Ready at Dawns The Order 1886 ließ eine ganze Weile auf sich warten, dabei schaute die Gamingwelt gespannt auf das Konsolendebüt der Daxter– und God of War: Chains of Olympus Entwickler. Die letzten Tage und Wochen häuften sich dann die Gerüchte, der Titel sei zu kurz und/oder zu altbacken. Doch nun konnten wir selbst einen Blick auf The Order 1886 werfen und berichten euch in unserem Test, was wir im Viktorianischen Steampunk-London erlebt haben.
Das Erwachen des Sir Galahad
Es dauert einige Minuten, bis man sich an den etwas verschwommenen Grafikstil von The Order 1886 gewöhnt hat: Zunächst wird alles etwas unscharf, schwer zu fassen. Gleichzeitig passt der Stil unheimlich gut zur Eröffnungssequenz, zu der wir nichts weiter verraten wollen (und dürfen), so wie auch zum Rest des Spieles.
In der Rolle von Sir Galahad, Mitglied des Ordens der Ritter rund um König Artus, streifen wir durch bekannte Schauplätze des Viktorianischen Londons, wie Whitechapel auf den Spuren der Ripper-Morde, U-Bahn-Stationen sowie natürlich ein Krankenhaus, das wir lieber nicht betreten würden: Halbblüter und Lykaner werden zu einer immer größeren Bedrohung in den Straßen Londons. Aber natürlich ist trotz oder gerade wegen der ohnehin schon mysteriösen Ereignisse kaum etwas so, wie es scheint.
Ein kinoreifes und kompaktes Erlebnis
Wir wollen und können inhaltlich nicht mehr zu Geschichte von The Order 1886 verraten, bewerten können wir sie aber sehr wohl: Wir haben selten in der letzten Zeit eine solch fesselnde und dichte Geschichte gespielt, die vor allem von den äußerst gelungenen Figuren und dem tollen Setting lebt: Die Figuren sind stimmig und eindrucksvoll und verfolgen erkenn- und nachvollziehbar ihre eigenen Ziele. Dazu trägt auch die sehr gute deutsche Synchronisierung bei, die mit kleineren Abmischungsproblemen daherkommt.
Obwohl das Viktorianische London in The Order 1886 nicht frei begehbar ist, so ist die Umsetzung dennoch überaus gelungen und die Schauplätze eindrucksvoll. Schauplätze, Figuren und Musikuntermalung ergeben insbesondere in den Filmsequenzen eine herausragende Mischung, die das Mitfühlen einfach macht.
Einen Teil zum fesselnden Gesamteindruck der Story trägt auch die Spielzeit bei: Wir haben für einen relativ gründlichen ersten Durchgang auf normalem Schwierigkeitsgrad gut sechs Stunden für The Order 1886 gebraucht: Diese Spielzeit ist für die Art von Spiel keineswegs zu kurz und The Order 1886 hinterlässt gerade durch seine Kürze einen bleibenden Eindruck, einigen Spielern könnte der Titel aber durch den Vollpreis und die relativ einfach zu verdienende Platin-Trophäe zu teuer erscheinen. Wir können dazu sagen, dass tatsächlich möglicherweise die Preispolitik, nicht aber das Spiel an sich zu kritisieren ist.
Der „technische Launchmoment“
Auch wenn The Order 1886 also nicht gerade das längste Spielerlebnis bietet, so entschädigt es mit einer Sache neben der überaus interessanten Geschichte ganz besonders: Einer umwerfenden Technik. The Order 1886 schaut schlichtweg sehr gut aus und sorgt an vielen Stellen für diese „Kinnlade runter“-Momente, die man sich bereits seit dem Launch der PS4 gewünscht hätte.
The Order 1886 läuft bis auf ganz wenige Ausnahmesituationen sehr flüssig und kommt noch dazu fast komplett ohne Kantenflimmern aus: Eine wahre Wohltat für Konsolenspieleraugen in der heutigen Zeit! Zum Teil liegt das sicherlich auch am bewusst verschwommenen Stil, der sich aber nicht als unnötige Designentscheidung, sondern wie schon erwähnt als ein weiterer Unterstützer der tollen Atmosphäre erweist.
Kleinere Stimmungskiller sind leichte KI-Mängel, insbesondere wenn wir mit einem Begleiter unterwegs sind: Dieser verschwendet ganz gerne mal auf Nimmerwiedersehen bis zur nächsten Zwischensequenz oder hilft uns in Kämpfen einfach nicht so richtig weiter. Das ist etwas schade und die entsprechenden Sequenzen hätten überarbeitet werden können. Die Gegner-KI befindet sich im Durchschnittskost-Bereich ohne große Überraschungen, etwas schwach fällt die KI der Wachen aus, die mit strengen Routen und Abläufen versehen wurden, sodass die Stealthpassagen kaum herausfordernd sind.
Eine Frage der Freiheit
The Order 1886 ist nicht nur technisch, sondern auch spielerisch auf ein sehr cineastisches Erlebnis ausgelegt. Die Konsequenzen: Es gibt wenig Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit, abgesehen von einigen Seitenpfaden, auf denen sich Sammelobjekte oder authentisch wirkende Zeitungen der Zeit verbergen. Darüber hinaus nimmt man in einigen Storykapiteln auch einen sehr passiven Part ein, nämlich wenn sie in erster Linie aus Zwischensequenzen bestehen.
Während The Order 1886 das Action-Adventure-Genre somit zwar nicht wirklich voranbringt, so fühlt sich das Gesamtspielerlebnis dennoch wie ein Abenteuer auf der “neuen” Konsolengeneration an: Alle Gameplayelemente spielen sich rund und fehlerfrei, was auch auf die Ballereinlagen zutrifft, die sich mit gelungenen Sprint-, Deckungs- und Zielmechaniken äußerst flüssig spielen. Schade, dass man es an ein paar Stellen mit einem schier nicht enden wollenden Gegnernachschub übertreiben musste, der auch nicht identifizierbaren Ecken strömt.
Wer übrigens Feind von QuickTime-Events ist, sollte sich an dieser Stelle vorwarnen lassen: The Order 1886 setzt doch recht häufig auf den Einsatz derselben, teilweise auch bei Bosskämpfen. Sonderlich anspruchsvoll sind diese aber auf mittlerem Schwierigkeitsgrad nicht und sie erfordern auch keine allzu hohe Reaktionsgeschwindigkeit, sind eher kleine interaktive Elemente in der Filmatmosphäre.
Gibt es noch mehr als das?
Wir haben das lineare Gameplay in The Order 1886 als insgesamt sehr passend empfunden, auch wenn natürlich insbesondere durch einige Pseudo-Rätsel der Verdacht bekräftigt wird, dass mit der Entwicklung dieses Titels, der wohl der Beginn einer neuen Reihe sein dürfte, eher in den Grundbaustein einer großartigen Technik investiert wurde als in ein vielfältiges Gameplay. Aber The Order 1886 ist ja nicht der erste Titel, der einen solchen Reihenbeginn darstellt.
Somit bleiben aber eben einige Elemente, bei denen The Order 1886 durchaus ein tieferes Erlebnis hätte bieten können. Doch was der Titel damit bewirkt, zeigt, dass The Order 1886 vermutlich genauso geworden ist, wie es hat werden müssen: Wer träumt nun nicht vom Nachfolger mit einer offenen Welt, mehr Entscheidungsfreiheit, mehr Aufgaben für Fraktionen in einer Spielwelt wie dieser?
Fazit: Kurz und knackig, hinterlässt einen bleibenden Eindruck
The Order 1886 hat uns gut sechs Stunden lang mit einer tollen Story, einem überaus gelungenen Setting und einer umwerfenden Technik überaus gut unterhalten. Nun motiviert es uns auch noch ein zweites Mal, um alle Objekte zu sammeln und Trophäen zu verdienen – Und dabei all die guten Dinge nochmal zu genießen.
Den einzigen Vorwurf, den wir The Order 1886 – oder besser der Veröffentlichungsstragie dahinter – wirklich machen können, ist der, dass der Titel näher am PS4-Launch hätte platziert werden müssen, um einen bleibenden Eindruck zum Beginn der Konsolengeneration zu hinterlassen. Als Vollpreistitel ist The Order 1886 gerade noch zum noch etwas müden Jahresauftakt richtig platziert, obwohl es das Spiel allemal verdient hat, möglichst viele Spieler zu beeindrucken. Zumal The Order 1886 eben nicht nur ein Grafikblender ist, da die Gameplaymechaniken zwar nicht revolutionär sind, wohl aber sehr rund umgesetzt wurden.
Pro | Contra | ||
+ Tolles Setting | – KI mit Macken (Begleiter) oder zu engen Routinen (Gegner) | ||
+ Fesselnde Geschichte mit echten Figuren | – Stellenweise zu wenig Freiheit | ||
+ Grafisch umwerfend gut | |||
+ Insgesamt runde Gameplayelemente | |||
+ Kurz und knackig | |||
+ Gute deutsche Synchronisierung… | – … mit kleineren Problemen bei der Abmischung |
- Grafik: 94
- Sound: 85
- Gameplay: 83
- Umfang: 82
- KI: 79
Spielspaß: 86
Einzelspieler:
- Story: Tolle Figuren, eine fesselnde Geschichte ohne allzu abgenutzte Muster, ein vielfältiges Setting: The Order 1886 besticht in diesem Bereich!
- Wiederspielwert: Sehr hoch, zumindest für 1-2 weitere Male: Fehlende Sammelobjekte und Trophäen motivieren dazu.
- Frustfaktor: In den 2,3 nervigen Ballereinlagen vorhanden, ansonsten gering.
- Design/Stil: Eine tolle Gestaltung vereint sich mit einer filmreifen Technik: Das Viktorianische London ist unglaublich hübsch und auch glaubwürdig, die Technik hat kaum Macken!
- Musik/Sound: Die Synchro ist gut, aber mit kleinen Abstrichen bei der Abmischung. Der Soundtrack ist stimmungsvoll und atmosphärisch, stellenweise ein wenig rar.
Informationen zum Testgerät
Plattform: PlayStation 4
Hardware: Standard, ohne ausgetauschte Hardware
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 3 Monate (PS4 Launchkonsole)
Information: The Order 1886 wurde uns als Pressemuster zur Verfügung gestellt.
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