Das schottische Studio Stormcloud Games setzt Zeichen mit ihrem ersten PS4-Release: Brut@l möchte alt und neu kombinieren – Doch statt Pixelart gibt es hier zwar moderne 3D-Grafik, aber trotzdem sind alle Kerker im Dungeon Crawler komplett aus ASCII-Zeichen gebaut. Ansonsten stehen Permadeath und prozedurale Generierung nebst lokalem Koop-Modus auf der Zutatenliste. Ob dieses Gesamtpaket überzeugt, verrät der Test.
Schwarz Weiß? Nein, nein, viel mehr als das…!
Für Brut@l gilt: Unnütze Dinge wie Story über Bord, nicht einmal die vier verschiedenen Figuren (Krieger, Waldläufer, Amazone und Magier) haben Hintergrundgeschichten. Das Spielerlebnis ist voll und ganz auf das actionreiche und etwas blutrünstige Spielerlebnis in den prozedural generierten Dungeon-Levels ausgelegt. Eure Aufgabe: 26 „Kerkertiefen“ müsst ihr erfolgreich bestehen, bis ihr dem Wächter des Dungeons gegenübertreten könnt. Na dann mal los!
Die ersten paar Level sind bei fast jedem Durchgang ziemlich einfach und gerade für Neueinsteiger wirkt es so, als sei Brut@l gar kein so brutales Spiel… Doch der Schein trügt, denn ca. im Bereich von Level 6-8 zieht der Schwierigkeitsgrad mächtig an. Etwas zu mächtig. Der etwas zu lässige Einstieg und das etwas zu starke Anziehen des Schwierigkeitsgrades sind in vielen Durchgängen leicht suboptimal. Das gilt insbesondere für Dungeons, die im Koop-Modus begonnen werden. Während man sich in den ersten paar Ebenen noch fast mühelos ohne Taktik durchmetzelt, sieht man mit der gleichen Vorgehensweise ein paar Minuten später schneller den Todesbildschirm, als einem lieb ist… Und tot bedeutet in Brut@l tot. Permadeath also. Punkt aus.
Trotz prozedurale Generierung der Dungeons aber haben es die Entwickler geschafft, dass in Brut@l ein recht konsistentes Bild des Schwierigkeitsgrades entsteht. Es wirkt nicht so, als ob das Spiel beim einen Mal etwas schenkt, während es beim anderen Mal zu hart durchgreift. Andere Aspekte des Spieles dagegen werden durch die Zufälle sehr wohl beeinflusst, beispielsweise die Klassenwahl: Der Waldläufer verfügt von Anfang an über die Fertigkeit, einen Bogen zu benutzen – Doch das heißt nicht, dass euch auch schnell ein Bogen zur Verfügung steht. Dagegen kann es euch durchaus passieren, dass ihr als Krieger spielt und sofort einen Bogen findet, den ihr aber ohne die passende Fertigkeit nicht benutzen könnt. Die Unterschiede zwischen den Klassen fallen wahrscheinlich aus diesem Grund aber ohnehin sehr gering aus, da alle letztlich doch auf das gleiche Sortiment an Fertigkeiten zurückgreifen und nur über andere Startfertigkeiten (wie z.B. die Bogenschützen-Fertigkeit) verfügen. Lernen können aber alle alles, auch die Ausrüstung hat selbst keine Beschränkungen, um sie einzusetzen. Eine echter Unterschied zwischen den Figuren sind lediglich ihre Lebenspunkte, der Krieger zieht mit den meisten Punkten ins Feld und wird den Vorsprung auch erhalten.
Easy to learn, hard to master
Mit mehr Klassenunterschieden hätte man nicht nur das Spielkonzept deutlich ändern, sondern auch die leichte Zugänglichkeit opfern müssen: Die Grundkomponenten des Kampfes, angreifen, blocken und ausweichen, gehen in Brut@l butterweich und teilweise mit coolen Animationen von der Hand, beispielsweise wenn die Figur zwischen den Beinen des Gegners hindurchrutscht. Trotzdem hat es Brut@lnatürlich mächtig in sich – Nicht nur aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrades und dem Permadeath im Nacken, sondern auch aufgrund der verschiedenen Ausrüstung.
Wie gesagt ist der Spielstil letztlich mehr von eurer eigenen Präferenz als von eurer Klassenwahl in diesem Durchgang abhängig – Optimalerweise wählt ihr eben die für euren Stil passende Klasse. Im Spielverlauf findet man dann allerhand Ausrüstung, oder zumindest die Baupläne dafür. Lediglich die Rüstung, die mal von Feinden droppt, mal in Kisten lagert, wird automatisch angelegt. Waffen und ihre Verzauberungen muss man craften – Aus ASCII-Zeichen. Für Waffen benötigt ihr also nicht nur den entsprechenden Bauplan, sondern auch die passende Buchstabensammlung. Dann wird die Waffe auf Knopfdruck hergestellt. Verzaubern könnt ihr, wenn ihr die entsprechende Fertigkeit erlernt habt, und benötigt auch dann wieder die passenden ASCII-Zeichen dafür.
Verzauberungen belegen die Waffen mit Elementareffekten, wobei jede Waffe auch mehrfach verzaubert werden kann. Die Effekte werden dann einfach über die der Waffe zugeordneten Shortcuts durchgewechselt – Coole Sache! Die Effekte haben nicht nur Einwirkungen auf Gegner und vergiften sie oder frieren sie ein (umgekehrt piesacken euch manche Gegner natürlich ihrerseits mit Elementareffekten!), sondern ihr benötigt sie teilweise auch zum Vorankommen: Bestimmte (optionale) Türen lassen sich so z.B. nur mit einer Frostwaffe öffnen, und auch manche Kisten müssen mit der passenden Waffe geöffnet werden. Zu den Elementareffekten gehören solche die Schaden verursachen (Energie, Feuer, Gift), die einfrieren (Frost), oder die sogar euch selbst und Gegner verwandeln können (Arkan). Cool!
Ein besondere Element sind auch die Tränke im Spiel: Diese verfügen grundsätzlich nur über Farben und in jedem Spieldurchgang wird die Rolle der Tränke neu vergeben. Jetzt kann euch der rote Trank also vergiften, während er euch im nächsten Durchgang heilen kann. Brut@l nimmt dieses Element aus früheren ASCII-Dungeoncrawlern – Wir finden es cool! Ebenfalls eher retro: Neben der Gesundheit müsst ihr auch euer Hungerlevel im Auge behalten, wobei essen auch immer bedeutet, Gesundheit wiederherzustellen, nur nicht umgekehrt.
Toller Stil, fast runde Technik
Brut@l ist doch ein schwarz-weiß Spiel, oder? In manchen Passagen könnte man das meinen. Schwarze Flächen, weiße ASCII-Zeichen. Aber natürlich steckt mehr dahinter. Spätestens an der ersten Feuerstelle seht ihr, dass Brut@l wesentlich mehr kann. Das Spiel sieht insgesamt richtig gut aus, denn vor allem das Effektefeuerwerk bei vielen Elementareffekten und zugehöriger Explosionen auf dem Bildschirm vermag zu überzeugen. Der Stil von Brut@l ist nicht nur auffällig außergewöhnlich, sondern auch rundum gelungen.
Auch technisch haben Stormcloud Games auf der PS4 ein fast rundes Gesamtpaket abgeliefert: Lediglich im Koop-Modus kommt es an manchen Stellen zu unschönen Rucklern. Ansonsten passt der Soundtrack nicht immer: Dieser wird eher in einem dauerhaften Loop abgespielt, anstatt beispielsweise in Kämpfen in die actionreicheren Klänge zu wechseln. Das gilt auch, wenn man im Kerkermeister-Modus unterwegs ist.
Euer eigener Dungeon
Apropos Kerkermeister: Neben dem lokalen Mehrspielermodus und einer Onlinerangliste, die aber bislang nur erfasst, wer die meisten Monster geschnetzelt hat, gibt es in Brut@l keine Mehrspieler- oder Netzwerkfunktionen… Aber die ziemlich coole Funktion, dass ihr eure eigenen Dungeons bauen könnt!
Prinzipiell habt ihr im Kerkermeister-Modus Zugriff auf das gleiche Arsenal von Umgebungselementen, Items und Feinden wie die Entwickler. Das Tool zum Bauen von Dungeons geht sehr gut von der Hand, nachdem man sich ein wenig eingewöhnt hat. Vor allem das Platzieren der Türen und die Unterscheidung von Räumen erfordert ebenso wie das Navigieren durch die vielschichtigen Menüs mit dem Controller etwas Fingerspitzengefühl. Dennoch lassen sich schnell und leicht eigene Kreationen erschaffen, wobei einige konzeptionelle Unterschiede zwischen eigens kreierten und sonstigen Inhalten zu nennen sind.
Wenn ihr eigene Dungeons in Brut@l baut, solltet ihr euch darauf konzentrieren, anspruchsvolle und große Dungeons zu bauen. In selbst kreierten Dungeons gibt es kein Crafting, kein Leveln, kein Fertigkeitenlernen. Die Klassenunterschiede werden somit im Prinzip fast komplett ausgehebelt, denn jeder kann alles, denn man ist auch direkt voll aufgelevelt. Stellt ihr ein, dass ein Gegner oder eine Truhe eine Waffe droppt, dann droppt die Waffe direkt und nicht der Kodex. Das Spielerlebnis ist somit ziemlich zusammengekürzt, zumal ihr auch keinen Dungeon mit mehreren Levels, sondern eben qausi nur eine Etage bauen konnt.
So wird das Bauen von Dungeons natürlich auch ein bisschen einfacher für euch, denn ihr müsst euch nicht um sinnvolle Verteilung von Ressourcen über Ebenen hinweg oder die Platzierung der richtigen ASCII-Zeichen für eventuell gedroppte Kodizes kümmern. ASCII-Zeichen könnt ihr auch gar nicht platzieren, was der eine oder andere etwas schade finden mag. Die Verzauberungen können nämlich in selbst gebauten Dungeons auch nicht vom Spieler vorgenommen werden, sondern ihr legt sie bereits für jede gedroppte Waffe fest. Somit könnt ihr euch als Kerkermeister voll und ganz auf das Erschaffen eines großen, anspruchsvollen und optisch ansprechenden Dungeons konzentrieren, wobei ihr natürlich trotzdem an diverse Details für ein gutes Erlebnis denken müsst: Sind die Waffen sinnvoll platziert, die Gegner fair? Gibt es Schlüssel für alle Türen? Und so weiter. Nach erfolgreichem Testdurchlauf könnt ihr euren Dungeons Namen geben und sie für die Community veröffentlichen.
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Fazit: Brutal gut
Brut@l ist ein unheimlich cooles Spiel. Stilistisch auf den ersten Blick auffällig, hat Stormcloud Games hier viel mehr als einen Stil- oder Grafikblender geschaffen. Der Fokus liegt auf dem actionreichen, vielfältigen und wirklich brutalen Dungeon-Crawling-Gameplay, das viele klassische Elemente wie zufällige Tränke und Heldenhunger mit modernem flüssigem Gameplay unter einem gelungenen Gewand vereint. Die Einstiege in die einzelnen Durchgänge sind tendenziell etwas zu leicht und sorgen in Kombination mit dem schnell ansteigenden Schwierigkeitsgrad eventuell für ein bisschen Frust. Auch im Bereich der Performance gibt es kleinere Makel, ebenso wie die Zufallsfaktoren die Klassenwahl unter Umständen aushebelt. Diesen kleinen Mankos steht aber ein tiefgehendes, anspruchsvolles und langewährendes Spielerlebnis in Brut@l gegenüber. Wer es durch alle 26 Level schafft, hat unseren Respekt verdient. Mit einem gut lernbaren, aber dennoch umfassenden Tool habt ihr zudem die Möglichkeit, eure ganz eigenen Dungeons zu kreieren. Auch wenn das Spielerlebnis dort etwas zusammengekürzt wird, rundet der Kerkermeister-Modus das Spielerlebnis für einen bis zwei Spieler sehr gut ab. Kostenpunkt übrigens gerade mal 14,99€!
Pro | Contra | ||
+ Herausragender grafischer Stil | – Erste Level tendenziell zu leicht | ||
+ Anspruchsvoll und trotzdem spaßig | – Leichte Performance-Probleme im Koop-Modus | ||
+ Tolle Effekte u. gelungenes Farbschema | – Grundsätzlich keine großen Klassenunterschiede | ||
+ Eigene Kerker bauen ist toll | – Zufallsfaktor hebt Klassenwahl teilweise auf | ||
+ Fiese Gegner, Fallen, Elementareffekte: Die Dungeons machen euch fertig! | – Musikuntermalung passt nicht immer | ||
+ Trotz simplen Stils tolle Atmosphäre | |||
+ Zufallsfunktion der Tränke immer wieder spannend (oder tödlich) | |||
+ Eingängiges Steuerungskonzept für alle Klassen | |||
+ Auch Mehrfachverzauberung der Waffen möglich |
- Grafik: 88
- Sound: 77
- Umfang: 90
- Gameplay: 82
- KI: 83
Spielspaß: 88
Singleplayer:
- Story: Story über Bord, Dungeoncrawling braucht das Land!
- Frustfaktor: Stellenweise vorhanden… Die Einstiege sind tendenziell etwas zu leicht, während der Schwierigkeitsgrad dann sehr schnell anzieht.
- Wiederspielwert: Gut: Prozedurale Generierung, bockschwere Dungeons und der Kerkermeister-Modus. Brut@l bietet viel zu tun. Und das alles für nur 14,99€!
- Design/Stil: Außergewöhnlich mit Dungeons aus ASCII-Zeichen. Und sehr gelungen!
- Musik: Die Musik ist an sich nicht schlecht, der dauerhafte Loop passt aber nicht immer zum Geschehen.
Informationen zum Testgerät
Plattform: PlayStation 4 500GB
Hardware: Standard, ohne ausgetauschte Hardware
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 2 Jahre, 8 Monate (PS4 Launchkonsole)
Wir bedanken uns bei Stormcloud Games für das Pressemuster zu Brut@l!
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