlich praktische Komfortfunktionen wie das Markieren der Gegner – Entweder direkt über den Blick durch das Zielfernrohr, oder aber durch den Einsatz der erwähnten Drohne.

Gerade im späteren Spielverlauf lohnt es sich dann, Geräte zur Ablenkung einzusetzen, denn wenn Gegner nahe beieinanderstehen, werden sie natürlich auf Tode umstehender Kollegen aufmerksam. Wobei Sniper: Ghost Warrior 3 trotzdem manchmal viel durchgehen lässt und die KI einige eurer Aktionen einfach ignoriert. In der größten Not kann man auch zu einem Gewehr oder der Pistole wechseln und in den Nahkampf übergehen, wobei sich Sniper: Ghost Warrior 3 dann nicht mehr ganz so elegant spielt und wie gesagt auch ziemlich schwer ist – Trotzdem geht es.

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theHunter… ach nee, falsches Spiel!
Frustgefahr durch Ärgernisse

So richtig viel Spaß wollte in Sniper: Ghost Warrior 3 trotzdem nicht aufkommen – Auch deshalb, weil das Spiel ziemlich frustrierend sein kann. Dabei bedeuten die Macken des Spieles nicht immer Frust: Einmal ist es passiert, dass ich einfach nur mit meiner Drohne das Gebiet ausgekundschaftet habe, plötzlich meine Figur aber den erfolgreichen Abschuss des Zieles meldete – Angeblich auch noch mit einem Kopfschuss und 100% Präzision, wie die Missionsauswertung im Anschluss zeigte. Die Mission also mit einem einzigen Schuss abgeschlossen, ohne überhaupt das Ziel gefunden zu haben. Das ist doch auch was, oder?

Solche Fehler gibt es öfter, aber eben auch so, dass sie euch das Leben kosten. Manchmal bleibt man an Objekten wie einem Türrahmen hängen und ist den Gegnern schutzlos ausgeliefert, mal stirbt man einfach nur aus eigenem Übermut – In beiden Fällen krankt Sniper: Ghost Warrior 3an den recht langen Ladezeiten. Zwar dauert es nie wieder so lange wie beim drei- bis fünfminütigen Erstladen (!) des Spieles, aber trotzdem wartet man teils sehr lange, um weitermachen zu können.

Ärgerlich in diesem Zusammenhang: Rücksetzpunkte in Sniper: Ghost Warrior 3 sind kein bisschen verlässlich. Manchmal passiert es, dass man an einem gänzlich anderen Schnellreisepunkt in der Spielwelt wieder herausgesetzt wird. Dann kann zwar diesen gleich nutzen, um wieder zurückzureisen, aber vor allem bei Nebenaktivitäten ist das wirklich frustrierend. Auch Kontrollpunkte während Missionen sind häufig nicht ganz nachvollziehbar. Am besten bekommt man es also hin, das Speichersymbol im Auge zu behalten, um festzuhalten, wann das Spiel den letzten Spielstand erstellt hat.

Technisch zeichnet Sniper: Ghost Warrior 3 auf Dauer ein durchwachsenes Bild. Viele Panoramen und Effekte in der Spielwelt sind zwar wirklich hübsch, aber nicht nur zeigen sich und mehr matschige Texturen, sondern Bereiche in der Spielwelt, die offenbar nicht unbedingt zur Erkundung gedacht sind, sind sehr, sehr detailarm geraten und wirken, als wären den Entwicklern Zeit und/oder Lust ausgegangen. Sehr schade. Immerhin ist die Performance durchgehend flüssig.

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Der Ladebildschirm… Da ziehen schon mal drei, vier Minuten ins Land.

Fazit: Ein großer Schritt nach vorn ist nicht genug

Sniper: Ghost Warrior 3 ist auf dem Papier ein großer Schritt nach vorne: Mehr Features, offene Spielwelten, mehr Dynamik… und so weiter. Doch CI Games hat es nicht geschafft, aus allen Bestandteilen ein Gesamtpaket zu schaffen, dass fesseln und begeistern kann. Die Open-World ist zwar nicht überladen mit Aktivitäten, aber trotzdem wirken diese beliebig und belanglos – So wie viele andere Teile des Spieles. Der Versuch, eine persönliche Geschichte rund um den Protagonisten einzubauen, ging in Sniper: Ghost Warrior 3 durch die schlechte Qualität von Cutscenes und Writing ziemlich stark nach hinten los. Das gut funktionierend Herzstück des Spieles bleibt in Sniper: Ghost Warrior 3 ein weiteres Mal das Verfolgen und Erledigen der Gegner aus der Ferne. Das macht Spaß und ist mechanisch einwandfrei, wird aber nicht nur durch das sinnlose Drumherum, sondern auch technische Schwächen, KI-Macken und frustrierende Momente ausgebremst, wie zum Beispiel die manchmal absurden Rücksetzpunkte. Sniper: Ghost Warrior 3 hat seine lichten Momente, schafft es aber auch nicht wirklich aus der Mittelmäßigkeit heraus.

Pro Contra
+ Zentrale Spielmechanik (Snipern) einwandfrei – Zahlreiche Elemente belanglos (Nebenaktivitäten, Spielwelt, Story…)
+ Punktuell sehr hübsche Spielwelt – KI-Bugs und unzuverlässige Rücksetzpunkte
+ Mehrere Herangehensweisen – Spielwelt zieht nicht in den Bann
+ Drohne – Matschige Texturen und einige karge Umgebungen
+ Viele Waffen und Modifikationen – Freischaltungen de facto nur komplett linear
– Synchronisierung und Cutscene-Qualität mäßig

Technik: 62

  • Grafik: 71
  • Sound: 57
  • Umfang: 80
  • Gameplay: 57
  • KI: 44

Spielspaß: 62

Einzelspieler

  • Story: Bei der Konzentration auf die Missionsbeschreibungen passt alles, aber der Versuch, eine persönliche Geschichte des Protagonisten zu entwerfen, ging nach hinten los.
  • Wiederspielwert: Vorhanden. Der Umfang passt, es stehen Erweiterungen sowie ein Multiplayer im Herbst ins Haus. Außerdem gibt es mehrere Schwierigkeitsgrade, die das Spiel sehr anspruchsvoll machen.
  • Design/Stil: Grundsätzlich gelungen, auch wenn kein wirklich bleibender Eindruck hinterlassen wird.
  • Musik/Sound: Außer der mäßigen Synchro bleibt nicht viel in Erinnerung. Doch: Das Lied im Hauptmenü ist cool!

Wir bedanken uns bei Koch Media für das Pressemuster zu Sniper Ghost Warrior 3!

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Manuel Eichhorn
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