Der Süden Amerikas ist voll mit gefährlichen Fabelwesen und düsteren Geschichten, die man am liebsten nicht mal bei Sonnenschein erzählen möchte, und fantastischen Musikrichtungen. Compulsion Games hat sich dieser Welt angenommen und präsentiert mit South of Midnight ein düster-farbenfrohes Action-Adventure. Ich habe den Titel auf der Xbox Series S im Zuge meines Game Pass Abos getestet und nehme dich mit auf eine interessante Reise in ein finsteres Wunderland.
Rettung im Sturm
South of Midnight beginnt dramatisch: Ein Hurricane naht und Hazel und ihre Mutter wollen sich in Sicherheit bringen, doch es kommt wie es kommen muss. Die Sturmfluten reißen Hazels Haus und somit auch ihre Mutter mit sich. Eine dramatische Jagd beginnt, doch wir sind ein wenig machtlos und sehen zu, wie das Haus in den Fluten verschwindet, gefolgt von einem gigantischen Monster auf mehreren Beinen. Nach wenigen Momenten im Spiel ist klar, was Hazels Ziel sein wird: Mama retten.
Um ihren Plan umzusetzen, holen wir uns Unterstützung bei Großmutter Bunny, die nur dem Namen her nach nett klingt und eigentlich die Rolle der bösen Stiefmutter einnimmt. Doch ist sie wirklich böse? Die Seiten verschwimmen in South of Midnight häufig und ob jemand gut oder böse ist, ist immer auch eine Frage des Standpunkts. Aber gut, wir sind also auf dem Weg zur Omi und finden dabei alte, magische Webegegenstände, die einen Großteil des Gameplays aus machen – und damit beginnt unsere Reise auf der Suche nach Hazels Mum.
Ganz ehrlich? Die Hauptgeschichte von South of Midnight fand ich eher lahm. „Jemanden retten“ ist jetzt nicht unbedingt die Neuerfindung des Geschichtenrades und auch die späteren Enthüllungen waren keine sonderlichen Überraschungen. Stattdessen überraschte mich der Titel aus dem Süden Amerikas mit düsteren Geschichten, die ich so bisher noch nicht gekannt habe – und die sehr nah an unsere klassischen Grimm-Märchen herankommen. Ihnen gebührt deutlich mehr Aufmerksamkeit. Gut, dass es jetzt das neue Game von Compulsion Games gibt, um sie ein wenig mehr zu beleuchten.
Was ich jedoch ein wenig schade finde, ist das Ende. Für mich zieht sich das ganz schön in die Länge und nimmt ein wenig Fahrt aus den emotionalen Geschichten raus. Gerade die Welt nach der Kreuzung wirkt für mich ein wenig unnötig – ja, sie hilft dabei, um Hazels Mama irgendwie zu finden und dafür ist sie schon sinnvoll, aber sie wirkt in die Länge gestreckt. Das finde ich schade und hat für mich das Spiel deutlich ausgebremst.



Definitiv keine Disney-Märchen
Wenn du South of Midnight spielen möchtest, solltest du dich auf Folklore einstellen, die definitiv nichts mit Disney-Märchen zu tun haben, sondern genauso brutal sein können wie die ursprünglichen Märchen der Brüder Grimm. Du wirst von zwei Brüdern erfahren, von denen einer in einem Baum zurückgelassen wurde, von einem Alligator, der seinen Herren fraß, und von einer Mutter, die ihr Kind verlor. Es sind emotionale Geschichten, die mich tief berührt haben, die mich auch heute noch, nachdem die Credits längst über den Bildschirm geflimmert sind, nachdenklich stimmen.
Und die zeigen, dass die Welt nicht nur Schwarz oder Weiß ist, sondern jede:r aus bestimmten Motiven handelt, die aus den eigenen Augen sinnvoll erscheinen. Manchmal sperrt man dann eben den Bruder im Baum ein, manchmal verwandelt man sich eben aufgrund zu vieler Emotionen in ein fliegendes Monster, manchmal wird man ein Ungeheuer, wenn man sein Kind nicht findet. Es sind interessante Geschichten, die zudem alle mit einem hervorragenden Soundtrack und passenden Song untermalt werden. Songs, die die Geschichten erneut erzählen und ihnen auf diese Weise noch mehr Tiefgang geben.
Selten haben mich die „Nebengeschichten“ so sehr berührt wie in South of Midnight, dagegen ist die Hauptgeschichte für mich fast schon ein wenig kleingeistig. Glücklicherweise verpasst man im Spiel keine dieser tollen Geschichten, sondern kommt an allen vorbei – bis zum Ende und zu einem wenig überraschenden Twist. Ich bin positiv überrascht über den Tiefgang der Geschichten und auch der Welt selbst, denn diese ist wunderbar gezeichnet. Obwohl sie so düster ist, gibt es viele wunderbare Erlebnisse und Momente, in denen ich verweilen wollte, weil sie so schön ist. South of Midnight ist ein wunderschönes Spiel voller detailreicher Umgebungen und Plätzen zum Innehalten.
South of Midnight hat mich an einer Art Kena: Bridge of Spirits in einer düsteren Version erinnert. Ich mochte Kena sehr und bin auch bei Hazels Abenteuer guter Dinge, dass ich es öfter spielen werde. Die Kombination aus Rätseln, Kämpfen und Erkunden der Welt gefällt mir sehr gut und lässt mich auch immer wieder daran denken. Das Ganze gepaart mit den wundervollen Geschichten aus dem Süden Amerikas macht das Game für mich zu etwas Besonderem.



Webekunst
In South of Midnight ist Hazel eine Weberin, das bedeutet, dass sie diese Kunst auch im Kampf einsetzt. So wirklich viel merkt man davon zwar nicht, doch immerhin heißen die Angriffe entsprechend, sodass man auch manche Gegner mit Fäden einwickeln kann. Klingt definitiv spannender als es ist, denn im Endeffekt ist das Kampfsystem auch nur genau das: Ein Kampfsystem mit starken und schwachen Angriffen, Fernattacken und welche, die flächendeckend Gegner angreifen. Mir reicht das so, denn ich hatte viel Spaß mit dem Kampfsystem, auch wenn ich einige Momente gebraucht habe, um mich an die Steuerung zu gewöhnen und zu wissen, wann sich welcher Angriff gegen welchen Gegnertyp am besten eignet. Das hat mich wirklich motiviert und ich war fast schon ein wenig traurig, dass es nicht noch mehr Gegner gibt, die ich erledigen kann.
Generell halten sich die Kämpfe im Spiel doch eher zurück: Es gibt ein paar Bosskämpfe und ansonsten ein paar Kämpfe auf dem Weg. Diese sind jedoch immer entsprechend gekennzeichnet, sodass man im Grunde fast nicht aus Versehen in einen Kampf rennt, sondern sich auch mal in Ruhe Zeit nehmen kann, um die wunderbare Umgebung einzuatmen. Das finde ich sehr cool, denn so kann man wirklich die Zeit nehmen, die man braucht, ohne Angst zu haben, in den nächsten Kampf zu hetzen.
Neben Hazel kann ich auch in bestimmten Momenten Crouton spielen. Das ist ein altes Plüschtier Hazels, welches wir im Laufe des Abenteuers wiederfinden. Er ist ganz praktisch, um an Stellen zu gelangen, an denen Hazel nicht hingelangt. Ein wenig schade finde ich jedoch, dass die Momente, an denen ich ihn benutzen muss, stets vorgegeben sind und somit wenig Spielraum für kreative Lösungen gegeben werden. Außerdem steuert er sich für mich sehr schwammig – ich mochte die Momente, in denen ich ihn spielen musste, nicht sonderlich und war stets froh, wieder zurück zu Hazel kehren zu können.
Stop Motion und die Klänge des Südens
Was ich vielleicht schon an der einen oder anderen Stelle erwähnt habe, aber definitiv auch nicht oft genug sagen kann, ist die fantastische Welt, die Compulsion Games in South of Midnight gezaubert hat. Ich liebe die einzelnen Gebiete, die Lichtspielereien, die das ganze Finstere in ihre Schatten drängen. Anfangs war ich jedoch beim Stop-Motion-Stil skeptisch und fragte mich, ob sich das im Spiel bemerkbar machen würde. Tatsächlich war es für mich nur am Anfang leicht irritierend, doch je länger ich spielte, desto weniger nahm ich dieses Detail wahr. Besonders in Cutscenes kam es dann zur Geltung, was ich wirklich wunderbar fand. Ein gut eingesetztes Feature, das dem Spiel zu noch einem besonderen Touch mehr verhalf.
Ein wenig schade finde ich hingegen die technischen Aussetzer, die South of Midnight bei mir zeigte. So kam es immer mal wieder zu Tonaussetzern zwischendrin, jedoch nur dann, wenn es sich um Hintergrundlieder handelte. Bei den storygebundenen Songs fiel es mir nicht auf. Die Songs und die musikalische Untermalung sind ohnehin fantastisch! Da sind die kleineren Tonaussetzer verschmerzbar, wenn der Soundtrack so viel Herz und Liebe präsentiert, um auch allen Geschichten den passenden Klangrahmen zu geben und die Stories nochmal in einer anderen Weise zu erzählen. Wunderbar!
Wenn ich schon mal bei der Tonausgabe bin: South of Midnight kommt mit einem sensationellen Cast an Synchronsprecher:innen daher, die dem Süden nochmal ihre perfekte Note geben und das Gefühl vermitteln, wirklich Stimmen aus dieser Gegend zu haben. Sehr, sehr großartig! Auch wenn ich ein wenig traurig darüber bin, dass es keine deutsche Synchronspur gibt, bin ich auf der anderen Seite auch froh darüber: Wir hätten im Deutschen niemals diesen Dialekt hinbekommen und es so klingen lassen, wie es nun klingt. Eine sensationelle Leistung.
Im Laufe des Spiels erhält Hazel zwei weitere Outfits, über die ich nicht selbst bestimmen darf, sondern die das Game festlegt. Das finde ich eine verpasste Chance. Hazel ist doch eine Weberin, warum kann ich also keine eigenen Outfits weben oder zumindest die Farben ändern? Da versteckt sich für mich noch ein wenig Potential, das vielleicht diskutiert, aber nicht umgesetzt wurde. Und wenn ich schon beim „Meckern“ bin, auf der Xbox Series S kommt es auch immer mal wieder zu Einbrüchen bei der Framerate, sodass das Spiel kurz ruckelt – und nein, das hat nichts mit dem Stop Motion zu tun.


Fazit: Der Süden ruft

South of Midnight ist ein grandioses Werk, das mir den Süden Amerikas und einige seiner düsteren Märchen nähergebracht hat, während die Hauptgeschichte für mich ein wenig schwächelt. Doch ich liebe die detailreiche Spielwelt, den grandiosen Soundtrack, die herzergreifenden Geschichten der Charaktere, den Stop-Motion-Effekt und sogar die Mischung aus Erkundung und Kampf. Compulsion Games hat für mich ein Spiel geschaffen, über das ich noch lange nachdenken werde und bei dem ich über die kleineren technischen Mängel wie Tonaussetzer oder Einbrüche bei der Framerate hinwegsehen kann. South of Midnight ist ein wunderbares Action-Adventure mit der richtigen Menge Seele, die ein Spiel braucht – auch wenn sich das Ende für mich doch ein wenig stark gezogen hat. Ich habe wunderbare Erinnerungen erhalten, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Pro | Contra |
---|---|
+ Atmosphärische und detailreiche Spielwelt | – Gezogenes Ende der Hauptgeschichte |
+ Tiefgründige und berührende Geschichten aus der Folklore | – Lahme und wenig überraschende Hauptgeschichte |
+ Gelungenes Kampfsystem,… | – … auch wenn die Webekunst noch oberflächlich im Kampf genutzt wird |
+ Sensationeller Cast an Synchronsprecher:innen | – Schwammige Steuerung von Crouton |
+ Gelungene Mischung aus Erkundung, Rätseln und Kämpfen | – Tonaussetzer und Einbrüche der Framerate auf der Series S |
+ Wunderbarer Stop-Motion-Stil | |
+ Hervorragender Soundtrack und musikalische Untermalung |
Offenlegung
Ich habe South of Midnight auf der Xbox Series S im Zuge meines Abos beim Game Pass gespielt.
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