Tamarin (PS4) im Test – Wie die Uzi die Welt verändert

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Tamarin aus dem Hause Chameleon Games war lange in Entwicklung und hat auch eine gute Community um sich geschart. Im Mainstream-Gaming ist das Spiel sicher nicht so bekannt. Ob es sich ändert, bleibt nach meinem Test für mich fraglich – ich habe mich eine ganze Weile auf den Titel gefreut. Ob es sich gelohnt hat, verrät unsere Review zur PS4 Version.

Platformer oder Shooter? Beides

Jup, ich wusste, dass mich mit Tamarin ein Genremix erwartet. Jup, ich wusste, dass die eigentlich friedliche Welt der Tamarine von bösen Killerameisen heimgesucht wird. Die Umsetzung hatte ich mir dennoch anders vorgestellt, denn die Welt in Tamarin wird schon aus den Fugen gerissen, wenn mir in Spielminute fünf ein Igel eine Uzi überreicht. Aus den Fugen gerissen wird dabei nicht nur die Welt der Tamarine, sondern auch meine.

Ich habe schon vernommen, dass Tamarin anscheinend stark von Jet Force Gemini inspiriert ist – wer dieses Spiel aus 1999 von Rare kennt, weiß also möglicherweise, was ihn erwartet – doch anscheinend ist Tamarin ein teils dreister, insgesamt aber nicht besonders gelungener „Nachfolger“ dazu. Ich finde die gebotene Gameplay- und Genremischung auch ohne die Inspiration zu kennen nicht besonders gelungen.

In erster Linie liegt das daran, dass Tamarin überhaupt nicht wie aus einem Guss wirkt: Als kleiner Affe renne ich mit einer Uzi herum, schieße Ameisen ab, die dann in grüne Fetzen zerfliegen, und das alles in einer Spielwelt, in der die friedlichen Naturgebiete rein gar nicht zu den industriellen Bauten der Ameisen passen. Ich weiß genau, was Tamarin möchte: Es möchte genau diesen Einbruch der Ameisen in die natürliche Welt der anderen Tiere darstellen: Doch sowohl künstlerisch als auch handwerklich setzt Tamarin das Ganze einfach nicht gekonnt in Szene. Es wird wie ein Mix aus guten Ideen, dem die kreative Richtschnur fehlt.

Die Welt der Tamarine wird zerstörert – du musst sie retten!

Kein kreatives Ganzes

Assassin’s Creed Odyssey war eins der letzten Spiele, die für mich stellenweise den Eindruck hinterlassen haben, dass zu viele Köche kurz davor waren, den Brei zu versalzen. Manche Elemente, Quests oder einfach nur Kleinigkeiten passten einfach nicht so richtig ins Spiel. Doch Tamarin ist ein Spiel, dass diese Disharmonie fast im gesamten Spielverlauf repräsentiert.

Es gibt Abschnitte in Tamarin, in denen man seine Waffen abgibt, der stärkste Angriff ist dann die Rolle des Tamarinen, gespickt ist das Abenteuer dann eher mit Platformer Einlagen. In diesen Abschnitten habe ich das Spiel vor mir, dass Tamarin hätte sein können: Die Missionen des kleinen Affen, seine Welt zu retten und zu erhalten. Doch schwupps, wenige Minuten später bekomme ich Uzi und Maschinengewehr zurück und alles ist verflogen.

Da hilft auch der gute Soundtrack wenig, der so ziemlich das Einzige ist, das das Erlebnis zusammenhält: Die Musik passt immer zum Geschehen auf dem Bildschirm, ist teilweise wunderschön. Optisch dagegen kann Tamarin dagegen nicht komplett beeindrucken: Zwar haben die Entwickler sich sichtlich Mühe gegeben, das Spiel bei 60 Bildern pro Sekunde auf PS4 (Pro) laufen zu lassen, und die Spielwelt hat ihre hübschen Momente, doch auch sie wirkt irgendwie eher wie zusammengeworfene Assets als eine Spielwelt, die wirklich von Hand kreiert wurde. Echte Faszination bleibt aus.

Irgendwie passt alles nicht zusammen – spielerisch und optisch.

Die Kamera aus den 90ern

Weswegen ich mir noch wünsche, man hätte auf die Ballereinlagen verzichtet: Sie sind die spielerisch schwächsten Teile von Tamarin. Die Schießeinlagen sind furchtbar unpräzise zu steuern, das Fadenkreuz scheint manchmal ein Eigenleben zu entwickeln, doch noch schlimmer ist die Kamera. Ich spiele bewusst keine (mäßigen) Platformer aus den 90ern mehr, in denen einen die Kamera ständig ärgerte und einfach nicht mitspielte: Wer es aber auch 2020 so erleben möchte, ist mit Tamarin gut bedient.

Auch beim Erkunden und Schießen in der Welt nervt die unpräzise Steuerung.

Es gibt ohnehin einige bockschwere Abschnitte in Tamarin, wobei das Spiel keine besonders gute Figur macht, einem zu vermitteln, wann gespeichert wird und wann nicht. Stellenweise gibt es so was die Checkpoints, doch auch die sind nicht konsequent verteilt und bei bestimmten Aktionen speichert Tamarin dann doch.

Doch nicht alles im Spiel ist modern: Die Aufgabe ist ja, die Welt zu retten, in dem man Vögel vor den Ameisen rettet. Doch Vorsicht: Die blauen Vögelchen können sowohl von gegnerischen als auch eigenen Waffen umgebracht werden – frustrierend. Die Vögel wiederum dienen dazu, Glühwürmchen zu sammeln, mit denen man neue Tore in der Spielwelt öffnet. Glühwürmchen sind aber manchmal auch einfach so in der Welt.

Jedenfalls: Früher oder später ist man gezwungen, Level in Tamarin zu wiederholen. Man kann sie über die verbindende Oberwelt wieder betreten, doch ist man einmal drin, gibt es kein Weg zurück: Das Level muss komplett gespielt werden, ebenso gibt es eben keine Schnellreise hin oder zurück. Irgendwie ist das alles ziemlich unübersichtlich und langatmig: Immerhin kann man einsehen, wo man wie viel von was gesammelt hat. Dennoch steht man in Tamarin auch oft da und weiß nicht so richtig, wo man weitermachen sollte.

So was hier klappt gut – doch manches ist frustrierend.

Fazit: Hätte was werden können

Ich konnte meine Erwartungen an Tamarin im Vorfeld nicht genau definieren. Doch definitiv nicht erwartet habe ich, dass mein Test eher ein Verriss werden würde. Es ist ja nicht so, dass Tamarin nicht aus vielen guten Ideen bestünde – ganz im Gegenteil. Auch dem Mix aus Platformer und Shooter kann ich etwas abgewinnen, doch die Umsetzung gelingt weder künstlerisch, noch handwerklich. Wenn mir in der fünften Minute als kleinem Affen eine Uzi überreicht wird, bricht das irgendwie schon stilistisch alles: Doch ausgerechnet die Shootermechanik nervt mit fehlender Präzision und paart sich mit einer schrecklichen Kamerasteuerung, die teils auch die süßen Platforming-Einlagen vermiest. Rein technisch wurde Tamarin in seiner langen Entwicklungszeit hochpoliert, doch dennoch hinterlässt auch die Optik nicht das Gefühl eines künstlerisch stimmigen Ganzen. Zusammengefasst: Tamarin ist für mich eine große Enttäuschung geworden.

ProContra
+Technisch recht poliert (60 Bilder pro Sekunde)– Schreckliche Kamerasteuerung
+ Musik gelungen– Shootereinlagen unpräzise
+ Grundsätzlicher Genremix ansprechend– Affe mit Uzi nicht wirklich stimmig
– Auch optisch wenig künstlerisch umgesetzt
– Frustrierende Abschnitte
– Unklares Speichersystem

Technik: 59
Grafik: 66
Sound: 77
Umfang: 65
Gameplay: 40
KI: 48

Spielspaß: 24

  • Story: Die Geschichte ist putzig und auch herzzerreißend.
  • Nachhaltigkeitswert: Die Story beschäftigt ungefähr sechs Stunden. Wer alles sammeln möchte, kann auch mehr Zeit investieren.
  • Frustpotential: Teilweise vorhanden – wegen schwieriger Stellen und der Spielstruktur.
  • Design/Stil: Technisch recht poliert – optisch aber kein kreatives Ganzes.
  • Musik und Sound: Die Musik ist gut gelungen.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: Die 40€ für Tamarin finde ich schon deutlich zu hoch angesetzt.

Offenlegung

Ein Reviewkey zu Tamarin wurde uns vom Publisher zur Verfügung gestellt.

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Manuel Eichhorn
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