Need for Speed Unbound (PS5) im Test – NFS und Criterion starten sanft

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2019 schrieb ich in meinem Test zu Need for Speed Heat, dass das vermutlich ein Fehlschlag zu viel für Ghost Games war – und lag damit richtig. Drei Jahre später erscheint der nächste Ableger, Need for Speed Unbound, wieder unter der Führung von Criterion Games. Auf Need for Speed Heat baut der neuste Teil dabei durchaus auf, möchte aber gleichzeitig wohl die Grundlage für die Zukunft legen, PS4 und Xbox One lässt man gleich hinter sich. Heraus kommt ein solider Arcade-Racer, der aber den echten Wow-Effekt vermissen lässt.

Überraschungen in Lakeshore

Need for Speed Unbound hat definitiv einige Überraschungen parat – da wäre zum einen die Wendung in der Geschichte kurz nach dem Beginn im Story-Modus, wenn das da eigentliche Spiel dann erst losgeht. Doch diese Überraschung meine ich gar nicht, denn die ließ sich eher vorhersehen als die Überraschungen in der Spielstruktur. Need for Speed Unbound wirkt erstaunlich entschlackt, wenn es um seine Mechaniken geht: Hier gibt es kein Lootboxen-Gedöns bei Fahrzeugteilen, keine Mikrotransaktionen, es sieht alles sehr aufgeräumt in den Menüs aus. Das ist gut, wirklich gut! Und der Story-Modus von NFS Unbound ist komplett offline spielbar und es gibt keine Online-Elemente. Das gefällt mir grundsätzlich auch ziemlich gut.

Andere Teile von Need for Speed Unbound sind weniger überraschend: Bei der Spielwelt hat Criterion keine Experimente gewagt und präsentiert mit Lakeshore wieder eine US-Stadt samt Umgebung. Großartig anders als die letzten Städte ist Lakeshore nicht, doch im Schnitt gefällt sie mir dennoch mit am besten, vor allem, weil sie etwas lebendiger geworden ist. Zum ersten Mal in einem Need for Speed gibt es Fußgänger, die ein ziemlich stressiges Leben haben, da sie rechtzeitig ausweichen und nicht überfahren werden können. Wenn man genau hinschaut, läuft da ziemlich oft die gleiche Person, aber es macht Lakeshore doch etwas lebendiger. Und auch mehr Verkehr gibt es diesmal, vielleicht ein Effekt der neuen Konsolengeneration, ich weiß es nicht, doch diesmal sind die Straßen nicht ganz so leer, wie sie bisher manchmal waren.

Vollumfänglich begeistern kann mich die Spielwelt aber nicht: Es fehlen einige dynamische Elemente. Die offene Welt ist recht groß, detailreich, sieht an manchen Stellen wirklich hübsch aus, doch gepflastert sie lediglich mit diversen Sammelobjekten. So sind in Need for Speed Unbound unter anderem die Werbeplakate wieder mit der von der Partie. Insgesamt ist Lakeshore aber nicht besonders spektakulär oder überraschend. !B

Screenshot aus einer Story-Sequenz mit Protagonist und Rydell. Spielfigur sagt: "Rydell, wir sind die ganze Nacht gefahren!"
Die Story wird wieder in einigen Zwischensequenzen erzählt – der Stil gefällt mir!

Wären da doch die Cops nicht!

Eigentlich könnte der ganze Test zu Need for Speed Unbound so weitergehen. Eigentlich ist es nämlich so: Das hier ist ein solides, ja, ich denke sogar ein gutes Need for Speed geworden. Es macht mir mehr Spaß als Payback und definitiv mehr Spaß als Heat, das fand ich nämlich ganz furchtbar. Need for Speed Unbound lässt dich spaßige Rennen fahren, hat einige Tuning- und optische Anpassungsmöglichkeiten im Gepäck und liefert eine Geschichte, die okay ist. Sie ist nicht großartig, aber ich finde dennoch, dass man ganz gut in Lakeshore und diese Racing-Geschichte hineingezogen wird.

Ich gehe gleich noch etwas auf die verschiedenen Aspekte von Need for Speed Unbound ein, doch es gibt einen, leider so mehr oder minder das zentrale Spielelement, das mir richtig auf den Keks geht. Und das ist leider etwas, was man aus NFS Heat übernommen hat: Es gibt wieder einen strengen Tag- und Nachtwechsel, denn die Tageszeit wird immer dann gewechselt, wenn man ins Versteck zurückgeht. Dann erst wird das in der Sitzung verdiente Geld deponiert, doch beim Wechsel in die Nacht nimmt man das Fahndungswechsel bei den Cops vom Tag mit. Erst beim Anbruch des nächsten Tages verschwindet es von Zauberhand.

Nicht nur ist das nicht besonders realistisch, sondern es ist zum einen ein nerviges, zum anderen aber auch frustrierendes Spielelement. Am Anfang dachte ich, die Cops in Need for Speed Unbound sind wieder sehr harmlos. Auf den ersten Fahndungsstufen und generell in den Rennen sind sie das nämlich auch. Doch das ist ja nicht alles. Auf den höheren Fahndungsstufen in der offenen Welt wird es einfach nur nervig. Es gibt kaum Möglichkeiten in der Spielwelt, Cops aufzuhalten – außer Geschwindigkeit und Tunnel oder Brücken, um den Helikoptern zu entkommen. Doch gern mal rammt einen irgendwas mit irrer Geschwindigkeit von hinten – das ist das einzige Szenario, in dem mein Wagen irgendwann kaputtging und mich die Cops schnappten. Was dann passiert: Du verlierst das verdiente Geld dieses Tages oder der Nacht.

Dieses ganze Semi-Roguelite Gedöns nervt mich tierisch, vor allem aber kosten die immer gleichen Verfolgungsjagden mit den Cops Zeit, viel Zeit. Wird man nicht verfolgt, hat aber Fahndungsstufe, ist das Erscheinen der Cops auf dem Weg zum nächsten Ziel dämlich gescriptet, sodass man für die Wege ewig braucht, weil man kreativ ausweichen muss. Meistens geht das eigentlich ziemlich leicht, zumal man auch nicht sofort entdeckt wird, sondern sich so ähnlich wie in Stealth-Games der letzten Zeit erst ein Marker füllt, aber es nervt halt, wenn ich mit meinem Wagen ständig umkehren oder irgendwo abbiegen muss, und ewig für einen Weg brauche. Eine Schnellreise in Need for Speed Unbound gibt es nämlich nicht und man muss zum nächsten Treffpunkt für die Rennen bzw. zum Versteck immer fahren. !B

Screenshot mit Sicht nach hinten: Fahrzeug wird von drei Polizeifahrzeugen verfolgt.
Die Cops auf den Fersen.

Schöne Rennen, nerviges Drumherum

Lakeshore nervt mich deshalb ähnlich viel wie Palm City – dieses ganze Tag-/Nachtwechsel Ding und das Auftreten der Polizei ist einfach nicht mein Ding. Vielleicht vor allem deshalb, weil man eben seine Fortschritte verliert, wenn man geschnappt wird, es sonst aber keine Konsequenzen gibt. Ganz ehrlich: Ich hätte ein Prinzip wie in Most Wanted lieber, nämlich, dass das Fahndungslevel in Abhängigkeit vom Fahrzeug und übers Spiel hinweg steigt. Hier steigt es ja jeden Tag und irgendwie nervt mich das alles.

Die Zeit, die man dem Ausweichen oder dem Entkommen von Cops verbringt, lenkt auch nicht davon ab, dass es Need for Speed Unbound generell etwas an Content fehlt: Man fährt immer wieder dieselben Events, weil es gar nicht genügend gibt, um die vier Wochen, die man im Spiel verbringt, mit verschiedenen Events zu füllen. Und leider fällt auf, dass die Auswahl an Events an begrenzt ist, obwohl ich nie alle am Tag gefahren bin – dazu war mir das Risiko zu groß und ich habe nur geschaut, genügend Geld für Fahrzeugupgrades und die nächste Runde hin zum Finale zusammenzuhaben. Darauf setzt das Spiel auch, dass man mit dem Risiko und dem verdienten Geld kalkuliert, also wäre es eigentlich ja leicht gewesen, den Eindruck zu erwecken, dass tatsächlich immer was Neues in Lakeshore passiert.

Need for Speed Unbound hatte ja eine ziemlich turbulente Entwicklungsgeschichte, denn das Spiel sollte wahrscheinlich schon im letzten Jahr erscheinen, bevor Criterion Games dann zu Battlefield abgezogen wurde. Ich werde beim Spielen aber den Eindruck nicht los, dass das Spiel dennoch mit recht wenig Zeit entstanden ist – und die ist in die Geschichte und grundsätzlich tolle Rennen geflossen, doch die Spielstruktur und mehr Inhalte kamen etwas zu kurz.

Was auch ziemlich unausgegoren ist, ist der Schwierigkeitsgrad: Nervig sind wirklich nur die Cops. Die Rennen sind im Vergleich dazu teilweise lächerlich einfach, doch auch hier ist das Spiel etwas inkonsequent. Kleinere Rennen mit kleineren Belohnungen sind häufig schwieriger als die großen Events, in denen ich den Gegnern mühelos davonfahre. Diese Sache mit dem Schwierigkeitsgrad in Need for Speed Unbound entspricht auch der aus dem Vorgänger – schade, dass es wieder so ist. !B

Vor jedem Rennen kann gewettet werden, es wird eine erwartete Position im Rennen angezeigt. Hier wird gegen die Figur Boost für 550 Dollar gewettet.
Vor jedem Rennen kann gegen einen Gegner gewettet werden.

Hallo PS5!

Was Criterion Games aber sehr gut gelungen ist: Ein technisch ziemlich rundes Need for Speed zu liefern. Need for Speed Unbound macht größtenteils eine gute Figur und es hat auch viel weniger Bugs als die vorherigen Spiele. Interessant ist natürlich, sich anzuschauen, ob das nun wirklich ein reines Current-Gen-Spiel ist. Meine Antwort lautet: Nein.

Die Umsetzung auf die PS5 ist gut gelungen – Need for Speed Unbound läuft mit 60 Bildern pro Sekunde, wobei es ganz selten in manchen Umgebungen zu kurzen Einbrüchen der Bildrate kommt. Die DualSense Einbindung ist toll, sowohl die Schultertasten werden genutzt, aber auch die Vibrationen des Controllers geben Berührungen des Fahrzeugs gut wieder.

Optisch überzeugt mich Need for Speed Unbound größtenteils auch, doch insgesamt ist hier und technisch klar zu erkennen, dass das Spiel auch auf PS4 und Xbox One hätte kommen können. Vielleicht mit weniger Verkehr, aber einige Elemente in der Umgebung sehen finde ich sogar stärker nach der alten Konsolengeneration aus und im Bereich der Bäume und Vegetation kommt es ganz gerne auch mal zu einploppenden Texturen.

Ich glaube, die Entscheidung, Need for Speed Unbound nicht auf die PS4 und Xbox One zu bringen, war keine technische Frage, sondern einfach nur eine Frage der Ressourcen – da sind wir wieder beim Thema. Ich denke, Need for Speed Unbound ist insgesamt in recht kurzer Zeit entstanden.

Viel diskutiert wurden im Vorfeld ja die grafischen Effekte und Cel-Shading-Figuren: Ich finde das sehr gelungen! Tatsächlich finde ich Need for Speed Unbound optisch dadurch sehr ansprechend, ich finde, das Figuren-Design passt, auch wenn es technisch nicht beeindruckend ist. Auch der Soundtrack im Spiel gefällt mir gut, vor allem die Geräuschkulisse der Fahrzeuge und beim Überholen kann sich wieder sehr gut hören lassen. Am Anfang wirkt das Spiel vom Geschwindigkeitsgefühl her eher lahm, doch eigentlich zeigt Need for Speed Unbound die verschiedenen Fahrzeugklassen super – ist man in einem der schnelleren Fahrzeuge unterwegs, ist das Geschwindigkeitsgefühl super! !B

Silberner Ford GT auf einer Autobahn in Need for Speed Unbound.
Im richtigen Fahrzeug entfaltet Need for Speed Unbound ein irres Geschwindigkeitsgefühl.

Sorgenfrei online…

Zu diesem Eindruck trägt auch der Onlinemodus bei: Ich habe ja schon geschrieben, dass sich Need for Speed Unbound im Story-Modus komplett offline spielen lässt. Dementsprechend losgelöst ist auch der Online-Modus. Man erstellt sich sogar nochmal eine eigene Figur, wieso, weiß ich nicht. Der freigeschaltete Fuhrpark aus der Story übernimmt sich immerhin, aber mit eigenem Tuning-Level. Online baut man sich in Need for Speed Unbound eine eigene Karriere auf.

So viel zu tun gibt es aber nicht: Nur 16 Spieler:innen sind auf einem Server, ob man zusammenfährt, hängt davon ab, ob jemand eine „Playlist“ startet und ob dann genug Leute beitreten. Aktuell sehe ich nicht, dass das wirklich lang gespielt wird, obwohl mir Need for Speed Unbound online fast mehr Spaß macht als offline, denn Cops gibt es hier nicht. Hier werden lediglich Strecken bei verschiedenen Tageszeiten gefahren.

Auch der Online-Modus ist technisch solide umgesetzt, präsentiert sich im Moment aber eher als Modus nach dem Motto „musste eben auch noch ins Spiel, bevor es erscheint“. !B

Blaues Fahrzeug steht auf dem Screenshot vor einer Bärenfigur.
Sammelobjekte wie dieses lassen sich auch online sammeln.

Fazit: Solides NFS ohne Wow-Effekt

Gamer's Palace Score 72 von 100.

Need for Speed Unbound ist das beste Need for Speed der letzten Jahre – Hot Pursuit Remastered mal ausgeklammert. Das ist aber eigentlich auch keine große Kunst. Anders gesagt: Criterion Games hat hier einen soliden Arcade-Racer geliefert, der vor allem in den eigentlichen Rennen überzeugt. Leider wurden aber dabei die nervige Spielstruktur mit strengem Tag-/Nachtwechsel, Sitzungen und gescriptetem Auftreten teils zu aggressiver Cops aus NFS Heat übernommen. Auf diesen Aspekt hätte ich gern verzichtet und stattdessen ein paar mehr Inhalte gewählt. Events in Need for Speed Unbound wiederholen sich schnell, sowohl in der offline spielbaren Kampagne wie auch im strikt getrennten Onlinemodus, die beide einfach etwas inhaltsarm daherkommen. Technisch ist Need for Speed Unbound sehr solide (wenngleich auf PS4 und Xbox One Versionen wohl nicht wegen der Technik, sondern wegen der Entwicklungskapazitäten verzichtet wurde) und ich glaube, dass dieses Spiel eine gute Grundlage für künftige Ableger sein kann, aber es bleibt der Eindruck bestehen, dass das Spiel bei Criterion Games mit wenig Zeit entstanden ist.

ProContra
+ Spaßige Rennen– Nerviges Auftreten der Cops
+ Technisch rund und sauber– Frustrierender Verlust des Geldes bei Verhaftung
+ Großartige Soundkulisse– Etwas inhaltsarm
+ Solide Geschichte– Lakeshore eher unspektakulär
+ Grafischer Stil gefällt– Onlinemodus seltsam von Kampagne getrennt
+ Entschlackte Kampagne ohne Lootboxen oder Mikrotransaktionen– Unausgegorener Schwierigkeitsgrad

Offenlegung

Wir haben Need for Speed Unbound selbst gekauft.

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Manuel Eichhorn
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