Arise: A Simple Story (PS4) im Test – Eine große Geschichte ohne viele Worte

()

Mit der Ankündigung von Arise: A Simple Story hat das in Barcelona ansässige Studio Piccolo Einiges an Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Drei Marketing- und Werbungsexperten haben sich zusammengefunden, um ihr erstes Spiel zu veröffentlichen – und erfolgreich mit Techland einen Publisher gefunden. Arise: A Simple Story verspricht eine emotionale Reise im Leben nach dem Tod. Ob sie rundum überzeugt, erfahrt ihr in unserem Test.

Der Tod ist der Anfang

Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang – Arise: A Simple Story zeigt das direkt in den ersten Minuten. Das Spiel beginnt mit dem Tod unseres Protagonisten, doch damit startet auch seine bisher persönlichste Reise. Auch dazu ist zu sagen, dass Arise keineswegs eine inhaltlich oder erzählerisch neue Idee präsentiert, doch in einem Videospiel ist sie selten und hier ebenso herausragend umgesetzt: Der Protagonist erlebt die wichtigsten Etappen seines Lebens noch einmal, er wacht in einer eisigen Umgebung auf. Um den erleuchteten Gipfel zu erreichen, muss er alle zehn Etappen mit Bravour meisten.

Die Erfahrung der leitenden Entwickler im Bereich Design merkt man Arise: A Simple Story rundherum an: Optisch und atmosphärisch ist der Titel herausragend und gleichwohl habe ich schon lange nicht mehr so viel Vielfalt in einem Spiel gesehen – optisch und gewissermaßen auch spielerisch. Arise: A Simple Story zeigt, warum von Hand erstellte Level, die sogar noch durchdacht wurden, so wichtig sind, und zufällig generiertes da einfach nicht mithalten kann.

Optisch werden die verschiedenen Etappen der Reise hervorragend präsentiert – vom Kennelernen, dem Verlieben, der Frucht dieser Liebe, über Verlust bis hin zum Älterwerden: Man sieht und fühlt die jeweiligen Emotionen, die in jedem Level repräsentiert werden, was Arise: A Simple Story in dieser Hinsicht ziemlich einzigartig macht. Allein über diese Optik, den Soundtrack und auch die immer wieder neu eingestreuten Gameplayelemente wird erzählt: Die einzigen Worte im Spiel sind die Namen der Level, sonst gibt es die Dinge zu sehen und zu hören, die wichtig sind.

Schon das Startlevel ist wunderschön. Hier lässt sich die Jahreszeit verändern.

Herausforderung: Hindernisse vermeiden und Wege finden

Arise: A Simple Story ist ein Platformer, doch auch hier macht das Spiel nicht alles so wie die vielen anderen Genrevertreter der letzten Jahre. Aufgelockert wird das Erlebnis durch ein Feature, das man im Großen und Ganzen als Zeitmanipulation bezeichnen kann. Mit dem rechten Stick kann man die Zeit so vor- und zurückdrehen und so beispielsweise Herbst und Winter wechseln, Wachstum steuern oder auch einfach nur die Weiterentwicklung (oder den Zerfall) der Natur beeinflussen. So ebnet man sich den Weg in den Leveln, macht Verborgenes sichtbar oder erhält Zugang zu den versteckten Sammelobjekten – und je nach Level und Inhalt bewirkt der zeitliche Ablauf immer etwas anderes. Auch dies ist in Arise: A Simple Story meisterhaft implementiert und hält auch einige knifflige Stellen bereit.

Im Gegensatz zu vielen anderen Platformen kommt Arise: A Simple Story ohne direkte Kämpfe aus: Unser Protagonist würde niemals Gewalt gegen etwas oder jemanden ausüben. Gegner gibt es dennoch: Doch mal ist es die Trauer, mal Feuer, mal die Kälte: Es gilt, Hindernissen auszuweichen. Dabei hilft unter anderem die Zeitmanipulation. Toll, aber ebenso herausfordernd ist ein Level, in dem wir Blitze eines Sturmes steuern, um die Trauer aus dem Weg zu schaffen, denn Licht verscheucht sie. Das ist gut gelungen.

Insgesamt bietet Arise: A Simple Story viele verschiedene kleine Mechaniken, die gut zum Inhalt passen, und für jede Phase im Leben des Protagonisten schafft man es mit den Leveln, die Unbeschwertheit oder auch die Herausforderungen der jeweiligen Zeit darzustellen – und bisher klingt alles danach, als hätten wir es hier mit einem absoluten Toptitel zu tun. So gern ich das auch hätte, spielerisch gibt es einfach zu viele Schwächen.

Ein Beispiel für ein Level mit Trauer – es gilt, den dunklen Gestalten auszuweichen.

Ein neuer PS4 Controller wäre nett – Vielleicht versuche ich die Platin

Kennt ihr das Gefühl eigentlich längst vergangener Zeiten, wenn Platformer nicht direkt auf eure Eingaben reagieren, eure Figur doch noch knapp an der nächsten Plattform vorbeiclippt oder ihr den Stick millimetergenau ausrichten müsst, damit ihr bloß in die richtige Richtung springt, beim nächsten Mal die Plattform aber nahezu magnetisch ist? Arise: A Simple Story bringt genau diese Mechaniken und allen damit einhergehenden Frust zurück.

Arise: A Simple Story fühlt sich spielerisch und mechanisch so an, als ob es in der PS1- oder PS2-Ära stehengeblieben sei. Auf der einen Seite ist das gut, denn es gibt Anspruch: Klettern ist nicht mit dem Druck einer Taste erledigt, sondern ihr müsst präzise steuern und eure Figur hält sich auch nur so lang fest, wie ihr die passende Taste gedrückt haltet. Der anspruchsvollere Ansatz passt auch insofern gut, als dass die Entwickler den Körperbau und das Alter des Protagonisten gut repräsentiert haben: Wir steuern hier keinen fitten Jugendlichen, sondern es fühlt sich alles etwas träge und langsam an.

Ich finde den Ansatz gut, doch die wacklige Umsetzung bedeutet für mich, dass ich in den knapp fünf Stunden Spielzeit mehr Frust über Arise: A Simple Story empfunden habe als über irgendein anderes Spiel in diesem Jahr. Das Geräusch, wenn die Spielfigur ins Wasser klatscht klingt jedes Mal wie: „Haha, du hast es verkackt“, obwohl in den meisten Fällen entweder die Sprungtaste nicht reagiert hat oder aber die Figur doch noch von der Plattform gerutscht ist, weil ich nicht genau in dem Winkel abgesprungen bin, in dem das Spiel das möchte. Ich bin definitiv nicht für Vercasualisierung – doch Arise: A Simple Story ist mechanisch stellenweise so unsauber, dass es wirklich einfach nur frustriert.

Mit jedem neuen Spielelement, das die Entwickler dann noch hinzugefügt haben, habe ich mir gedacht, man hätte erst mal den Rest reparieren sollen: An manchen Stellen ist zum Beispiel beim Klettern oder Schweben gar nicht ganz klar, in welche Richtung man den Stick nun überhaupt bewegen muss. Jeder noch so einfache Sprung kann zur Herausforderung werden und vor allem bei Hindernissen, die man für optionale Trophäen nicht ein einziges Mal im Level berühren darf, wird einem oft schon Schaden angerechnet, obwohl man weit genug entfernt ist. So traurig das auch ist: Trotz meiner Begeisterung für den Inhalt war ich froh, als der Abspann von Arise: A Simple Story lief.

Diese Stelle sorgt zunächst auch für Frust – lässt sich aber mit der Zeitmanipulation gut meistern.

Erfahrung bei Designfragen spiegelt sich wider

Die ganze Frustration ist insofern schade, als dass optisch und atmosphärisch das Spiel voll und ganz in der Lage ist, zu begeistern. Auch die technische Grundlage mit der Unreal Engine kann begeistern. Auf der PS4 Pro läuft Arise: A Simple Story so größtenteils flüssig, allerdings ist man auch auch nicht komplett vor Abstürzen verschont: Mir ist Arise einmal abgestürzt, allerdings wurde der Fortschritt im Level immerhin gespeichert.

Auch die Musik und die Soundeffekte überzeugen: Sie sind vor allem nicht aufdringlich, aber in ihrer Umsetzung perfekt auf das restliche Spielerlebnis abgestimmt. Interessant ist auch das Spiel mit Licht und Dunkelheit: Trotz fehlender HDR Unterstützung überzeugt Arise, wobei das Bild manchmal so dunkel wird, dass man kaum noch etwas sieht – das passt dann allerdings auch zur Situation.

Zusätzliche Erinnerungen werden über die Sammelobjekte erzählt.

Koop-Modus: Ein Blick auf die Zukunft des Gamings?

Arise: A Simple Story bietet auch einen lokalen Koop-Modus für zwei Spieler. Hier wird die Steuerung unter den Spielern aufgeteilt, was allerdings das Spielerlebnis nicht unbedingt einfacher macht, sondern eher anspruchsvoller: Spieler 2 übernimmt die Zeitmanipulation. So muss man sich gut absprechen und das Timing aufeinander anpassen.

Wirklich viel Spaß hat uns das nicht gemacht, es könnte aber ein Blick auf die Zukunft des Gamings sein, denn zumindest Sony hat ja offenbar für die PS5 geplant, dass man einzelne Tasten in jedem Spiel an andere Spieler „abgeben“ kann – mehr oder weniger geschieht das hier ja auch, es kommt allerdings nicht an eine Erfahrung heran, die wirklich von vornherein für die Zusammenarbeit gemacht ist, denn man ist allein einfach schneller und effizienter – das ist nicht Sinn eines Koops!

Hier ist es dunkel – fast schon zu dunkel.

Fazit: Inhalt vs. Gameplay

Arise: A Simple Story ist ein künstlerisch, inhaltlich und erzählerisch außergewöhnliches, aber leider kein handwerklich sauberes Spiel. Man merkt die Kompetenzen der leitenden Entwickler voll und ganz: Was Design und Gestaltung betrifft, ragt Arise: A Simple Story ziemlich problemlos aus der Masse an Spielen und Platformern heraus und selten sieht man so viel optische und spielerische Vielfalt in vergleichbaren Titeln. Nicht mithalten kann das Gameplay: Für mich war Arise: A Simple Story die frustrierendste Spielerfahrung 2019. Nicht unbedingt, weil die Passagen so schwierig wären, sondern weil das Spiel Frustrationen aus längst vergangenen Zeiten wiederbringt: Nicht reagierende Tasten, im letzten Moment durch Plattformen clippen, runterfallen, weil der Winkel nicht passte: Arise: A Simple Story möchte zwar Oldschool und anspruchsvoll sein und verfolgt damit einen guten Ansatz, scheitert allerdings an der handwerklichen Umsetzung. Hier hätte Piccolo Studio anscheinend noch mehr Unterstützung gebraucht. So sehr ich Arise: A Simple Story für seinen Inhalt mag und auch insgesamt lieben möchte: In positiver Erinnerung bleibt mir das Spiel nicht.

ProContra
+ Tolles Leveldesign– Unheimlich viel Frust
+ Optisch sehr viel Vielfalt– Steuerung fordert Präzision, bietet sie aber nicht
+ Atmosphärischer Soundtrack– Häufige Tode durch Vorbeiclippen oder unklare Abstände
+ Neue Mechaniken pro Level– Koop ist ineffizienter als allein zu spielen
+ Oldschool Ansatz – Plattformen verhalten sich teils „magnetisch“

Technik: 66
Grafik: 88
Sound: 87
Umfang: 77
Gameplay: 39
KI: 38

Spielspaß: 49

  • Story: Eine emotionale Geschichte, die ohne viele Worte erklärt wird – und dabei überzeugt.
  • Nachhaltigkeitswert: Arise: A Simple Story hat das Potential, noch lang in Erinnerung zu bleiben – müsste dazu aber vom Gameplay umfassend überarbeitet werden.
  • Design/Stil: Wunderschön und abwechslungsreich und voller Atmosphäre.
  • Musik und Sound: Musik und Sound passen perfekt.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: Der Preis von 19,99€ ist vom Inhalt her in Ordnung.

Offenlegung

Wir haben uns Arise: A Simple Story auf der PS4 selbst gekauft. Gespielt wurde auf einer PS4 Pro.

Wie gut hat dir der Beitrag gefallen?

Durchschnittsdaumen: / 5. Bisher abgegebene Daumen:

Bis jetzt gibt es noch keine Daumen! Sei dier erste, der einen abgibt.

Du findest uns nützlich?

Dann folge uns doch in den sozialen Netzwerken!

Erzähl anderen von diesem Beitrag
Manuel Eichhorn
Folge mir
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
3 Kommentare
älteste
neueste meiste Bewertungen
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen