American Truck Simulator (Steam) im Test – Detailreich unterwegs

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SCS Software hat sich Zeit gelassen: Eine gefühlte Ewigkeit mussten wir auf den American Truck Simulator warten. Doch schon vor einer Weile zeichnete sich ab, dass die Entwickler Vieles besser machen wollten als beim schon sehr ambitionierten Euro Truck Simulator 2, der uns mit seiner Skandinavien-Erweiterung überzeugte und unzählige Spieler stundenlang an den Bildschirm fesselt. Ob der US-Aufbruch den Erwartungen gerecht werden kann, klärt der Test.

California, here we come!

Ja, die Fans mussten lange warten. Und einerseits ist der American Truck Simulator, wie er nun erschienen ist, dennoch nur der erste (kleine) Schritt auf dem Weg zu SCS Softwares wesentlich größerer Vision, andererseits bekommt man aber auch mehr, als man zunächst vermutet. Aus dem zunächst angekündigten „Starter Pack: California“ wurde nun nämlich eine umfassendere Version: Den DLC mit dem Bundestaat Nevada, der bereits erschienen ist, gibt’s kostenlos obendrauf, ebenso den Arizona-DLC, der demnächst erscheinen wird.

Zum Testzeitpunkt umfasst der American Truck Simulator also zwei US-Bundesstaaten, irgendwann möchten die Entwickler einmal alle abgedeckt haben. Darüber hinaus gibt es auch nur eine wirklich recht knappe Auswahl an Trucks, denn es stehen gerade mal zwei Fabrikate zur Verfügung, die jeweils mit einigen Modellen – hauptsächlich Ausstattungsvarianten – bei den ingame-Händlern vertreten sind. Auch hier soll sich die Auswahl erweitern, sodass irgendwann einmal alle wichtigen Hersteller zur Verfügung stehen.

Erst mal klingt das jetzt vielleicht nicht beeindruckend, jedoch sollte man bedenken, dass der American Truck Simulator auch für gerade mal 20€ im Laden steht – Der Preis repräsentiert also, was ihr erwarten könnt, nämlich ein Basispack statt eines ausgewachsenen Spieles. Und noch dazu ist man alleine in Kalifornien und Nevada eine ganze Weile beschäftigt, das könnt ihr uns glauben. Genauer gesagt ist das Spiel ja auch nie so richtig zu Ende, und bei einem echten Simulator zählt ja auch mehr als nur blanke Zahlen, richtig?

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Die Küste Kaliforniens! So schöne Anblicke erwarten euch.

Viele Fortschritte 

In erster Linie war es für den American Truck Simulator wichtig, dass SCS Software eine solide Grundlage baut, an die man die künftigen Entwicklungen anschließen kann. Es ist deutlich erkennbar, dass die Entwickler hier viel getan haben, wenngleich auch nicht auf den ersten Blick: Vor allem im Hauptmenü und bei der Profilerstellung sieht der American Truck Simulator dem Euro Truck Simulator 2 zum Verwechseln ähnlich! Gleiches Interface, gleiche Menüpunkte, und so weiter. Auch auf der Straße sieht der American Truck Simulator dem ETS bei weniger genauerer Betrachtung zum Verwechseln ähnlich. Zunächst weisen nur die anderen Truckmodelle und das Erscheinungsbild der Spielwelt daraufhin, dass wir es hier mit einem anderen Spiel zu tun haben.

Dennoch gibt es jede Menge Neuerungen und Verbesserungen, die allesamt zeigen, mit wie viel Liebe fürs Detail SCS Software an seinen Titeln arbeitet. In Euro Truck Simulator 2: Scandinavia waren bereits die Ansätze erkennbar, und nun haben die Entwickler so ein Manko beseitigt, dass die früheren Spiele gequält hat: Der Detailreichtum der Spielwelt wurde deutlich nach oben geschraubt! Besonders beeindruckend sind die Städte, denn hier hat man sich die Mühe gemacht, endlich wirklich passende Gebäude und Co. entlang der Straßen zu platzieren und weder kleinere Orte noch die Metropolen müssen sich mit pseudo-Hintergrundbildern zufriedengeben, wie es noch im Basis Euro Truck Simulator 2der Fall war.

Auch wenn wir über Landstraßen oder Autobahnen fahren, haben wir nicht den Eindruck, dass sich hier allzu oft Dinge wiederholen, und im Gesamtbild zeigt sich dann, dass auch optisch durchaus überarbeitet wurde: Insbesondere Licht- und Schatteneffekte sind beeindruckend, vor allem aber sorgen die Wettereffekte und auch Sonnenauf- und –untergänge bei uns immer mal wieder für einen Moment des Innehaltens. Hier hat SCS überaus gute Arbeit geleistet und ein technisches Gesamtpaket abgeliefert, das sich wirklich nicht zu verstecken braucht. Dank bereits bekannter Engine ist der American Truck Simulator zudem überaus gut optimiert. Auf unserem Testsystem läuft der American Truck Simulator bei höchsten Einstellungen fast komplett ruckelfrei, ab und zu kommt es zu kleineren Aussetzern.

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Die Wettereffekte sind beeindruckend (und wirken sich auch aufs Fahrverhalten aus!)

Fahrsimulator mit Wirtschaftsaspekten

Spieler der bisherigen Truck Simulatoren kennen es: Der Fokus liegt auch im American Truck Simulator wieder auf dem Transportieren der Waren und allem, was dazu gehört. Also: In einen Truck steigen, Anhänger dran und fahren! Unterwegs gilt es, Geschwindigkeitsbegrenzungen zu beachten (ein Hoch auf Nevada, dort darf man schneller fahren als in Kalifornien, wo nur lausige 55 Meilen pro Stunde erlaubt sind!), keine Unfälle zu bauen und immer schön brav den Blinker zu setzen.

Zunächst ist man in geliehenen Trucks unterwegs, um sich ein bisschen Finanzpolster anzuschaffen. Wer möchte, kann auch immer in diesen „Schnellen Aufträgen“ weiterfahren. Spannend wird es aber dann, wenn man sich den ersten eigenen Truck kauft, bei dem man zum Glück nicht nur die wenigen Standardmodelle kaufen darf, sondern diese mit Erweiterungen aus den Katalogen des Herstellers anpassen kann. Das kostet mehr und erfordert unter Umständen das Aufnehmen eines Kredits bei der Bank – Wie viel Extraausstattung euch zur Verfügung steht, hängt vom erreichten Fahrerlevel ab.

Mit der Zeit spielen immer mehr Wirtschaftsaspekte ins Spielerlebnis hinein, wobei diese im American Truck Simulator sehr blass bleiben. Die Unternehmensverwaltung und das Einstellen und Verwalten von Mitarbeitern ist recht schnell erledigt und letztlich nicht so umfassend, wie man sich wünschen würde, zumal man sich überlegen muss, ob man wirklich in einen Mitarbeiter und einen LKW für diesen investieren möchte, um hinterher schmale Gewinne mit dem Mitarbeiter herauszuholen. Natürlich lohnt sich das auf alle Fälle, wenn man länger spielt, aber erstmal ist die Investition sehr groß und erfordert für nicht unendlich geduldige Spieler sicher das Aufnehmen eines Kredits. Das ist eigentlich sehr realistisch, wir hätten uns aber letztlich noch mehr Möglichkeiten gewünscht, den Mitarbeitern bestimmte Aufträge zu geben. Hier fühlen wir uns etwas machtlos, das meiste erledigt das Spiel von allein.

Wie „schwer“ man es insgesamt haben möchte – Und das bezieht sich nun in erster Linie wieder aufs Fahren, entscheidet man übrigens selbst. Der American Truck Simulatorbietet jede Menge Einstellungsmöglichkeiten, um Parameter an die eigene Spieleerwartung anzupassen. Diese reichen von der problemlosen Einrichtung der (Controller-)Steuerung bis hin zur Frage, ob der Spritverbrauch eures Trucks realistisch, also variabel, oder linear berechnet werden soll.

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Das „Bestellen“ des eigenen Trucks macht Spaß.

Einige Inkonsequenzen

Erfreulicherweise merkt man auch auf der Straße, dass der American Truck Simulator noch etwas mehr auf Realismus setzt als sein Vorläufer: Endlich gibt es richtige Gesetzeshüter, die das Überschreiten von Geschwindigkeitsbegrenzungen mit eiserner Härte bestrafen. Außerorts werden ganz kleine Vergehen von zwei bis drei Meilen pro Stunde noch nicht geahndet, danach gibt’s aber gleich eine saftige Strafe von 1.000$ zu bezahlen, für das Überfahren einer roten Ampel gar 1.800$.

Leider zeigen sich hier aber auch einige Inkonsequenzen: So reagiert die Polizei beispielsweise gar nicht auf zu hohe Geschwindigkeiten oder wilde Spurwechsel, wenn sie hinter einem fahren – Schade! Darüber hinaus sind sie auch übertrieben streng, wenn man eine Geschwindigkeitsgrenze überfährt: Ist da zufällig gerade ein Polizeiauto in der Nähe, und man hat nicht bis zum entsprechenden Schild genügend abgebremst, gibt’s SOFORT die saftige Strafe. Das ist wenig realistisch… Hier sollte der Strafmechanismus erst nach einigen Metern wieder auslösen.

Der Auftritt der Gesetzeshüter hat aber auch sein Gutes: Man überlegt sich zweimal, ob man zu schnell fährt oder nicht. Gerade auf den Landstraßen kann man aber gerne mal ein bisschen mehr aufs Gas drücken und muss dann nur den Gegenverkehr beobachten. Auf der Autobahn ist das mit dem Rasen schon schwieriger, denn wenn euch eine Polizei überholt, während ihr zu schnell unterwegs seid, seid ihr dran.

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Seht ihr die Polizei hinter uns? Nicht? Na gut, die machen da leider eh nichts…

Ist das realistisch genug?

Fakt ist: Der American Truck Simulator wurde mit viel Liebe zum Detail entwickelt und gerade die (wenigen) LKW-Modelle machen wirklich eine gute Figur, da wurden auch die Cockpits detailreich nachgebaut. Wie schwer die Ladung ist, die man gerade transportiert, merkt man an der Zugkraft seines Trucks. Ansonsten unterscheiden sich die Ladungen aber nur kosmetisch: Ob man mit einem Bagger auf dem Anhänger oder Ethan im Tank unterwegs ist, merkt man beim Spielen in der Cockpitansicht eigentlich nicht – Auch nicht daran, wie schnell die Ware Schaden nimmt, was etwas schade ist. Überhaupt hätte das Schadensmodell endlich eine gründliche Überarbeitung verdient, ebenso wie das Kollisionssystem und dessen Berechnung von Schäden.

Auch in Bezug auf die Spielwelt hätten wir uns hin und wieder doch noch mehr Realismus gewünscht – Dinge, die viele andere Spiele längst hinbekommen. Beispielsweise Unfälle passieren selbst beim dichtesten Verkehr in der Stadt oder auf dem Highway nur selten – Und wenn, dann wohl eher, weil die KI mal einen Hänger hatte. Übrigens fahren die Verkehrsteilnehmer meistens relativ zuvorkommend und rücksichtsvoll. Die Vorfahrt nehmen werden sie euch zumindest nicht.

Dass Fußgänger in der Spielwelt platziert wurden, die teilweise auch mit Objekten interagieren, sehen wir sehr gerne. Aber es wären so einige weitere Kleinigkeiten, die wir uns noch gewünscht hätten. Dass Krankenwagen und Feuerwehren auch mal im Einsatz sind, wenn ihre Wagen schon so massenhaft in der Spielwelt unterwegs sind, und überhaupt, dass mal Unerwartetes geschieht. Es gibt zwar viele nette kleine Details in der Spielwelt, wie beispielsweise herumwehende Strohballen, oder Flugzeuge oder Segelflieger im Himmel, aber leider zu wenig, was uns auf der Straße beeinflusst. Das ist zwar Meckern auf hohem Niveau, bedenken wir aber, dass auf dem American Truck Simulator ja noch sehr, sehr lange aufgebaut werden soll, wären das einfach Dinge, die wir uns mittlerweile gewünscht hätten.

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PostEd – Was kann das wohl nur sein?

Fazit: Eine gute Basis & Luft nach oben

Keine große Überraschung: Der American Truck Simulator ist ein sehr, sehr solider Simulator und einer der besten Vertreter des Genres, den man derzeit bekommen kann. Dass das derzeitige Produkt dabei die Basis für viele Erweiterungen ist, die die Entwickler geplant haben, ist positiv und negativ zu werten: Auf der einen Seite bekommt man zum recht schmalen Einstiegspreis von knapp 20€ ein Basispaket, welches schon umfangreicher ist, als zunächst angenommen, andererseits hätten wir uns hier und da noch ein bisschen mehr gewünscht. Denn während der American Truck Simulator mit viel Liebe zum Detail im Hinblick auf das LKW-Fahren und die Spielwelt überzeugt, sind vor allem die brandneuen Gesetzeshüter noch nicht ganz so ausgereift, wie sie sein könnten. Und auch die Spielwelt ist uns trotz netter kleiner Details noch ein wenig zu statisch und zu wenig überraschend. Ja, irgendwo meckern wir auf hohem Niveau, aber dafür sind wir ja auch da. Unterm Strich steht letztlich dieses Fazit: Der American Truck Simulator ist ein gutes Spiel und man braucht sich nicht schämen, Stunde um Stunde hier zu investieren. Für die künftigen Episoden gibt’s aber eben auch noch Luft nach oben.

Pro Contra
+ Viel Liebe zum Detail (Spielwelt, Trucks) – Truckauswahl wirkt knapp
+ Solides Starterpaket zum günstigen Preis – Spielwelt zu statisch (kaum Unfälle, und Überraschungen usw.)
+ „Echte“ Gesetzeshüter… – … die hin und wieder leider ganz schön nervig und inkonsequent sind
+ Beeindruckende Licht- und Wettereffekte – Schadensmodell benötigt Überarbeitung
+ Viele Einstellungsmöglichkeiten, problemlose (Controller-)Steuerung – Wirtschaftsaspekt (Unternehmen, Mitarbeiter) eher zu lasch
+ Unendlich viele Aufträge

Technik: 73

  • Grafik: 84
  • Sound: 71
  • Gameplay: 80
  • Umfang: 68
  • KI: 64

Spielspaß: 80

Einzelspieler:

  • Story: Hier schreibt ihr eure Geschichte selbst – Braver Trucker oder rasender Bleifuß?
  • Wiederspielwert: Wer gerne fährt, fährt immer wieder. Und nicht vergessen: Das Spiel wird ja auch immer erweitert (teils sogar kostenlos, ja!).
  • Frustfaktor: Stellenweise vorhanden – Durch die manchmal überempfindliche Polizei.
  • Design/Stil: Stimmig und detailverliebt, technisch zudem überzeugend. Gut!
  • Musik/Sound: Die Soundeffekte sind in Ordnung, reißen aber auch nicht vom Hocker. Recyclet auf dem Euro Truck Simulator 2.

Informationen zum Testgerät
Intel Core i5-3470 (3.20Ghz)
8,0GB RAM
Radeon HD 7990 (3GB)
Titel installiert auf 2TB-Festplatte (7.200 U/min)
Windows 10 Professional (64 bit)

Wir bedanken uns bei astragon für die Bereitstellung des Reviewmusters zu American Truck Simulator!

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Manuel Eichhorn
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