Twin Mirror (Xbox) im Test – Vielfältiger Kleinstadtkrimi

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Im letzten Jahr überraschte das französische Studio DONTNOD mit gleich mehreren Ankündigungen: Mit Twin Mirror kündigte man dabei das erste Spiel an, welches man mehr oder weniger in Eigenregie auf die Beine gestellt hat. Auch dieser Titel ist nun da und führt euch als Ermittler in eine Kleinstadt in der Krise. Ob ich gern Detektiv gespielt habe, erfahrt ihr in der Review zu Twin Mirror in der Xbox One Version, gespielt auf Xbox Series S.

Die Vielfalt lebt

Die grundsätzliche Geschichte von Twin Mirror ist nicht der revolutionäre Aspekt: Der Protagonist Samuel Higgs vermutet mehr hinter dem Tod seines ehemals besten Freundes als nur einen Unfall, wie es im Polizeibericht steht. Das im Setting einer Kleinstadt, die nach der Schließung der Mine, für die wiederum Sam mit einem Artikel verantwortlich ist, leicht in der Krise steckt, ist erst mal fast schon gewohnte Kost – doch es ist interessant, wie und mit welcher Besetzung Twin Mirror diese Geschichte erzählt.

DONTNOD setzt hier auf einen sehr realistischen Stil: Es wird nichts harmonisiert, nichts beschönigt. Die Kulisse ist beinahe trostlos an vielen Stellen, die Stadt wirkt nicht besonders aufregend – doch genau darin liegt auch die Qualität des Spieles, denn so soll es sein: Basswood hat mit sich zu kämpfen, und das spürt man.

Bereichert wird Twin Mirror, und da enttäuscht DONTNOD auch dieses Mal nicht, vom vielfältigen Cast und der Persönlichkeit des Protagonisten Sam. Mit seinem Gedankenpalast, der auch spielerisch interessante Aspekte bereithält, verfügt er über einen ganz eigenen Ermittlungsmechanismus, hat aber auch genau deswegen Probleme mit der Gesellschaft. Introvertierte, analytische Personen werden sich da wieder erkennen.

Nicht alles ist, wie es scheint

Mit diesem Gedankenpalast kann Sam Ereignisse rekonstruieren und die Wahrheit herausfinden. Verschiedene Varianten eines Ereignisses kann er durchspielen, und da kommst auch du als Spieler:in mit ins Spiel: Du darfst an mehreren Stellen, wie etwas vermutlich passiert ist, und Sams Gedankenpalast verrät ihm, ob es tatsächlich so war oder nicht.

Auch hier sind die Ergebnisse an sich nicht wirklich super überraschend, eine übernatürliche Gabe ist der Gedankenpalast nicht wirklich, aber eine gesunde Analysefähigkeit. Auffälliger sind die anderen Folgen des Gedankenpalastes, mit denen Sam in Twin Mirror kämpft: Ein mysteriöser, für andere unsichtbarer Mann ist an Sams Seite, der versucht, ihm gesellschaftlich relevante Tipps zu geben, denn besonders gut kommt Sam mit seiner „Gedankenverlorenheit“ bei den anderen Menschen natürlich nicht an.

Teils ist Sam auch auf der Flucht vor sich selbst oder seinen Gedanken, das sind die wenigen actionreicheren Szenen in Twin Mirror: Größtenteils begegnet euch ein sehr ruhiges Gameplay in recht eng begrenzten Arealen, in denen es hauptsächlich auf deine Aufmerksamkeit ankommt. Twin Mirror arbeitet nicht mit auffälligen visuellen Zeichen, wenn man etwas untersuchen kann, sondern es kommt ganz darauf an, dass du eine Situation richtig einschätzen kannst und teils auch etwas Logik mit rein bringst. Teilweise habe ich aber auch etwas länger nach dem entscheidenden Hinweis gesucht, bis ich endlich in den Gedankenpalast zur Rekonstruktion eintreten konnte.

Ein Blick auf Basswood – nicht alles ist, wie es scheint. Typisch Kleinstadt.

Nicht jede Geschichte ist gleich

Twin Mirror ist kein besonders langes Abenteuer: Rund sechs Stunden Spielzeit kannst du für einen Durchgang einplanen. Dafür rechnet das Spiel aber zumindest für einen zweiten Durchgang mit dir: Es gibt mehrere mögliche Enden und außerdem winken Erfolge/Trophäen für bestimmte Aktionen, wenn man sie beim ersten Mal richtig macht, was man aber ohne Guide vermutlich nicht immer schafft, wobei die meisten herausfordernden Aspekte tatsächlich mit Aufmerksamkeit zu tun haben und kein um die Ecke denken erfordern – eine Sache, die mir sehr gut gefällt.

Sie sorgt aber auch dafür, dass sich ein zweiter Durchgang vermutlich eher wie ein Checklisten-Abarbeiten anfühlt, weil man dann ziemlich genau weiß, was zu tun ist, und die Schlüsselentscheidungen von Twin Mirror trifft man dann einfach anders. Bei mir persönlich ist die Motivation für einen zweiten Durchgang zumindest demnächst nicht allzu groß, weil ich weiß, dass er mir nicht besonders viel Spaß machen würde und ich die Wahrheit ja auch schon kenne.

Um ehrlich zu sein, hätte ich mir eher ein ein- bis zweistündig längeres Abenteuer gewünscht, welches vielleicht noch etwas mehr auf Basswood, seine Geschichten und die Figuren eingeht. Eine gefährliche Forderung, denn vor allem das Ende von Twin Mirror kam mir etwas schnell dahinprogrammiert vor: Ich fühlte (noch) einen Showdown, der keiner mehr wurde, sondern dann kam die Abschlusssequenz.

In Gesprächen darf man Entscheidungen treffen.

Technische Ernüchterung

Ein wenig ernüchternd ist auch die Technik von Twin Mirror. Vor allem beim vielfältigen Cast fällt auf, dass die Figuren technisch eher einfach gehalten sind. Das gilt auch fürs restliche Spiel, was nicht schlecht ist, doch teilweise mangelt es beim Erkunden etwas an der Übersicht. Häufig muss man die Kamera genau im richtigen Winkel einstellen, damit man eine Aktion auslösen kann oder Texte richtig lesen – so ist mir das en oder andere Mal auch ein Hinweis zunächst durch die Lappen gegangen, sodass ich kurz nicht weiter kam.

Dass die Kulisse in Twin Mirror mit Absicht nicht besonders aufregend ist, lässt auch die Technik nicht besonders aufregend wirken – vielleicht auch, weil ich auf der Xbox Series S ja die Xbox One (S) Version bekomme. Ärgerlich sind aber einige Bildrateneinbrüche und Nachladen der Texturen, die dann auf der Xbox One sicher auch oder gar noch schlimmer sichtbar sind.

Bei Soundtrack und mit der englischen Synchro dagegen kann Twin Mirror punkten, auch die deutschen Untertitel sind gut gelungen. Der Soundtrack sorgt für ein stimmiges Ganzes und unterstreicht Basswoods Atmosphäre.

Fazit: Eine gewöhnliche Ermittlung mit außergewöhnlichem Drumherum

Mein Durchgang durch Twin Mirror hat mir Spaß gemacht und der mit Absicht tristen Atmosphäre gebührt meine Bewunderung. Ich mag auch die persönlichen Aspekte von Sam, seinen Gedankenpalast und wie die Gesellschaft darauf reagiert. DONTNOD versäumt es nicht, seinen Figuren Vielfalt und Tiefe und der Gesellschaft Streitpunkte zu verleihen. Doch trotzdem fehlt mir in Twin Mirror etwas, das wirklich in Erinnerung bleibt, ein wenig technischer Glanz und vor allem das entscheidende Ja auf die Frage, ob ich dir Twin Mirror in drei Jahren immer noch empfehle. DONTNOD hat schon glänzendere Werke abgeliefert, Twin Mirror fühlt sich etwas wie ein glanzloser Erstling an – was es in gewisser Weise ja auch ist.

ProContra
+ Gelungene Atmosphäre– Story inhaltlich wenig überraschend
+ Vielfältiger Cast– Technische Macken (Framerate, Texturen)
+ Gedankenpalast– Bedienung manchmal fummelig
+ Gute Soundkulisse– Ende eher lahm
+ Nicht alles ist offensichtlich

Technik: 72
Grafik: 66
Sound: 91
Umfang: 69
Gameplay: 70
KI: 80

Spielspaß: 70

  • Story: Twin Mirror erzählt keine außergewöhnliche Geschichte – das Drumherum ist eher das, was entscheidet.
  • Nachhaltigkeitswert: Ein einzelner Durchgang ist kurz, aber Twin Mirror bietet mehrere Enden. Das entscheidende Etwas zum in Erinnerung bleiben fehlt.
  • Frustpotential: Nicht vorhanden.
  • Design/Stil: Gelungen. Etwas trist, aber aus gutem Grund.
  • Musik und Sound: Insgesamt gelungen.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: Die 29,99€ sind angemessen.

Offenlegung

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Manuel Eichhorn
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