Tchia (PS5) im Test – Ein seelenkundiges Abenteuer in bunter Welt

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Mit Tchia liefert Awaceb sein zweites Spiel nach dem Erstlingswerk Fossil Echo. Bei Tchia handelt es sich um ein Action-Adventure in einer offenen Spielwelt, das dir sehr viele Freiheiten lässt. Es bietet eine bunte Spielwelt, die dich viele Stunden beschäftigen kann – die Story bleibt im direkten Vergleich etwas hinter den Erwartungen zurück, während ein paar kleine Kniffe dem Spiel gut getan hätten, damit es einen noch runderen Gesamteindruck hinterlässt. Dennoch ist Tchia eins der schönsten Abenteuer, das ich seit einer Weile gespielt habe.

Die Heldin unserer Geschichte

Die Erzählweise von Tchia macht die Diskrepanz zwischen Ereignissen der Story und tatsächlichem Spielgeschehen etwas erträglicher: Die Geschichte von Tchias Reise wird nämlich eigentlich rückblickend erzählt, einer Gruppe von Kindern viele Jahre in der Zukunft. Somit lässt sich gut nachvollziehen, dass die Geschichte in Fragmenten erzählt wird und zwischendurch ausgeschmückt wird.

Sieht man sich nämlich Tchias Reise an, die man spielt, so könnte der Widerspruch zwischen vermeintlichem Zeitdruck und der ausufernden Erkundung größer nicht sein: Tchia macht sich eigentlich auf, ihren Vater und viele weitere Bewohner:innen des Archipels aus den Fängen von Meavora zu retten, der das Böse in der eigentlich friedlichen Welt verteilt. Dennoch nimmt sich Tchia unglaublich viel Zeit zum Erkunden und ihr Handeln gegen Meavora scheint auf der feindlichen Seite unbemerkt bzw. ohne Konsequenz zu bleiben.

Doch zurück zum Abenteuer: Ähnlich groß ist der Unterschied zwischen der Spielzeit der Hauptgeschichte von Tchia und den Möglichkeiten der offenen Spielwelt. Würde man einfach nur die Storyziele ablaufen und alles schnellstmöglich erledigen, könnte man Tchia sicher in fünf bis sieben Stunden durchspielen. Doch ich sage es mal so: Das ist unrealistisch. Denn ständig lässt man sich von irgendwas ablenken, macht die nächste Sache in der offenen Welt, noch einen Abstecher hier hin… und so weiter. Die Spielwelt ist auch viel zu schön, um ihre Geheimnisse links liegen zu lassen. !B

Tchia schwimmt im Sonnenuntergang auf eine Insel da, der Himmel in abendliche Farben getaucht.
Von Anfang an verzaubern Ansichten wie diese.

Die Welt liegt dir zu Füßen

Wenn man es kritisch betrachtet, folgt die Welt von Tchia dem fast schon etwas angestaubten Konzept typischer offener Welten: Es gibt quasi überall was zu tun und wenn man ehrlich ist, sind einige der Aktivitäten auch nicht wirklich relevant oder eben auch etwas repetitiv. Doch Tchia verpackt das Ganze einfach etwas anders, dass automatisch der natürliche Entdeckertrieb geweckt wird und das Ganze den Anstrich eines kindlich-jugendlichen Abenteuers bekommt.

Die größte Sache ist wohl, dass man fast nie exakt weiß, wo auf der Karte man ist: Nur an ganz wenigen Stellen, zum Beispiel an Aussichtspunkten, kann man mit Sicherheit seine genaue Kartenposition sagen. Ansonsten gilt: Sich an den Himmelsrichtungen, der Landschaft und den selbst gesetzten Markierungen auf der Karte arbeiten. Schon lange habe ich in einem Spiel nicht mehr so intensiv mit eigenen Wegpunkten gearbeitet, und eben mit dem Kompass.

Hinzu kommt, dass man in Tchia klettern, schwimmen, tauchen und sogar fliegen kann und muss, um alles zu erreichen. Da kommt auch die Fähigkeit zum Seelensprung von Tchia ins Spiel: Sie kann die Kontrolle über Objekte und Lebewesen übernehmen. Das schließt Schlangen, Fische, Krabben, Steine, Vögel und Vieles mehr ein. Bei manchen der Möglichkeiten ist es einfach nur cool, es mal erlebt zu haben. Doch vor allem mit gesteigerter Ausdauer sind Vögel sehr sinnvoll, um höhere Punkte in der Spielwelt schnell zu erreichen oder um sich schneller fortzubewegen.

Derweil kann auch alles erklettert werden – genügend Ausdauer vorausgesetzt. Der eine oder andere mag hier Breath of the Wild wieder erkennen, das sicherlich auch Tchia etwas geprägt hat. Ähnlich ist es ja auch mit der Spielwelt: Zwar hast du immer irgendein Ziel, wo du jetzt hingehen kannst, allerdings steht es dir jederzeit völlig frei, wo du wirklich hingehst. Und wenn du deine Ausdauer und deine Seelenkraft ausbaust, wirst du es in der Story und bei der Erkundung der offenen Welt umso einfacher haben. !B

Screenshot der Karte in Tchia, darauf ist der Kompass abgebildet und rechts wird aufgelistet, wie viel von welcher Aktivität bereits erledigt ist.
Du musst intensiv mit der Karte arbeiten – dort gibt es Hinweise und du kannst die Markierungen setzen.

Fast richtig wholesome

Während das Gameplay in der offenen Spielwelt auf Dauer durchaus etwas gleichförmig sein kann, sind die Tempel spielerisch sehr abwechslungsreich. Ja, auch hier lässt sich natürlich eine gewisse Inspiration bei The Legend of Zelda erkennen. Cool ist: Um einen Tempel betreten zu können, muss man erst das passende Totem schnitzen. Wird das Totem in den Eingangsbereich gelegt, öffnen sich die Tempeltüren, wo dann jeweils eine spielerische Herausforderung wartet. Aber sei versichert: Der gesamte Schwierigkeitsgrad von Tchia ist wirklich moderat!

In der offenen Spielwelt ist in erster Linie schade, dass sich der tatsächliche Nutzen von Seelensprüngen in Grenzen hält. Anders gesagt: Es gibt kaum Fertigkeiten von Objekten oder Tieren, die man wirklich sinnvoll nutzen kann. Mit dem simplen Werfen von Gegenständen kommt man meist genauso weit. So richtig vollumfänglich genutzt wird das Feature also nicht. Vor allem für die Kämpfe hätte man da mehr Möglichkeiten nutzen können, denn Meavoras Schergen lassen sich immer gleich ausschalten: Ein explosiver oder brennender Gegenstand wird auf sie geworfen.

Aber das ist nun eine Grundsatzfrage bei Tchia, denn ich habe mich beim Spielen immer wieder gefragt, ob das Spiel nicht ohne „böse Macht“ besser gewesen wäre: Der Gedanke, Tchia einfach als jugendliche Reise von Tchia zu erleben, die dann als eine der jüngsten Entdeckerinnen in die Geschichte des Archipels eingeht, gefällt mir mindestens genauso gut.

Überhaupt kann sich Tchia nicht ganz einigen, ob es nun ein echtes wholesome game sein möchte oder nicht – gewaltfrei ist es ja schon mal nicht, auch wenn die Gewalt sehr übertrieben humorvoll dargestellt wird. Doch dann gibt es da den Schwierigkeitsgrad, der wirklich sehr moderat ist. Das Schlimmste was passiert ist, dass die Ausdauer mal leer wird (sie ist gleichzeitig Gesundheitsanzeige) und man am nächsten Lagerfeuer landet oder in einem Käfig in einem von Meavoras Lagern – da kann man sich dann mit einem simplen Seelensprung befreien.

Was mich in Tchia am meisten genervt hat, sind die Musiksequenzen. Eigentlich sind die cool: In verschiedenen Situationen spielt man Musik, zum Beispiel mit Tchias Ukulele. Das lässt sich mit dem Controller ganz gut bewerkstelligen, doch zum einen reagieren die Eingaben nicht immer optimal, zum anderen kommen in manchen Sequenzen die Noten so schnell, dass es gar nicht geht, die alle zu treffen. Bei manchen Sequenzen glaube ich hier eher einen Bug, doch der hält mich davon ab, mich auf die eigentlich schönen Lieder und die zugehörigen Sequenzen zu konzentrieren. Zwar kann ich ins Autoplay wechseln, doch natürlich gibt es da auch noch eine Trophäe dafür, eine Sequenz mit 100% abzuschließen. 99% habe ich ein paar Mal erreicht, aber irgendwas war immer.

Die gesamten Trophäen von Tchia sind übrigens sehr darauf ausgelegt, (fast) alles im Spiel zu erkunden und 100% zu erreichen – zwar stachelt das Spiel durchaus auch dazu an und ich bin auch noch motiviert, die restlichen Dinge zu holen, doch im Vergleich zur schmalen Story wirkt es auch fast ein bisschen wie Streckung der Spielzeit. !B

Runde Technik mit kleinen Abstrichen

Technisch konnte mich Tchia über die ganze Spielwelt hinweg weitestgehend überzeugen. An vielen Stellen ist das Spiel richtig hübsch und die Performance auf der PS5 ist größtenteils einwandfrei. Was ich vermisst habe: HDR Support, den hat das Spiel leider nicht. Was mich genervt hat: Die Ladebildschirme. Hier wünsche ich mir wirklich, dass Spiele auf der PS5 ohne auskommen. Sie sind zwar kurz, aber ganz ohne wäre es eben noch besser gewesen.

Zwischendurch gibt es ein paar Texturen, die nicht so hübsch sind und auch die Spiegelungen auf dem Wasser wollen nicht immer so recht passen – doch gerade das Wasser gefällt mir andererseits wirklich gut. Zudem werden die verschiedenen Umgebunden auf dem Inselarchipel sehr detailliert gestaltet und was mich dauerhaft überzeugt, ist der Soundtrack in Tchia: Es ist einfach ein liebevoller Soundtrack, der perfekt zum Spielerlebnis passt. Die Sprachausgabe im Spiel ist indes in den gesprochenen Originalsprachen – es gibt jedoch deutsche Untertitel. Insgesamt ist die deutsche Übersetzung hier und da etwas lückenhaft, aber was übersetzt ist, ist auch fehlerfrei übersetzt. In der Form von Vögeln zum Beispiel ist die Spezialfähigkeit aber nach wie vor als „poop“ bezeichnet. Jep, du kannst als Vogel einfach alles unter dir vollkacken. !B

Anpassung des Segelboots - hier komplett im Piratenstil.
Ebenso wie Tchia kannst du auch dein Schiff mit freigeschalteten Extras anpassen.

Fazit: Ein bunte Welt voller Abenteuer

Gamer's Palace Score 82 von 100.

Tchia ist eins der schönsten Abenteuer, die ich seit einer Weile gespielt habe. Die Atmosphäre ist durch optische Gestaltung und Soundtrack einfach wunderbar, und die Welt fesselt mich, auch ihr letztes Geheimnis zu entdecken. In erster Linie liegt das aber daran, dass ich mich selbst orientieren und mir Wegpunkte setzen muss – und vielleicht mal in die Gestalt eines Vogels springe, um schnell zum Ziel zu kommen. Kritisch betrachtet man hier früher oder später natürlich auch nur noch müdes Abarbeiten der vielen Markierungen auf der Karte, während das volle Potential der Seelensprünge ungenutzt bleibt. Ebenso bleiben die Kämpfe gegen Meavoras Schergen unspektakulär und gleichförmig, während tief in meinem Innern auch das Gefühl da ist, Tchia wäre ohne die Inszenierung eines „Bösen“ als reines Spiel für Entdeckerinnen und Entdecker vielleicht ohnehin noch besser gewesen – auch vor dem Hintergrund, dass die Story im Vergleich zum jugendlichen Erkundungsabenteuer sehr schmal ausfällt. Dem gegenüber steht jedoch eine extrem große Freiheit in der offenen Spielwelt mit cleveren Elementen wie den Tempeln. Trotz der kleinen Ungereimtheiten und einigen schwächeren Elementen bleibt mir Tchia so als eins der atmosphärischsten Open-World-Spiele in Erinnerung, die ich seit einer ganzen Weile gespielt habe.

ProContra
+ Wunderschöne Spielwelt– Potential der Seelensprünge nicht voll ausgenutzt
+ Größtmögliche Freiheit– Kämpfe unnötig und gleichförmig
+ Grandiose Soundkulisse, sehr schöne Musik– Spielerisch nervige Musiksequenzen
+ Darstellung der Karte ohne eigene Position; Arbeit mit Kompass und Wegpunkten– Wholesome Charakter des Spieles wird durch nervige Elemente geschmälert
+ Abwechslungsreiche Tempel

Offenlegung

Wir haben einen Reviewkey zu Tchia für den PC erhalten. Der Test basiert auf der PS5 Fassung, die wir im Rahmen eines selbst bezahlten PS Plus Abos heruntergeladen.

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Manuel Eichhorn
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