Es ist nun fast fünf Jahre her, da ging die Kickstarter-Kampagne des Schweizer Studios Stray Fawn zu Ende und die große Entwicklung an einem ungewöhnlichen Aufbau-Spiel mit Survival-Charakter begann. Nach Early Access und vielen Feedbacks hat The Wandering Village den vollen Release erreicht und steht auf mehreren Plattformen zur Verfügung. Grund genug, einen Blick ins Spiel zu werfen und euch in meinem Spieltest zur Version für die Xbox Series S zu verraten, warum man sehr viel Zeit im Spiel verlieren kann und trotzdem jede Menge Spaß hat.
Das Leben auf dem Onbu
Ich habe The Wandering Village während der Entwicklung begleitet und zum Start in den Early Access auf der Xbox auch eine Vorschau geschrieben. Schon damals war ich begeistert, doch mit dem vollwertigen Release hat der Titel zusätzlich einen Story-Modus erhalten, sodass es sich für mich gleich nochmal gelohnt hat, hineinzuschauen.
Die Welt in The Wandering Village ist keine friedliche. Sie wurde zerstört, giftige Gase machen das Überleben auf der Erdoberfläche fast unmöglich. Mein Volk und ich sind ratlos, wir streifen durch die Gegend, hoffnungslos, bis wir an einer Klippe auf einen freundlichen Riesen stoßen. Ein sogenannter Onbu – eine Art sehr großer Dinosaurier mit viel Platz auf seinem Rücken – nimmt uns mit und wir gehen gemeinsam mit ihm eine Symbiose ein. Er bietet uns Schutz, wir füttern ihn und sorgen dafür, dass er nicht stirbt. Und dann beginnt unsere Reise durch verschiedene Biome mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen.
Das ist nicht immer einfach und manchmal bedarf es auch viel Forschungszeit, sodass wir für jedes Biom gut ausgestattet sind, während wir immer weiter auf der Suche nach einer ordentlichen Heimat sind. Durch den Story-Modus kommen einige spannende Aufgaben und Geschichten hinzu, die meiner Reise auch einen Sinn geben. Denn das hat mir ein wenig noch im Early Access gefehlt: Warum mach ich das alles hier? Gut, dass es nun eine Geschichte gibt, die mir ein Drumherum schenkt.
Dabei lerne ich auch, dass mein Volk und ich gar nicht die letzten Überlebenden sind, sondern dass es noch mehr da draußen gibt, die alle um ihr Überleben kämpfen, sodass wir alle ein wenig voneinander abhängig sind. Mal möchte jemand Brot haben, mal zeigt mir jemand, wie ich das Beste aus meinem Onbu herausholen kann. Die Aufgaben und Personen, die ich kennenlerne, sind dabei sehr vielfältig und abwechslungsreich und tragen sehr stark zur Weltbildung bei. Es war ein sehr guter Schachzug einen Story-Modus in The Wandering Village zu bauen. Chapeau, Stray Fawn.
Ein Tunnelspiel?
Gleich vorweg: Ich mage The Wandering Village. Sehr sogar, vielleicht sogar zu sehr. Wir hatten jetzt im Zuge der Testphase mehrere Male die Momente, dass Manu mit mir sprach und ich es überhaupt nicht wahrnahm. Und ich auch Tageszeitenwechsel kaum wahrgenommen habe, weil ich einfach so vertieft im Spiel war, dass ich schlichtweg nichts mehr um mich drumherum wahrgenommen habe. Ich war wie im Tunnel, und ich bin mir noch nicht sicher, ob das wirklich gut ist oder nicht. Fakt ist: Ich habe Spaß, möchte aber auch meine Umgebung nicht vollends außer Acht lassen.
The Wandering Village ist ein Aufbauspiel. Das bedeutet, dass du den Platz auf dem Rücken deines Onbus nutzen musst, um entsprechend Häuser, Küchen, Werkstätten und Ähnliches platzieren zu können, sodass alles gut funktioniert und du genügend Rohstoffe hast. Um dies zu tun, brauchst du zudem auch eine Forschungsstätte, um neue Technologien zu erforschen, um damit wiederum auch die Bedürfnisse deines Volkes sicherzustellen. Das ist übrigens manchmal auch gar nicht so einfach.
Da Forschungen relativ schnell gehen und ich auch in vierfacher Geschwindigkeit spiele, ist es jedes Mal wie ein Rausch, wenn ich etwas Neues erforsche und meinem Ziel etwas näherkomme. Dabei denke ich jedes Mal „Ach komm, nur noch die Forschung abwarten… Nur noch warten, bis ich genug Holzbretter habe… Nur noch warten, bis das Haus gebaut ist…“ Und dann ist es plötzlich 22 Uhr und ich habe nicht mitbekommen, wie die Zeit vergeht. Das motiviert mich ungemein und sorgt dafür, dass ich The Wandering Village eigentlich gar nicht ausschalten möchte. Zum Glück hab ich Manu, der mich immer mal wieder in die Realität zurückholt.
Die Gesellschaft und der Onbu
Auf meinem Onbu leben einige Menschen und je nachdem, wie lange du spielst, sind das auch mal schnell mehr als 100, die gefüttert, mit Obdach versehen und in Arbeit geschickt werden wollen, was nicht immer so einfach ist. Vor allem dann, wenn noch Bedürfnisse dazukommen – und da ist The Wandering Village leider ein bisschen da, wo mir auch andere Städtebausimulation ein Dorn im Auge sind. Auch die Menschen hier haben Bedürfnisse, das ist auch vollkommen in Ordnung und dürfen sie auch haben, jedoch möchte ich gerne wissen, wie ich die Bedürfnisse erfüllen kann. Ich gebe ihnen jede Menge Nahrung, stelle sicher, dass sie nicht mehr in Zelten schlafen – und erreiche irgendwann den Punkt, dass sie nur noch glücklich sind, wenn ich alle Tage einen Menschen an den Onbu verfüttere.
Ich würde gerne mehr wissen, wie ich mein Volk zufriedenstellen kann, damit sie nicht wütend das Dorf verlassen und vermutlich in den sicheren Tod ziehen. Ich möchte ihnen einen Ort bieten, an dem sie glücklich und zufrieden sein können, doch dazu muss ich wissen, was ihnen fehlt – und die entsprechenden Menüs im Spiel sind für mich nicht unbedingt aussagekräftig genug. Ich wüsste gerne, ähnlich wie in Die Völker 2 damals, dass ihnen zum Beispiel Beerentörtchen fehlen, aber das verrät mir das Spiel nicht. Das finde ich schade und frustriert mich auch ein kleines bisschen.
Ansonsten mag ich aber mein Volk: Es hat keine Arbeitszeiten und will keinen Urlaub, im Grunde soll ich nur die Grundbedürfnisse stillen – nur in bestimmten Intensitäten. Also an sich ist es schon pflegeleicht, nur möchte ich ihm doch mehr bieten, sodass es nicht sauer wird und rebelliert. Zum Glück hab ich ja noch meinen Onbu.
Dieser möchte ebenfalls regelmäßig mit Nahrung versorgt werden, denn auch für ihn gibt es nicht mehr so viel zu essen in dieser komischen Welt, die wir verbrochen haben. Zusätzlich ist auch die Luft für ihn nicht mehr so gut, weswegen ich ihn auch regelmäßig heilen muss. An sich leben Onbus auch gar nicht an der Oberfläche, sondern leben eigentlich unter der Erde – scheinbar lässt es sich dort auch nicht mehr so gut leben, allerdings kommen dort meine Rohstoffe her, denn zu Beginn ist Onbus Rücken voll mit Steinen und Bäumen.
Im Lauf der Geschichte lerne ich, dass ich auch nicht nett zum Onbu sein kann und so wird von mir verlangt, den Onbu-Bestrafer zu bauen und einzusetzen, wenn ich will, dass er auf mich hört. Ich kann auch sein Blut und seine Gallenflüssigkeit extrahieren, doch das möchte ich alles nicht. Wir sind schließlich eine Symbiose eingegangen und so wie er auf mich aufpasst, passe ich auch auf ihn auf. Der Onbu-Bestrafer gehört längt der Vergangenheit an. Gut jedoch, dass ich die meiste Zeit über die Wahl habe, wie ich mit meinem Onbu umgehe. So vertraut er mir auch viel eher und ich kann entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen.
Eine schöne und grausame Welt
The Wandering Village folgt einem sehr schönen Grafikstil, dessen Charaktere mich manchmal doch sehr an Studio Ghibli erinnern, was ich sehr charmant finde. Von der Art her ist das definitiv eine Geschichte, die auch von genau diesem Studio stammen könnte. Ich mag den Stil sehr, die Charaktere sind detailreich und auch die Welt selbst besticht mit all ihrer Grausamkeit. Da werden Geschichte erzählt, in dem nur Bilder gezeigt werden: Wir wandern an einem toten Onbu vorbei, laufen durch Ruinen und an giftigen Pilzen vorbei. Die Weltbildung ist wirklich sehr dicht und an jeder Ecke spürbar.
Was mir ebenfalls sehr gut gefällt, ist die musikalische Untermalung: Mal ist es mein Volk, das singt (zumindest klingt es so), mal sind es ruhige Klänge, mal wird es abenteuerlich. Ein wirklich schöner Soundtrack, der in der richtigen Situation die passenden Vibes vermittelt. Wirklich gut gewählt und sehr passend.
Nicht intuitiv finde ich jedoch die Steuerung auf der Xbox Series S. Besonders die Menüs im oberen Bereich des Bildschirms lassen sich schwer mit dem Controller navigieren und sorgen bei mir immer wieder für kurze Frustmomente. Im oberen Bildschirmrand finden sich Symbole zu Ereignissen, zum Wetter oder zur Giftlage des aktuellen Bioms, doch es ist schwierig, sich dort oben wirklich zurechtzufinden. Und wenn man ein Menü aktiviert und geöffnet hat, bleibt es offen, bis ich es wieder schließe. Das finde ich einfach unhandlich auf einer Konsole.
Stray Fawn hat viel mit den Pfeilstarten gearbeitet, um die einzelnen Bereiche und Menüs zu öffnen, was an sich ein guter und logischer Schluss ist, doch die Umsetzung verwirrt mich auch nach vielen Spielstunden immer noch sehr und das finde ich schade. Das ist allerdings auch der einzige Punkt, der mich maßgeblich an The Wandering Village stört.
Fazit: Eine Symbiose, die fesselt und nachdenklich stimmt

The Wandering Village hat sich vom Early Access zum vollwertigen Release beeindruckend entwickelt und mich auf der Xbox Series S völlig in seinen Bann gezogen. Das ungewöhnliche Konzept, auf dem Rücken eines gigantischen Onbu ein wanderndes Dorf aufzubauen und zu überleben, ist nicht nur faszinierend, sondern dank des neuen Story-Modus auch emotional und sinnstiftend. Die liebevoll gestaltete Welt mit ihrem Studio Ghibli-ähnlichen Grafikstil und dem atmosphärischen Soundtrack schaffen eine dichte Atmosphäre, die mich komplett in ihren Bann zieht – manchmal sogar so sehr, dass ich die reale Welt um mich herum vergesse.
Trotz dieser überwältigenden Stärken gibt es ein paar kleine Risse im scheinbar perfekten Bild: Die Bedürfnisse meines Volkes bleiben oft vage und schwer zu erfüllen, was hin und wieder für Frust sorgt. Zudem ist die Konsolen-Steuerung in den Menüs gewöhnungsbedürftig und unhandlich, was die Navigation erschwert. The Wandering Village ist ein herausragendes Aufbauspiel mit Herz, das zum Nachdenken anregt und eine klare Kaufempfehlung verdient. Die kleinen Schwächen sind angesichts des innovativen Konzepts und der fesselnden Umsetzung leicht zu verschmerzen.
Pro | Contra |
---|---|
+ Innovatives und fesselndes Spielkonzept | – Unklare Bedürfnisse des Volkes |
+ Motivierender und emotionaler Story-Modus | – Umständliche Konsolen-Steuerung |
+ Ich verliere leicht die Zeit und bin tief im Spiel versunken | – Kann dazu führen, die Umgebung im realen Leben zu vergessen |
+ Wunderschöner Grafikstil mit Studio-Ghibli-Vibes | – Optionen zur „Bestrafung“ oder Extraktion von Onbu-Ressourcen können unangenehm sein |
+ Visuell und durch die Story vermittelt die Welt ihre Grausamkeit und Geschichte | |
+ Entscheidungen beeinflussen das Vertrauen und den Weg des Kolosses |
Offenlegung
Wir haben einen Key kostenlos vom Publisher für The Wandering Village erhalten.
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