Der Nervenkitzel des Beobachten: Wie Videospiele den Voyeurismus fördern

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Videospiele sind nur simple Unterhaltungsmedien, die vor allem für Jugendliche geschaffen wurden, um ihnen eine Beschäftigung für zwischendurch zu bieten. Ein interessantes Statement, das vor allem seit der „Erfindung“ von klugen Indiespielen mit Tiefgang, Meinungen und Erfahrungen nicht mehr greift. Doch Indiespiele haben es sich nicht nur zur Aufgabe gemacht, Spielern die Augen zu öffnen und aus anderen Perspektiven eine Geschichte zu erzählen, sondern sie geben dem Spieler im bestimmten Maße auch Macht. Macht über eine virtuelle Welt, die uns Glauben machen soll, dass wir darüber bestimmen – doch am Ende sind wir nur der Zuschauer.

Der Blick über die Hecke

Erinnert ihr euch noch an die Beschreibung von Petunia Dursley, deren Hals doppelt so lang war, damit sie besser über die Hecke schauen und die Nachbarn beobachten konnte? Oder kennt ihr diese alten Leutchen, die bereis auf ihren Fensterbänken Kissen und Decken platziert haben, um das Geschehen auf der Straße besser begutachten zu können? Oder ertappt ihr euch selbst manchmal dabei, dass ihr euch fragt, was die Kunden vor euch oder hinter euch an der Kasse eigentlich mit ihrem Einkauf vorhaben?

Ganz ehrlich: Wir können es nicht leugnen. So wie die Neugier der Katze Tod ist, so ist sie auch uns Menschen zu Grunde gelegt und sorgt nicht nur dafür, dass wir andere Leute beobachten, sondern dass wir aufmerksamer werden. Wir lernen unbewusst, wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren und können dieses Verhalten selbst anwenden – oder wir lernen einfach jede Menge über unsere Nachbarn und können das dann über den Buschfunk verbreiten. Je nachdem, welcher Typ Mensch man ist.

Auch in Videospielen hat das Beobachten von anderen Menschen Einzug gehalten. Der Blick über die Videospielehecke sozusagen, ohne dabei jedoch eine echte Hecke im Spiel zu haben. Häufig handelt es sich um Kameras, mit denen man – ähnliches des CCTV in England – alles Mögliche überwachen und beobachten kann. So erfährt man jede Menge über virtuelle Leben. Wissen, das man im richtigen Leben so gut wie nie brauchen wird, aber für das Spiel selbst ist es in dem Moment relevant. Auf diese Weise wecken solche Spiele wie Do Not Feed the Monkeys oder Beholder die pure Neugier in uns: Was macht denn mein virtueller Nachbar eigentlich tagsüber in seiner Wohnung?

Wissen ist Macht

Auf diese Weise – durch das Stalken – lernt man jede Menge über seine Spielfiguren, und das gibt uns eine ganz bestimmte Macht in diesen Spielen. Häufig es dabei so, dass wir nicht nur zum Spaß unsere Charaktere ausspionieren, sondern dass wir eine Aufgabe haben. Vielleicht müssen wir einer höheren Abteilung Bericht erstatten, was jemand warum tut oder wie jemand heißt oder wo sich eine Räumlichkeit befindet. Manchmal ist diese Übergabe des Wissens freiwillig, aber auf jeden Fall treffe immer ich als Spieler die Entscheidung, welches Wissen ich wann weitergebe. Verrate ich somit der Obrigkeit nicht, dass ich gesehen habe, wie Herr Müller Drogen schmuggelt, sondern erzähle ihm, dass er einfach nur gerne backt, kann das diverse Auswirkungen auf Herr Müller oder gar auf mich als Spieler haben. Denn bekanntlich mögen es Obrigkeiten gar nicht, wenn sie falsche Informationen erhalten.

Genauso wie es die Entscheidung des Spielers ist, was sie generell mit dem Wissen anstellen. Sie haben auch die Entscheidung ganz andere Dinge damit zu tun, ohne die Obrigkeit auch nur ansatzweise zu informieren. Auf diese Weise lassen sich vielleicht virtuelle Menschenleben retten. Am interessantesten ist jedoch die Entscheidung der Spieler, die man weltweit beobachten kann. Wie wir wissen, gibt es ganz viele verschiedene Menschen und es gibt einen ziemlich treffenden Spruch: „Gib jemandem Macht und du siehst sein wahres Ich“ und auch dies ist bei genau solchen Spielen Sinn und Zweck des Ganzen, denn am Ende sammelt vielleicht auch jemand auf diese Weise Daten über dich als Spieler und kann am Ende sogar auswerten, was für ein Mensch du bist.

Der Nervenkitzel steigt

All diese Spiele haben den Touch des Verbotenen. Wir alle wissen, dass wir andere Menschen eigentlich nicht beobachten sollten. Eigentlich. Aber mal ganz ehrlich, auch die Nachbarsoma, die im Grunde nur auf der Fensterbank lebt, wird einem nicht freiwillig verraten, dass ihr ganzer Lebensinhalt darin besteht, Informationen über andere zu sammeln. Doch was passiert, wenn ihr in einem Videospiel eure Zeit dafür verwendet? Richtig, irgendwann fällt auf, dass ihr andere Leute ausspioniert und die Informationen weitergebt. Irgendwann werden eure Nachbarn misstrauisch und dann könnt ihr euch irgendwann nicht mehr so einfach rausreden. Doch, was macht ihr? Natürlich weiter, denn ihr macht das Ganze nicht nur aus purer Neugier.

Jede Information, die ihr sammelt, bringt euch am Ende Geld und sichert euch auf diese Weise das Überleben. Ihr habt also die Wahl: Sichere ich mir das Vertrauen der virtuellen Primaten oder sorge ich dafür, dass mein virtuelles Ich nicht den Löffel abgibt. Es ist eure Entscheidung. Das es jedoch durchaus süchtig machen kann, andere Leute zu beobachten, werdet ihr vermutlich denselben Weg gehen wie ich. Denn es macht so viel mehr Spaß, herauszufinden, was die virtuellen Menschen in ihrem Leben so machen.

Ich bin froh, dass es mittlerweile auch solche Spiele gibt, da sie unsere aktuelle Weltlage treffend zusammenfassen, denn der Begriff „Gläserner Mensch“ wird zwar heute nicht mehr so regelmäßig verwendet, er ist jedoch durchaus immer noch greifbar. Das Widersprüchliche an sich ist, dass wir uns heutzutage oft sichtbarer machen als noch zu der Zeit, als dieser Begriff geprägt wurde. Ein Stalker in der heutigen Zeit müsste sich also eigentlich gar nicht mehr soooooo viel Mühe geben, wirklich jemanden zu beobachten.

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Beatrice Eichhorn
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