Bound (PS4) im Test – Mit rhythmischer Gymnastik zum Weltfrieden?

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Viele Indies versuchen heutzutage nach den Sternen zu greifen. Sie werden verglichen mit großen unabhängigen Titeln wie Journey oder bekannten AAA-Spielen. Auf direkte Innovationen trifft man leider eher selten, dennoch gibt es hin und wieder kleinere Perlen, die schon allein durch ihre Präsentation dazu animieren, den Titel zu spielen. Ein solches Spiel ist Bound. Der Titel wurde auf der E3 2016 im Zuge der Sony Pressekonferenz gezeigt und wir waren schlichtweg begeistert. Mittlerweile ist das Spiel bereits für die PlayStation 4 erschienen, sodass auch wir einen Blick darauf werfen konnten. Wir verraten euch in unserer Review, was wir von Bound halten und ob wir es gar mit einem zweiten Journey zu tun haben.

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Was hast du angerichtet!?

Während wir heranwachsen, sagen wir an bestimmten Punkten in unseren Leben, dass wir einmal nicht so werden wollen, wie unsere Eltern. Dass wir Vieles besser machen möchten, dass unsere Kinder mehr Freiheiten haben sollen, dass wir nicht so streng/lax reagieren wollen, dass wir einmal noch bessere Eltern werden. Wenn wir dann selbst einmal Eltern sind, sieht das Ganze natürlich schon wieder ganz anders aus. Bound lässt uns an eben dieser Idee teilhaben: Ihr erlebt mit, wie sich eine werdende Mutter an ihre Kindheit erinnert. Wir nehmen an Momenten teil, die schlimm und prägend waren – das Ganze ist dabei eingebettet in eine ganz besondere Art, denn wir haben es mit einem ästhetischen Platformer zu tun, der eigentlich kein richtiger Platformer ist.

Während unsere werdende Mutter an einem Strand sitzt, denkt sie an ihre Vergangenheit und blickt dabei in ein Notizbuch mit Zeichnungen. Dieses Notizbuch ist im Grunde eure Levelübersicht, denn von hier aus könnt ihr in die unterschiedlichen Level springen. Ihr werdet gebeten, eure Welt zu retten, denn etwas Böses zerstört diese. Also ist es an der Zeit, dass ihr euch in eine Prinzessin verwandelt, die sich nur durch rhythmische Gymnastik fortbewegt und alles Böse mit einem Tanz vernichtet. Doch, keine Sorge, es gibt nicht allzu viel Böses in der Welt.

Jedes Level ist anders aufgebaut, doch im Grunde geschieht zu Beginn immer etwas Schlimmes. Mal springen Perlen durch die Gegend, mal habt ihr es mit heißen Flammen zu tun und erst am Ende jedes Levels wird die Bedeutung all dessen offenbart. Bound ist hierbei ein rhythmischer Platformer, wenn man es so bezeichnen möchte. Somit klettert und springt ihr durch die verschiedenen Level, schützt euch mit einem Tanz vor angreifenden Dingen wie beispielsweise Feuer oder Perlen und gelangt am Ende des Levels zu einem großen Bösen, das ihr nur durch einen langen Tanz besiegen könnt. Oft beginnt ein Level damit, dass etwas passiert ist und dass ihr dafür verantwortlich gemacht werdet. Was genau passiert ist, erfahrt ihr jedoch immer erst am Ende des jeweiligen Levels.

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So schön…

Bound ist ein unheimlich schönes Spiel, das mit verschiedenen Partikeln und Lichteindrücken arbeitet, um die Level lebendig zu halten. Erstaunlicherweise kommt die PlayStation 4 damit sehr gut zurecht, hier wurde also wirklich einmal hervorragend gearbeitet. Die Level passen sich immer ein wenig an die Situation an und so sieht auch eure Figur nicht immer gleich aus. Je nach Situation und auch je nach Alter der Figur in der realen Welt, wandelt sich die Farbe eures Kostüms und auch der Schutzschirm, der durch euren Tanz erzeugt wird, passt sich farblich an die neuen Gegebenheiten an. Das ist sehr hübsch.

Was uns richtig gut an Bound gefallen hat, war das Kameraspiel. Während andere Spiele immer nur bei einer Ansicht bleiben, wechseln wir in Bound regelmäßig die Kameransicht und befinden uns auch in anderen Blickpunkten. In einem Level zum Beispiel geht ihr durch verschiedene Türen und immer kommt ihr an einer anderen Stelle des Levels an, mal auf den Kopf, mal auf der Seite. Das ist ziemlich cool und macht das Ganze unheimlich lebendig – und es passt gut zur Welt eines Kindes, das viele Dinge nicht versteht. Da kann schon einmal schnell die Welt Kopf stehen, wenn die Mutter zum Beispiel ausrastet, weil die Perlenkette kaputt gegangen ist. Das hat uns richtig, richtig gut am Spiel gefallen. Das, klar, und die Schönheit der Level an sich.

Die Bewegungen der Protagonistin sind zudem auch sehr flüssig und lebendig. An keiner Stelle ist es uns aufgefallen, dass die Bewegungen nicht ganz korrekt waren. Lediglich am Ende eines Levels, wenn man über ein rotes Band zum Anfang zurückgleitet, verschwindet manches Mal der Fuß im Stoff, aber das ist ein eher kleines Übel, was den meisten wohl nicht auffallen wird. Bound ist ein schönes Spiel, das nur leider mit einem markanten Schönheitsfehler daherkommt, der so gar nicht zum Spiel passen möchte.

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… und doch so dämlich

Bound ist eigentlich ein Spiel, das euch zum Entdecken und Herausfinden animieren soll. Ihr sollt euch der schönen Farben und Formen und Funktionen erfreuen und Geheimnisse finden, die sich innerhalb der Level verstecken. Doch, wisst ihr, was die Entwickler getan haben, um euch diese Entspannung zu nehmen? Sobald ihr das Spiel das erste Mal durch gespielt habt, schaltet ihr etwas frei, dass sich Speedrun-Modus nennt. Ja, das Spiel nötigt euch dazu, die Schönheit der Level hinter euch zu lassen, um zu einer bestimmten Zeit am Ende des Levels anzukommen. Und, wisst ihr was? Wenn ihr eine bestimmte Zeit schlagt, winkt am Ende dafür auch noch eine Trophäe. Das bedeutet, wenn ihr alle Trophäen haben möchtet, werdet ihr gezwungen, alles im Speedrun zu spielen. Wir haben nichts gegen lineare Spiele oder Spiele, die einem etwas Bestimmtes vorgeben, aber wenn ein Spiel einen Spieler zu so etwas zwingt, was normalerweise nur für Nischengamer geeignet ist, dann wissen wir auch nicht weiter.

Durch diesen Modus geht die Schönheit des Spiels verloren, weil einfach keine Zeit dafür da ist, die Welt zu entdecken. Dass wäre wie wenn man in Journey eine Zeitvorgabe hätte. Anstatt die Menschen mit Trophäen zu belohnen, für die es sich wirklich lohnt, packt man Speedrun-Trophäen rein. Das ist etwas, was uns maßlos ärgert, denn so zerstöre ich als Entwickler wirklich mein eigenes Konzept. Und mal ganz ehrlich: Zur Idee selbst passt dieser Speedrun-Modus auch überhaupt nicht, oder habt ihr schon einmal Speedrun-Rhythmische-Gymnastik gesehen? Nein? Wir nämlich auch nicht.

Doch leider ist das noch nicht alles, was nicht so rund läuft in Bound. Die Technik spielt einem in Bound leider auch das eine oder andere Mal einen Streich, sodass ihr einfach nicht nach Seilen greift, die von oben herabhängen, oder der Sprung mal eben einfach in eine andere Richtung ausgeführt wird. Das sind Fehler, die leider dazu führen, dass ihr in den schönen, bewegenden Abgrund fallt. Immerhin sind die Ladezeiten innerhalb der Level recht kurz und auch die Speicherpunkte sind mehr als nur fair gesetzt, sodass ihr nie durchs ganze Level erneut laufen müsst, wenn ihr sterbt. Doch ein bisschen mehr Mühe und Feinschliff hätten wir schon erwartet. Bound hat übrigens deutsche Untertitel, wird aber selbst in einer Fantasiesprache vertont, die jedoch nicht nervig ist, sondern die Situationen ganz gut unterstreicht.

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Hilft Verleumdung?

Wer Bound ein wenig gespielt hat, wird schon sehr bald merken, dass die werdende Mutter keine besonders schöne Kindheit hatte. Die Kindheit war von Streit, Missgunst und Wut geprägt, mit denen das damals junge Mädchen zurechtkommen musste. Bound versucht dabei, diese Probleme mit einem rhythmischen Tanz am Ende jedes Levels zu lösen. Aber das ist nicht die Lösung. Es wirkt fast so, als hätte das Mädchen damals keine andere Möglichkeit gesehen als sich ein eigenes Reich zu schaffen, in dem glückliche Tänze zum Weltfrieden führen. Sicher, diese Lösung ist kreativ, wirkt aber für uns eher wie eine Verleumdung. Wie ein Nicht-Wahr-Haben-Wollen von allem. Statt sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, tanzen wir lieber eine Runde. Das sieht zwar sehr schön aus, entspricht aber doch nicht der Realität.

Dieser Gedankengang verfolgte uns die ganze Zeit, während wir Bound für unseren Test spielten. Ähnliche Spiele wie Journey oder flower nehmen sich selbst ernst und erzählen eine Geschichte, ohne sie wirklich zu erzählen. Jeder Handschlag in einem dieser anderen Spiele ergibt Sinn und schließt sich letzten Endes zu einem großen Ganzen zusammen, während man sich bei Bound schon Gedanken über die einzelnen Elemente und ihre Bedeutung macht – ohne eine wirkliche Antwort finden zu können. Es ist nicht so, dass wir Bound als schlecht einstufen würden, es ist nur so, dass Bound einfach sehr unrund wirkt. So als hätten die Entwickler eine sehr schöne Idee gehabt und diese am Ende mit diversen Dingen dann doch wieder zerstört. Das ist sehr schade.

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Fazit: Wenn sich ein Spiel selbst nicht ganz ernst nimmt

Bound hatte uns auf der E3 2016 fasziniert. Wir wollten dieses Spiel mit all seinen rhythmischen und schönen Elementen spielen. Wir wollten diese Welt erkunden und herausfinden, was in der Welt von Bound geschehen ist und warum dunkle Zeiten aufgezogen sind. Und dann war es da, das Spiel, das wir unbedingt spielen wollten. Die ersten Minuten waren noch faszinierend: Wir begleiteten eine junge schwangere Frau, die sich an ihre nicht so schöne Kindheit erinnert. Sie denkt an ihre Kindheit zurück und wir begleiten sie in eine andere Welt, voller schöner Farben und Formen, voller harmonischer Musik. Die ersten Minuten in Bound sind faszinierend und wir wissen, warum wir diesen Titel unbedingt spielen wollten. Doch, je länger wir im Spiel sind, desto mehr fragen wir uns immer wieder, warum wir diesen Titel überhaupt spielen sollten.

Für uns zerstört sich Bound durch verschiedene Dinge selbst: Es gibt einen Speedrunmodus in einem Spiel, das eigentlich zum Erkunden animieren sollte, in einem Spiel, das einen abschalten lassen sollte. Es zerstört sich dadurch selbst, dass die Idee hinter Bound sehr schön ist, aber dass die Umsetzung an vielen Stellen hakelig ist und auch der Sinn der Tanzeinlagen nicht gänzlich geklärt wird. Uns erschien das Ganze eher wie eine Verleumdung der eigenen Vergangenheit. Es ist jedoch nicht so, dass Bound gar nichts Gutes hat, aber es gibt eben vieles, was das Ganze doch arg trübt – was wir sehr schade finden, denn die Idee selbst ist wirklich schön, dumm nur, dass sich Bound und seine Entwickler einfach selbst im Weg stehen.

Pro Contra
+ Wunderschöne Level – Speedrunoption zerstört Sinn des Spiels
+ Tolle Animationen – Sprünge und Greifen funktioniert nicht immer
+ Klasse Soundtrack – Gesamtkonzept fragwürdig
+ Level von angemessener Länge – Sehr kurz
+ Story wirkt tiefgehend
+ Sehr faire Checkpoints

Technik: 72

  • Grafik: 91
  • Sound: 85
  • Umfang: 61
  • Gameplay: 67
  • KI: 58

Spielspaß: 56

  • Story: Die Story könnte so gut sein, zerstört sich aber doch selbst. Im Grunde ist es eine Geschichte, in der eine junge Frau über ihre Vergangenheit nachdenkt. Etwas, was tiefgehend sein könnte, doch leider durch diverse Aspekte zunichtgemacht wird.
  • Frustfaktor: Der entsteht nur, wenn man vorhat, alle Trophäen zu sammeln. Speedrun lässt grüßen.
  • Wiederspielwert: Eher gering, da die Story und auch die Welt nun nicht so sind, dass man unbedingt noch einmal alles entdecken möchte.
  • Design/Stil: Grafisch ist Bound ein echtes Meisterwerk, das sich überhaupt nicht zu verstecken braucht.
  • Musik: Der Soundtrack ist schön und passt super zum grafischen Meisterwerk.

Information: Vielen Dank an Sony für das Pressemuster von Bound.

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Beatrice Eichhorn
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