„2D“, „Platformer“, „Roguelike“ oder zumindest „Hardcore“ – Diese Keywords finden sich momentan in gefühlt Dreiviertel aller veröffentlichten Indies auf Steam, mittlerweile aber auch auf PS4 und Co. Pharaonic stach für mich vor einigen Tagen aus der Masse heraus: „Side-Scroller Action-Rollenspiel“ heißt es da, noch dazu im schönen Setting Ägypten. Mein Interesse war geweckt. Was ich zwar ahnte, aber noch nicht wusste: Pharaonic aus dem Hause Milkstone Studios (u.a. Ziggurat) ist ein knallhartes Spiel und spielerisch ein eindeutiger Dark Souls-Verschnitt – Nur eben in 2D. Unser Test verrät, ob das überzeugt.
Schnapp dir eine Waffe!
Zum Beginn werdet ihr in einem Kerker aufgeweckt und bekommt die Aufgabe, euch gegen die zahlreichen Feinde da draußen aufzulehnen. Natürlich seid ihr auch in Pharaonic der auserwählte Held, jedoch hat eure Figur kein großes vorgegebenes Schicksal, sondern ihr seid der glückliche (?) Auserwählte, der von den Göttern mit der wichtigen Aufgabe betraut wurde.
Auf den ersten Metern wirkt Pharaonic noch ganz gemächlich. Eine Fackel dient als erste Waffe, von einer anderen Gefangenen bekommt man eine Phiole mit Wasser, die Gesundheit wiederherstellt… Ach so. Nach ungefähr fünf Minuten Spielzeit hat man dann begriffen, was in Pharaonic steckt: Die ersten Kämpfe, die keinen Fehler verzeihen, sind absolviert, der erste Schrein gefunden, der das Speichern des Spieles bis zu diesem Zeitpunkt ermöglicht.
Bei jedem Tod bis zum nächsten Schrein werdet ihr zum vorherigen zurückgesetzt. Eure zwischenzeitlich gewonnene Ausrüstung und Questfortschritte bleiben erhalten, jedoch verliert ihr ein wenig eurer Erfahrung, die ihr aber als leuchtende Kugel am Ort eures Todes wieder einsammeln könnt, solltet ihr es dort hin schaffen, ohne noch einmal zu sterben. Ach ja, auch wichtig: Alle Feinde spawnen beim Tod ebenso wie beim Benutzen eines Schreins wieder.
Es liegt an euch
Angenommen, ihr seid ein guter Spieler und besteht die Kämpfe in Pharaonic ohne große Blessuren, dann macht nicht nur ihr, sondern auch das Spiel verdammt Vieles richtig: Bereits in der ersten Spielstunde eröffnet sich ein Portfolio an verschiedener Ausrüstung, deren spielerische Auswirkungen deutlich spürbar sind: Schwere Rüstung bietet erkennbar mehr Schutz als leichte Rüstung, dafür sind wegen der eingeschränkten Mobilität und des somit verringerten Stamina viel weniger Aktionen hintereinander möglich – Inklusive ausweichen. Auch die Unterschiede zwischen den Waffen sind enorm, nicht nur zwischen den leichten und schweren Waffen: Boni und Mali der Waffen sollte man im Menü ausführlich studieren und sich ansehen, welche besser zu einem passt.
Die Kämpfe in Pharaonic spielen sich in den ersten Minuten ungewohnt, denn bei der Steuerung der Angriffe setzt man auf die Schultertasten auf dem Controller. Auf Dauer gehen die Auseinandersetzungen aber sauber und meist auch flink von der Hand. Der Grundsatz des Kampfes ist natürlich: Draufkloppen, ausweichen, eventuell parieren, draufkloppen. Manche Gegner können nicht geblockt oder ihre Angriffe nicht pariert werden, hier zählt ein wenig Dynamik. Ähnlich wie in anderen Spielen folgen viele Gegner klaren Abläufen, sodass man sich im Prinzip die notwendigen Bewegungen „nur“ einprägen muss. Dennoch – oder gerade deshalb – haben es vor allem die Bosse mächtig in sich, denn einer, maximal zwei Treffer können schon tödlich sein.
Auch beim Ausbau der Fertigkeiten lässt euch Pharaonic viele Freiheiten, fordert aber gleichzeitig eure Mitarbeit ein. In Pharaonic könnt ihr keine Skillpunkte nach Level-Ups vergeben. Steigt ihr im Level auf, werden automatisch Gesundheit und Stamina erhöht. Neue Fertigkeiten lernt ihr erstens lediglich durch gesammelte Edelsteine, und zweitens auch nur, wenn ihr einen Trainer findet, der euch Neues beibringt. Den Trainern lauft ihr in der Regel über den Weg, für die Edelsteine lohnt es sich, NPCs in der Spielwelt anzusprechen, sich ihre Aufgaben zu merken und diese zu erledigen sowie alle Pfade in der 2D-Welt, in der ihr teilweise auch die Ebenen nach vorne und hinten wechseln könnt, abzulaufen und ggf. Kisten zu öffnen. Händler und zahlreiche zusätzliche Items wie Ringe oder Rücksäcke, die die individuelle Anpassung der Figur an den Spielstil ermöglichen, runden bei Pharaonic den Eindruck eines anspruchsvollen und vielfältigen Action-Rollenspieles ab.
Wiederholungen und fragwürdige Designentscheidungen
Angenommen, ihr seid entweder kein besonders geschickter oder einfach nur ungeduldiger Spieler, dann zeigt Pharaonic auch wirklich fiese Facetten und einige große Schwächen, die aber den meisten Spielern auch so auffallen dürften, denn Pharaonic hat mit dem Vorbild Dark Souls natürlich auch gemein, dass ihr oft sterben werdet und „You Died“ (Spiel ist komplett auf Englisch) öfter lesen werdet, als euch lieb ist.
Pharaonics größtes Problem ist der hohe Grad an Repetition – Schreine sind an vielen Stellen nicht gerade häufig positioniert, und das bedeutet, dass ihr euch nach dem Tod wieder und wieder durch die gleichen Areale kämpft, jedes Mal mit genau den gleichen Gegnern. Pharaonic ist hier auch sehr statisch, ab und zu spawnen vor allem Gegnergruppen in einer leicht veränderten Reihenfolge, aber ansonsten wisst ihr leider immer genau, was euch erwartet. Wie ihr auch erahnen könnt, nimmt euch die 2D-Ansicht natürlich auch die Möglichkeit, Kämpfe zu umgehen. Wenn ihr nicht gerade die Ebene oder das Gebiet an dieser Stelle wechseln könnt, müsst ihr kämpfen.
Nicht gerade begünstigt wird dieser Faktor durch die teilweise fragwürdige Positionierung der Schreine. Beispielsweise vor Bossen befindet sich häufig nur ein Brunnen zum Auffüllen der „Canteen“, also eurer drei mitgeführten Wasserflaschen zur Heilung unterwegs. Der Schrein befindet sich ein, zwei Räume vorher – Sterbt ihr also beim Boss müsst ihr euch wieder und wieder durch die gleichen Gegner hin zu ihm kämpfen. Meistens stehen dann ausgerechnet hier auch noch Gegner, die es schon an sich echt in sich haben. Nervig!
Auch in Pharaonic bringt das grundsätzliche Spieldesign eine Möglichkeit mit, die ich schon in den From Software Spielen nicht verstanden habe, die hier aber sogar noch einfacher geht, weil man nicht minutenlange Ladebildschirme à la Bloodborne sieht: Leveln und somit eure Status aufbessern könnt ihr ganz einfach durch das Beten am Schrein, denn Gegner drumherum spawnen ja sofort wieder… Das ist zwar auch nicht gerade spannend, aber so könnt ihr euch selbst weiterhelfen, solltet ihr mal gar nicht weiter kommen.
Licht und Schatten bei der Technik
Wie bisher schon angeklungen ist, ist die technische Umsetzung von Pharaonic im Gesamtbild viel sauberer als in den Titeln von From Software. Außer (logischerweise durch 2D-Ansicht) beim Rollen gibt es hier kein Geclippe in den Kämpfen und auch bei den Bosskämpfen ist mir keiner aufgefallen, in dem Glitches den Weg zum Erfolg geebnet hätten. Auch die Steuerung fühlt sich fast immer sauber an und schafft es, Trägheit und Flexibilität gut zum Ausdruck zu bringen.
Auch grafisch enttäuscht Pharaonic nicht: Die wunderschönen Kulissen vermögen gar zu begeistern. Hin und wieder trüben aber Ruckler und starke Anfälle von Tearing das Gesamtbild. Die Soundkulisse ist keinesfalls großartig, aber immerhin solide. Nach der Nutzung des SHARE-Menüs wird die Soundkulisse aber auf Minimum heruntergefahren – Maximal einige Audioeffekte sind dann noch bis zum nächsten Tod oder bis zum Raumwechsel zu hören. Beim ausführlichen Probespielen wäre das aufgefallen.
Fazit: Ohne Fleiß kein Preis
Pharaonic ist ein interessantes und anspruchsvolles Sidescroller-Dark Souls mit vielen großen Stärken, aber auch einigen ebenso großen Schwächen. Nach einem etwas gewöhnungsbedürftigen Einstieg kann sich nach und nach ein tiefgehendes und anspruchsvolles Action-Rollenspiel entfalten: Die Ausrüstungsvielfalt und deren Auswirkungen sind für einen Titel diesen Budgets beeindruckend, ebenso geht das Kampfsystem nach der Eingewöhnung sauber von der Hand und überzeugt auch im technischen Bereich. Ebenso verlieren die wunderschönen Szenerien auch auf Dauer nichts an ihrem Reiz.
Ganz mein Spiel ist Pharaonic trotzdem nicht: Im Spieldesign nerven nicht nur einige grundsätzliche Schnitzer dieser Spielart, sondern insbesondere die Positionierung der wichtigen Schreine ist teilweise mehr als fragwürdig, sodass große Teile des Spielerlebnisses lediglich in der Wiederholung der immer gleichen Passagen bestehen können. Zu recht großem Frustpotential kommt stellenweise also auch noch Langeweile bzw. übermäßige Routine. Für Fans dieser Art von Spiel ist Pharaonic dennoch auf alle Fälle eine Empfehlung wert und ich würde es sogar ein wenig besser als das Vorbild einordnen, da die technische Umsetzung insgesamt sauber ist und keine Clippings und Glitches über Erfolg und Misserfolg entscheiden.
Pro | Contra | ||
+ Tolle Szenerien | – Fragwürdige Positionierung der Schreine | ||
+ Gelungenes und technisch sauberes Kampfsystem | – Viel zu viel Wiederholung immer gleicher Passagen | ||
+ Ausrüstungsvielfalt + Spürbare Auswirkungen | – Hohes Frustpotential | ||
+ Interessantes Level-/Fertigkeitensystem (Trainer!) | – Hin und wieder Ruckler und Tearing | ||
– Sound geht durch SHARE-Menü kaputt | |||
- Grafik: 79
- Sound: 59
- Umfang: 85
- Gameplay: 69
- KI: 70
Spielspaß: 66
Singleplayer:
- Story: Eine schöne Spielwelt wird inszeniert, indem es auch um Mythologie geht. Tritt zwar in den Hintergrund, ist aber gelungen.
- Frustfaktor: Stellenweise sehr, sehr hoch.
- Wiederspielwert: Für anspruchsvolle und geduldige Spieler auf alle Fälle vorhanden.
- Design/Stil: Stimmig und gelungen.
- Musik: Solide, geht aber bei Nutzung der PS4-Share-Funktion kaputt..
Informationen zum Testgerät
Plattform: PlayStation 4 500GB
Hardware: Standard, ohne ausgetauschte Hardware
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 2 Jahre, 8 Monate (PS4 Launchkonsole)
Wir bedanken uns bei Milkstone Studios für das Pressemuster zu Pharaonic!
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