Die Bande aus der Baker Street – Das geht so nicht, Netflix

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Als Harrison Osterfield, einer der Schauspieler:innen von Die Bande aus der Baker Street, vor einigen Monaten schrieb, dass er für was Großes auf der Bühne steht, dachte ich, dass wir es mit etwas wirklich Großem zu tun bekommen. Vor ein paar Wochen gab es dann den ersten Trailer und erste Bilder vom Set. Ende März wurde die Serie auf Netflix veröffentlicht – und es gab für mich wenige Momente, die es sich lohnte, die Serie positiv zu erwähnen.

Die Bande aus der Baker Street oder The Irregulars, wie es im Orginal heißt, spielt im viktorianischen London, theoretisch zumindest, denn die Gesellschaft bleibt flach und schwarz-weiß. Wenn du nicht schon etwas über diese Zeit weißt, lernst du auch nichts dazu. Doch das ist nicht das einzige, was flach bleibt. Ich bleibe erst einmal kurz bei der Story.

Wie es der deutsche Name bereits vermuten lässt – und wahrscheinlich ist das der einzige Grund, warum Netflix der Serie einen deutschen Namen gegeben hat, sonst wären die Einschaltquoten vermutlich sehr niedrig – geht es um eine Gruppe Jugendlicher, die theoretisch auf der Straße leben, aber eigentlich in einem Keller hauen, für den sie sogar Miete zahlen. Diese Jugendlichen werden von Beatrice angeführt, deren Mutter vor 15 Jahren Selbstmord begann. Eines Tages trifft Bea auf Doktor John Watson. Und wer bis hierhin noch nicht mitgezählt hat: Baker Street, 221b und auch John Watson führen schlichtweg zu Sherlock Holmes. DEM Privatdetektiv des viktorianischen Englands, über den ganze Bibliotheken geschrieben wurden.

Und so episch wie das Ganze jetzt klingen mag, so platt und lahm ist es am Ende. Aus den Romanen ist bekannt, das Sherlock immer wieder mit Straßenkindern gearbeitet hat, weil diese einfach seine Augen und Ohren in der Stadt war. Meine Idee war, dass Die Bande aus der Baker Street genau diese Kinder darstellt, aber das ist nicht so ganz richtig. Im Grunde sind die Kinder diejenigen, die mysteriöse Fälle in London lösen. Und zwar ziemlich mysteriöse Fälle: Mal ist es ein Mann, der Vögel herbeirufen kann, mal ein Mädchen, das Gesichter von Menschen abschneidet und selbst aufsetzt. Soweit so gut.

Typische Ermittlungen fehlen. Immer sind die Kids zufällig direkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um den Verbrecher oder die Verbrecherin zu stellen, in den meisten Fällen töten sie diese dann auch direkt. In fast allen Fällen – außer dem Staffelfinale – sind diese Momente, in denen die Gesuchten gestellt werden, innerhalb weniger Minuten erledigt. Und Sherlock selbst wird lediglich als drogenabhängiger Junkie dargestellt, der nicht mal Teesorten unterscheiden kann und eigentlich nie etwas Sinnvolles beiträgt. Sherlock Fans werden hier nicht auf ihre Kosten kommen, sondern sich eher fragen, was das soll.

Immerhin versucht Netflix, sich ein bisschen an der Holmes Geschichte entlang zu hangeln und baut bekannte Figuren ein: Lestrade, zum Beispiel, kommt in einer Folge vor. Und auch Mycroft spielt in der dritten Folge eine mehr oder weniger wichtige Rolle, zumindest kommt er mal vor. Letzterer taucht dann übrigens nie wieder auf. Was mit ersterem geschieht, verschweige ich an der Stelle. Übrigens ist die dritte Folge eine der besten, die die Serie überhaupt zu bieten hat.

Und dann gibt es da noch Leopold, ein hochrangiger Adeliger, der sich natürlich in Bea vom Keller verliebt, aber aus seiner Haut nicht herauskann – und dabei die ganze Zeit ziemlich flach bleibt. Da hatten wir von Mister Osterfield ein bisschen mehr erwartet, zumal seine schauspielerischen Leistungen nicht gerade hervorragend sind. Ich glaube, dass er nicht ernst gucken kann, denn alles, was er sagt, wirkt, als würde er es mit einem Lächeln sagen.

Und da bin ich auch schon bei den Figuren, die keinerlei Entwicklung durchmachen. Bea, die Anführerin, bleibt die starke Frau, wie die ganze Zeit. Leo glänzt nur am Anfang mit Wissen, das er sich angelesen hat, wird dann aber wieder platt. Billy kann man nur anhand seiner Fäuste beschreiben. Und Spike ist wenigstens so was wie gute Seele. Dann gibt es noch Jessica, die irgendwie immer beschützt werden muss und in die Köpfe anderer gucken kann. Alle Charaktere bleiben die ganze Staffel über flach und platt, niemand entwickelt sich weiter.

Netflix hätte hier eine richtige gute Serie schaffen können, hätte man sich mehr Zeit genommen, um die Welt zu zeigen, um das Problem mit dem Riss zur anderen Seite zu erklären, um eine wirkliche Bedrohung aufzubauen – und um die Lücken zu schließen, die oft durch die wenigen Folgen entstehen. Die Beziehungen der Charaktere untereinander wären auf diese Weise auch natürlicher gewachsen und Leos und Beas Beziehung wäre nicht nur durch eine Dübelparty im Keller auf ihren Höhepunkt gekommen.

Die Bande aus der Baker Street bleibt für mich eine flache Serie, die Sherlock in ein schreckliches Licht stellt, und die ganze Idee verpasst, die man daraus hätte machen können. Was, wenn die Kids alle Fälle lösen, aber Sherlock die Lorbeeren ernten würde? Oder generell: Warum wurde nicht nach Leo gesucht, während er mehrere Tage mit im Keller lebte? Wieso wurde die Armut nicht anders dargestellt? Stattdessen wird regelmäßig gespart, um sich Fish & Chips leisten zu können, und das Fass im Keller ist auch immer mit frischem Wasser gefüllt.

Manuel und ich werden dankend auf eine zweite Staffel verzichten, sollte Netflix diese bestätigen, denn eine weitere Staffel, in der sich niemand entwickelt, wir nichts über die Gesellschaft lernen, wenn wir es nicht schon wissen, und die Sherlock so entehrt, brauchen wir gewiss nicht.

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Beatrice Eichhorn
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