A Blind Legend (Steam) im Test – Sound (und Frust) statt Grafik

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A Blind Legend dürfte wohl eines der außergewöhnlichsten Spiele sein, die in der letzten Zeit bei Steam erschienen sind: Das Action Adventure von den Serious Games Machern Dowino verzichtet im Prinzip vollständig auf Grafik – Zu sehen ist nur ein bisschen Nebel auf dem Bildschirm. Das soll nicht nur blinde Spieler ansprechen, sondern auch allen anderen ein blindes Spielerlebnis näherbringen. Hört sich gut an, denkt ihr? Ob A Blind Legend sein Versprechen eines legendären Abenteuers halten kann, verrät der Test.

Lieber hinhören!

Unser Tipp für A Blind Legend: Augen zu und durch! Tatsächlich bietet es sich an, das Spiel mit geschlossenen Augen zu spielen. Wer seine Augen nicht dauerhaft geschlossen halten kann, sollte sich überlegen, sie zu verbinden. Mit offenen Augen kamen wir nicht sonderlich weit – In A Blind Legend braucht ihr jederzeit euer Gehör und müsst euch auf dieses verlassen können. Wir haben festgestellt, dass wir von optischen Eindrücken einfach sofort abgelenkt waren. Auf dem Bildschirm passiert während des Spielens von A Blind Legend tatsächlich nichts.

Sein Konzept der „fehlenden Grafik“ setzt A Blind Legend dauerhaft durch – Somit gibt es nicht einmal ein Hauptmenü, sondern eine Computerstimme, die euch (leider) auch während des Spielens öfter begleitet, sagt euch, welche Menüpunkt gerade ausgewählt ist und was ihr drücken muss, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Grafikeinstellungen oder Ähnliches erübrigen sich bei A Blind Legend natürlich ohnehin. Zum Spielstart werden lediglich die Logos des Entwicklers und diverse Sponsoren angezeigt, zudem wird das Spiellogo während Ladezeiten eingeblendet, die die Computerstimme jedoch auch mit dem knackigen Wort „Loading“ ankündigt.

Ein weiterer ganz essentieller Tipp: Für A Blind Legend braucht ihr unbedingt ein Headset! Ob man möglicherweise mit Surround-Lautsprechern Spaß haben kann, konnten wir nicht testen, ein richtiges Headset sollte es schon sein. In-Ears funktionieren auch, erzeugten aber nicht ganz die Wirkung, die das Headset hatte. Es ist wichtig, dass ihr den Sound und jeden seiner Details vollständig erfassen könnt, d.h. euer Wiedergabegerät sollte über einen möglichst klaren Sound verfügen.

Bild
Das hier ist alles, was ihr seht!

Ein blinder Ritter

Was erwartet euch nun spielerisch in A Blind Legend? Im Prinzip das, was ihr von einem Action-Adventure erwartet: Ihr bereist eine Welt und kämpft gegen Gegner. Um euch die Orientierung zu erleichtern, habt ihr in den meisten Fällen einen Begleiter dabei, meistens eure Tochter, die euch den Weg weist. In jedem Fall müsst ihr auf die Geräusche achten, wenn ihr unterwegs seid: Begleiter sagen beispielsweise regelmäßig „Let’s Go“ und gehen dann in eine bestimmte Richtung. Und je nachdem, ob sie nach links oder rechts laufen, müsst ihr auch in diese Richtung gehen. Hört ihr ihre Schritte auf beiden Seiten, geht der Partner gerade aus und ihr müsst einfach nur nach vorne laufen.

Auf Knopfdruck könnt ihr zudem auslösen, dass die Begleiter euch noch einmal sagen, wo ihr hingehen müsst – „Left“, „Right“ oder „Straight ahead“. A Blind Legend ist komplett auf Englisch vertont. Zwischendurch gibt es auch einige „Zwischensequenzen“, die freilich nur aus Dialogen und Soundeffekten bestehen und die Story des Titels erklären. Edward Blake erlebt mit seiner Tochter ein unerwartet großes Abenteuer. Die Story von A Blind Legend ist nicht schlecht und erfüllt ihren Zweck, auch wenn sicherlich das eigentliche Spielerlebnis im Vordergrund steht.

Es gibt auch Momente, in der euch die Geräuschkulisse in die Irre führen möchte und ihr ausgerechnet nicht in die Richtung gehen solltet, aus der gerade ein bestimmter Ton kommt, da ihr sonst direkt in den Tod lauft. Das lässt sich nicht immer vorhersehen und so verfügt A Blind Legend durchaus über einige Trial & Error Passagen – Doch ungeahnt großes Frustpotential hat das Spiel ohnehin.

Das spielerisch anspruchsvolle Herzstück von A Blind Legend sind die Kämpfe, deren Prinzip eigentlich schnell verstanden ist: Ihr müsst die Geräuschkulisse eures Feindes beobachten und ihn im richtigen Moment, nämlich dann, wenn er auch gerade angreifen will, selbst angreifen. Später bekommt ihr die Möglichkeit, euch mit eurem Schild zu verteidigen – Kontert ihr dann im richtigen Augenblick, wird der Gegner kurz betäubt und ihr könnt mehrere Schwerthiebe hintereinander landen.

Selbstverständlich kommt dann noch die Komponente hinzu, dass ihr darauf achten müsst, ob der Gegner vor euch, oder links oder rechts von euch steht, sodass ihr in die richtige Richtung angreift. Hier ist eben wieder entscheidend, dass ihr genau hinhört. Auch hier spielt A Blind Legend gut mit dem Ton, denn wenn ihr euch mit dem Schild verteidigt, wird die gesamte Soundkulisse dumpf und es ist mitunter schwierig, die genaue Richtung zu bestimmen. Mit unserem großen Headset hatten wir hier weniger Probleme als mit anderen Kopfhörern.

Wieso ist A Blind Legend nun mitunter frustrierend? Nun, ob ihr es glaubt oder nicht, einige Kämpfe haben es wirklich in sich. Da ist Edward Blake nach drei oder vier Schlägen (im normalen Modus!) Geschichte und dann müsst ihr nervigerweise die komplette bisherige Sequenz nochmal spielen, da es innerhalb dieser Sequenzen keine Speicherpunkte gibt. In solchen mit längeren Laufwegen und mehreren Kämpfen kann das ganz schön nervig sein. Wir haben für einige Kämpfe am Spielende wirklich viele Versuche gebraucht, da perfektes Timing alles ist – Nicht genau im richtigen Moment gekontert, landen die Feinde vernichtende Treffer.

Und die Soundkulisse?

Nun ist der Sound quasi die einzige Komponente, die man in A Blind Legend so richtig kritisch betrachten muss. Es handelt sich nun einmal um ein Spiel, das sich voll und ganz auf seine Soundkulisse verlässt und da ist es umso ärgerlicher, dass man hier sagen muss, dass noch deutlich Luft nach oben wäre. Bedenken muss man auch: A Blind Legend wurde von mobilen Plattformen umgesetzt.

Dafür geht die Soundkulisse in Ordnung, zumal es qualitativ nichts auszusetzen gibt, dafür setzt A Blind Legend aber auf viele Wiederholungen beim Sound: Sprachsamples („Let’s Go“) werden ebenso dauerrecycelt wie die Kampfeffekte der Gegnertypen, und wenn dann ein einzelner Feind bei jedem Angriff den gleichen Satz sagt, nervt das mittelschwer. Für ein Spiel, das sich ausgerechnet auf den Sound bezieht, wäre hier mehr Vielfalt und Abwechslung wünschenswert gewesen, zumal die Wiederholungen auch allein deshalb negativ auffallen, da A Blind Legendmit einer Spielzeit von nur rund 3-4 Stunden daherkommt. Der einzige erkennbare Vorteil dieser Wiederholungen ist, dass sie das Spielerlebnis vereinfachen, da ihr euch beispielsweise jeden Gegnertyp nur einmal einprägen müsst, zumal diese immer den gleichen Ablauf bzw. die gleiche Routine verfolgen.

Davon abgesehen macht Dowino einen großartigen Job bei der Inszenierung der Spielwelt: Atmosphärische Klänge und gelungene Effekte vermitteln ein gutes Bild der blinden Fortbewegung und inszenieren eine vermutlich wunderschöne – und auch grausame – Spielwelt. Auch die englische Sprachausgabe kann ansonsten an sich überzeugen.

Ärgerlich ist nur, dass ausgerechnet die Computerstimme, die euch als Spieler begleitet, dauerhaft aus der Reihe tanzt und auch für gravierende Brüche sorgt: Sie passt schlichtweg nicht zum Spielerlebnis und zur restlichen Atmosphäre, und wieso man sich hier nicht eine sympathische Dame für das Einsprechen der Tutorials gesucht hat, ist uns schleierhaft. Die hier vorhandene Stimme spricht wie eine schlechte Siri und ist teilweise gar nicht so leicht zu verstehen.

Fazit: Ein besonderes Spielerlebnis mit Luft nach oben

Wie blinde Spieler, für die A Blind Legend ohne Frage gemacht ist und die es ohne Einschränkungen spielen können, den Titel wahrnehmen, vermögen wir nicht zu beurteilen. Für uns erfüllt das Spiel unterm Strich die Rolle, die es erfüllen soll, voll und ganz: A Blind Legendist ein außergewöhnliches Spielerlebnis, das euch lehrt, euch auf euer Gehör zu verlassen. Man erkennt, wie viele kleine Details bei Musik- und Soundeffekten man normalerweise überhaupt nicht beachtet, die in A Blind Legend aber über Leben und Tod entscheiden.

Spielen sollte man A Blind Legend am besten mit geschlossenen (oder verbundenen) Augen und mit einem guten Headset/Kopfhörer. Schade, dass das soundintensive Spiel ausgerechnet beim Sound eine seiner größten Schwächen hat und auf ziemlich viele Wiederholungen setzt, die das Spiel im Prinzip zwar einfacher machen, aber angesichts der recht kurzen Spielzeit negativ auffallen. Ansonsten stört auch das Frustpotential durch die mitunter schwierigen Kämpfe bei zu seltenen Speicherpunkten. Es bleibt also Luft nach oben – Für unter sieben Euro kann und sollte man diese Spielerfahrung aber durchaus einmal machen.

Pro Contra
+ Außergewöhnliches und stimmiges Spielkonzept – Zu viele Wiederholungen bei Sound- und Kampfeffekten sowie Sprachsamples
+ Lehrt, sich auf das Gehör zu verlassen – „Computerstimme“ ist ein schlimmer Stilbruch und passt nicht
+ Ordentliche Geschichte – Stellenweise hohes Frustpotential
+ Atmosphärische Spielwelt (trotz fehlender Grafik!) – Fehlende Speicherpunkte in einzelnen Sequenzen

Technik: 69

  • Sound: 69
  • Umfang: 70
  • Gameplay: 70
  • KI: 66

Spielspaß: 70

Singleplayer:

  • Story: Eine ordentliche Geschichte rund um den blinden Ritter Edwark Blake und seine Tochter, die das Spielerlebnis gut begleitet.
  • Frustfaktor: Teilweise sehr hoch, vor allem aufgrund zwischenzeitlich fehlender Speicherpunkte.
  • Wiederspielwert: Nicht großartig – Im Prinzip hat man die möglichen Erfahrungen nach zwei bis drei Stunden gesammelt.
  • Musik: Die Soundkulisse ist in sich sehr stimmig und detailreich – Ausgerechnet bei Kampfsequenzen und Sprachsamples gibt es aber zu viele Wiederholungen. Ärgerlich für ein Spiel, das sich so auf seinen Sound verlässt!

Wir bedanken uns bei Plug In Digital für die Bereitstellung des Downloadcodes zu A Blind Legend!

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Manuel Eichhorn
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