No Longer Home (PC) im Test – Nicht-binäre Abschiede

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Ich beobachte No Longer Home schon eine Weile, auch wenn ich bisher noch nicht die Gelegenheit hatte, die Demo zu spielen, bevor ich den Titel für euch auf dem PC via Steam getestet habe. Ich war mir nicht sicher, worum es gehen wird, außer um Abschiede und zwei Protagonisten, die halbbiografisch das Leben der Entwickler/-innen nachempfinden. Ob ich mich selbst im Spiel wiedergefunden habe und ob mir No Longer Home zugesagt hat, erfährst du in meiner Review. !B

Zu sehen sind zwei Personen. Eine der beiden Personen sagt: "Well, I'm not sure I feel like a women either, so... Yeah. I don't know what."

Es beginnt mit einer Content Warnung

Wenn du No Longer Home das erste Mal spielst, tauchst du in einen Prolog ein, in dem du beide Protagonist/-innen Ao und Bo kennenlernst, die sich gegenseitig gestehen, dass sie nicht-binär sind, also im Englischen mit dem Pronom „they“ angesprochen werden möchten. Da wir im Deutschen keine sinnvoll klingende Alternative haben, werde ich das von mir häufig verwendete sier und ihrm verwenden, das auch schon in Mutazione Anwendung fand.

Nachdem Prolog landest du im Hauptmenü und kannst den Hauptteil von No Longer Home starten. Wenn du aufmerksam bist, siehst du vielleicht die Content Warnung im Menü, denn es geht um Abschiede und auch teilweise ein bisschen um Suizidgedanken. Und auch ums Erwachsenwerden, was für viele auch sehr erschreckend ist – unter anderem für mich.

Doch ich bin froh, dass es diese Warnung gibt, denn so kann hinterher niemand sagen, sier sei nicht vorgewarnt worden. !B

Im Hintergrund ist ein Beet mit grünen Büschen zu sehen. Im Vordergrund zwei Menü Fenster. Das rechte dient der Levelauswahl, auf dem linken ist eine Inhaltswarnung auf Englisch vor leichten Suizidgedanken, teilweise Depressionen, Missbrauch von Alkohol und körperlicher Gewalt zu lesen.

Ein bisschen wie ein Point and Click Spiel

Wenn ich an No Longer Home denke, fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu finden, um das Gameplay zu beschreiben. Ein bisschen ist es wie ein Point and Click Adventure, nur ohne Rätselaspekte: Immer wieder schlüpfe ich entweder in die Rolle von Ao oder Bo, um mit einem von beiden durch die Wohnung zu gehen, die sie schon bald verlassen müssen. Ao wird wieder nach Japan zurückkehren, Bo ins Haus der eigenen Eltern, doch beide wissen noch nicht recht, was sie mit der Zeit nach ihrem Studium wirklich anfangen wollen.

Ich steuere beide mit der Maus, die unschöne Kamera lenke ich mit dem Tasten A und D. Immer wieder kann ich Dinge in der Wohnung betrachten und erfahre mehr Informationen über Bo oder Ao oder den Gegenstand selbst. Manchmal finde ich auch Leute, mit denen ich reden kann, so beispielsweise auf dem Barbecue, das veranstaltet wird, um sich zu verabschieden. Das war’s theoretisch vom Gameplay, hier gibt es keine Tiefen zu erwarten. Die meiste Zeit lese ich nur englischsprachige Texte über Abschiede und Angst vor etwas Neuem und entscheide mich hin und wieder für Antworten, von denen ich nie genau weiß, wer sie jetzt sagt oder wer überhaupt redet. Dabei fiel mir zudem auch auf, dass die Charaktere keine wirkliche Stärken oder Schwächen aufweisen. Bis auf die unsichere Amy waren alle anderen Figuren recht platt und unbestimmt. Irgendwie ersetzbar.

Ein bisschen mehr Gameplay hätte ich mir allerdings gewünscht, sodass ich auch was tun kann und nicht nur so viel lese und zugucke. Auch technisch hätte ich mich noch ein bisschen mehr über Polishing gefreut, denn nicht nur die Kamera ist irgendwie seltsam eingestellt, häufig laufen die Protagonist/-innen auch noch ein bisschen weiter, bevor sie ein Zimmer betreten. Dafür ist der Soundtrack einer hammermäßiges Erlebnis und die empfohlenen Kopfhörer sind definitiv Gold wert.

No Longer Home erzählt eine Geschichte über Abschiede und die Angst vor dem, was danach kommt. Eine Angst, die ich nie wirklich gefühlt habe, weil ich immer wusste, wie es bei mir weitergehen wird. Ao und Bo sind beide sehr unsicher und wissen nicht, was sie als nächstes machen sollen, was sie erwartet. Dabei haben sie gerade fertig studiert. Ao geht nach Japan zurück. Hat man da nicht Pläne? Oder zumindest Träume? Dennoch sind die Gespräche, die die beiden führen, sehr tiefgründig und fassen viele Gedanken, die man so immer mal wieder hat im Leben, sehr gut zusammen. !B

Eine nicht-binäre Welt

Beide Hauptcharaktere in No Longer Home sind nicht-binäre. Was bedeutet, dass sie sich weder als Mann noch Frau wahrnehmen, sondern einfach sein wollen. Im Prolog wird das von beiden auch ausgesprochen, dennoch spielt es später keine wirkliche Rolle. Alle Freund/-innen akzeptieren das und sprechen von they. Nur Ao bringt es einmal an, als ich mit ihrm den Herd betrachte.

Sier sagt, dass sier in Japan als „gute Hausfrau“ bezeichnet werden wird und macht sich über den Begriff Gedanken. Ao wundert sich, warum es dafür keine geschlechtsneutrales Wort gibt. Und da bin ich ganz bei ihrm, denn im Deutschen gibt es zwar Hausmann, doch sind beide Begriffe eigentlich hart veraltet und auf der anderen Seite werden Hausmänner immer noch sehr belächelt.

Bo hingegen, dier in einem männlichen Körper sitzt, macht sich darüber keine Gedanken. Sier ist entweder schon komplett akzeptiert oder ihrm ist es restlos egal, was andere Leute über siehn denken. Als nicht nicht-binäre Person habe ich mir hier jedoch noch ein paar mehr Einblicke gewünscht, da ich mir aktuell nicht vorstellen kann, nicht-binär zu sein. Deswegen fand ich Aos Gedanken schon sehr interessant und hätte mir noch mehr Einblicke gewünscht. Generell hätte ich mir noch ein bisschen mehr Gameplay gewünscht. Ich war zwar irgendwie froh als No Longer Home nach knapp zwei Stunden vorbei war, aber bis auf eine recht tiefe Story und einem hammermäßigen Soundtrack fühlt es sich irgendwie unvollständig an.

Dennoch mag ich die Geschichte und die Unterhaltungen in No Longer Home. Es sind häufig die richtigen Dinge, die gesagt werden. Am meisten hat mir jedoch die Geschichte über den Tunnel unterhalb von London gefallen, denn hier soll eine Strecke gebaut werden, damit man nicht mehr umsteigen möchte, wenn man zwischen den Enden der Stadt reisen möchte. Unter anderem wurde die Strecke von Heathrow nach London rein erwähnt, die wir persönlich immer sehr schön und entspannend finden, da sie durch die ländlicheren Gegenden führen. Das war allerdings ein Thema, was mir wirklich gut gefallen hat. !B

Auf dem Bild ist eine Londoner U-Bahn Station zu sehen. Vor dem Linienschild in der Mitte wartet eine Person auf den nächsten Zug. Rechts von ihr ist das Londoner Tube Symbol zu sehen.

Fazit: Eine nette Erfahrung

No Longer Home ist eine Erfahrung von gut zwei Stunden, die über Abschiede und Ängste, über Neubeginne und Vergangenheiten erzählt, jedoch spielerisch nicht viel mit sich bringt. Es ist kein rätselbehaftetes Point and Click Adventure, obwohl es sich einige Elemente von dort ausborgt. No Longer Home ist stellenweise eine gute Erfahrung, auch wenn es mir manchmal nicht tief genug geht und ich mir an manchen Stellen doch mehr Inhalt gewünscht habe. Auch bleiben die Charaktere, bis auf Amy, alle ziemlich nebensächlich. Ich kann manchmal kaum unterscheiden, wer gerade spricht, und doch lausche ich dem hervorragenden Soundtrack, der wirklich erst so richtig zur Geltung kommt, wenn ich Kopfhörer aufsetze. Es ist schwierig, für No Longer Home ein treffendes Fazit zu schreiben, da der Titel für mich stellenweise unvollständig wirkt, es allerdings so ein Titel ist, der für andere die Welt bedeuten kann.

ProContra
+ Tiefgehende Geschichte über Abschiede und Weitergehen…– … die mir in einigen Aspekten jedoch zu oberflächlich bleibt
+ Sehr guter und gelungener Soundtrack– Charaktere bleiben meist platt und lassen sich kaum unterscheiden
+ Nicht-binäre Charaktere– Spielerisch ein bisschen wenig Inhalt, außerdem relativ langsam
+ Content Warnung im Spiel selbst– Kamerasteuerung seltsam
Das Bild zeigt einen Score von 70 an.

Technik: 70
Grafik: 82
Sound: 95
Umfang: 53
Gameplay: 64
KI: 56

Spielspaß: 70

  • Story: No Longer Home erzählt von Abschieden und der Angst, etwas Neues und Unbekanntes zu erleben und Altes hinter sich zu lassen.
  • Frustfaktor: Manchmal ist alles ein bisschen lange – außerdem finde ich die Kamera sehr frustrierend.
  • Design/Stil: Der passt, auch wenn dadurch die Charaktere teilweise platt und austauschbar wirken.
  • Musik und Sound: Der Soundtrack ist sehr gut und lohnt sich vor allem mit Kopfhörern.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: 9,99 € finde ich teilweise ein bisschen viel für das, was man wirklich bekommt. 8 € hätten es vermutlich auch getan.

Offenlegung

Wir haben einen Review Key zu No Longer Home kostenlos erhalten.

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Beatrice Eichhorn
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