Rise of the Tomb Raider (Xbox One) im Test – Lara Croft auf Selbstfindungstrip

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Beinahe drei Jahre ist nun her, dass Crystal Dynamics ein komplettes Reboot von Tomb Raider startete. Insbesondere durch die 2014 veröffentlichte Definitive Edition ist uns der Titel in erster Linie durch überzogen häufige Massenballereien und durch Laras wilde Haarpracht in Erinnerung. Was macht Rise of the Tomb Raider anders oder besser? Im Vorfeld war durchgesickert, dass die Entwickler wieder einige kleinere Änderungen an der Formel durchführen wollten. Wir finden im Test heraus, wie gut das zeitexklusiv für Xbox erschienene Sequel gelungen ist. Getestet haben wir die Xbox One Fassung.

Voller Überraschungen

Rise of the Tomb Raider steckte für uns voller Überraschungen – Positiv wie negativ. Auf der positiven Seite steht, dass Rise of the Tomb Raider erstaunlich storylastig ist, und das sogar ohne dass einem klaffende Logiklücken mit nacktem Hintern ins Gesicht springen. Ganz ohne weinerliche Lara kommt auch dieser Titel zu Spielbeginn nicht aus, doch Szenen wie die, dass wir in einem Gewaltakt ein Reh jagen, um es dann unverspeist liegen zu lassen, bleiben uns zum Glück erspart.

Freilich bietet Rise of the Tomb Raider keine komplexe oder tiefgehende Geschichte, doch wir wurden im Verlauf der Story sehr gut unterhalten und bekommen endlich auch wieder Einblicke in Laras Kindheitserinnerungen. Wir haben dieses Mal den Eindruck, es mit einer halbwegs realistischen Figur zu tun zu haben, die sogar selbst erkennt, dass sie bestimmte Grenzen schon lange überschritten hat. Manche Szenen sind emotional, andere eher witzig – Es gibt erstaunlich viele Cutscenes für ein aktuelles Spiel, die insgesamt gut gelungen sind.

Die Negativ-Überraschung entfaltet sich erst im Spielverlauf so richtig, denn nach einigen Stunden wundern wir uns darüber, welch zaghafte Weiterentwicklung Rise of the Tomb Raider geworden ist. Crystal Dynamics baut zwar durchaus auf dem Vorgänger auf und führt neue Elemente ein (und kürzt sogar andere!), doch insgesamt fühlt sich Rise of the Tomb Raider fast gar nicht anders an als sein Vorgänger. Im direkten Vergleich fehlen vielleicht sogar die echten Highlights, da wir eher den Eindruck haben, von Highlight zu Highlight gescheucht zu werden.

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Eine der schönsten Kulissen im Spiel.

Von Bären, Tigern und optionalen Gräbern

Nun aber Schritt für Schritt: Crystal Dynamics hat Einiges getan, damit Rise of the Tomb Raider auch Fans älterer Serienableger wieder eher zufriedenstellen kann. Dazu gehört, dass man die Tierwelt deutlich ausgebaut hat, und zwar die feindlich gesinnte Tierwelt! Während wir es in Tomb Raider hauptsächlich mit unheimlichen Wölfen zu tun bekommen haben, die allesamt zu den Feinden gehörten, lauern in Höhlen inRise of the Tomb Raider nun auch wieder wilde Bären oder Tiger.

Die Kämpfe mit diesen Bestien sind der mit Abstand anspruchsvollste Teil von Rise of the Tomb Raider. Ganz konkret: Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad „Tomb Raider“ stellt das Spiel für halbwegs geübte Spieler keinerlei Herausforderung dar. Nicht nur, weil die sonstigen Kämpfe nicht besonders schwer sind, sondern auch, weil vielen Elementen Tiefgang und Anspruch fehlen. Einen Survival-Aspekt gibt es freilich auch dieses Mal nicht, wenigstens wird aber bei Rise of the Tomb Raider auch nicht damit geworben.

Nicht einmal die optionalen Gräber sind besonders anspruchsvoll. Sie sind stattdessen eines der Elemente, die eine sehr merkwürdige Eigenschaft von Rise of the Tomb Raider zeigen: Man hat ständig den Eindruck, dass aus dem Spiel mit mehr Mut und mehr Entwicklungszeit so viel mehr hätte werden können. Soll heißen: Die Gräber haben uns mit ihrer Abwechslung und ihren ausnahmslos sehr logischen Rätseln sehr, sehr gut gefallen. Erstens sind sie jedoch mit insgesamt nur neun an der Zahl nicht besonders zahlreich, zweitens ist man innerhalb weniger Minuten auch wieder draußen. Bei einigen Gräbern ist sogar der Weg hinein schwieriger als das Grabrätsel an sich, was irgendwie absurd anmutet.

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Geschafft! Bären sind wirklich nicht ohne!

Willkommen im „Endgame“

Doch auch sonst kann sich Vieles in Rise of the Tomb Raider einfach nicht so entfalten, wie es das vielleicht sollte. Ja, man kann für Rohstoffe jagen, aber besonders spektakulär ist das nicht. Überhaupt liegen Rohstoffe und Munition in der Spielwelt herum, als würden sie pausenlos vom Himmel regnen. Das Charakter- und Ausrüstungssystem ist gelungen und Rise of the Tomb Raider insgesamt sehr belohnend, da man für fast alles Erfahrungspunkte erhält, doch theoretisch hält man das Spiel auch bis zum Ende mit Standardbewaffnung durch, da man notwendige Dinge ohnehin auf dem Hauptweg erhält. Dass zahlreiche Ausrüstung bei normalen Spielen ohnehin erst nach dem Abschluss des Spieles zusammenkommt, wenn man eigentlich schon nichts mehr damit anfangen kann, ist auch ziemlich absurd.

Das Spielende wirkt gestreckt und spätestens dann hat man zeitweise ohnehin den Eindruck, dass einen Crystal Dynamics nun nur noch von Action-Highlight zu Action-Highlight schicken will. Erfreulicherweise wurden unnötigen Ballerorgien im Spielverlauf deutlich reduziert – Umso deplatzierter wirken sie nun! Crystal Dynamics hätte gut daran getan, Rise of the Tomb Raider mehr Rätsel auf dem Hauptweg zu spendieren und die Schießereien noch weiter zurückzufahren. Doch auf dem Hauptweg direkt muss man nur kurz vor dem Ende ein paar Mal die Grauen Zellen anstrengen – Sonst sind alle Rätsel völlig optional. Schade!

Angesichts dieses fehlenden Tiefgangs und des mangelnden Anspruchs ist es schon fast verwunderlich, dass Rise of the Tomb Raider für alle „Endgame“-Freaks ein interessantes Element bereithält. Der Expeditionen-Modus zum Wiederholen von Levels bietet mehrere Spielmodi und sogar die Möglichkeit, eigene Missionen zu entwerfen. Realisiert wird das alles mittels unzähliger sammelbarer Karten, die mittels Echtgeld oder im Spiel verdienter Credits in Booster Packs gekauft werden. Sie beinhalten nicht nur Spielmodifikatoren, die einem die Mission schwieriger oder leichter machen, sondern sie stellen überhaupt auch erst Waffen bereit. Wer also auf Herausforderungen steht, kann sich hier knallharte Expeditionen erschaffen und auch in den Wettbewerb mit seinen Xbox Live Freunden treten – Das ist eine coole Sache, die einen auch über das Ende der Rise of the Tomb Raider Geschichte hinaus unterhalten kann.

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Ein Sammelkartenspiel ist in Rise of the Tomb Raider direkt integriert.

Die Spielwelt lebt

Beschäftigt ist man mit Rise of the Tomb Raider je nach Spielart übrigens rund 15 Stunden – Wer das Spiel mit 100% komplettieren will, darf mit gut 20 Stunden rechnen. Die 1.000 Gamerscore sind dann noch längst nicht drin, dafür muss man nämlich noch zahlreiche Extra-Herausforderungen absolvieren und auch mit dem Expeditionen-Modus herumspielen.

Nach dem Abschluss der Story steht es einem offen, die Spielwelt nochmal komplett zu bereisen und alle restlichen Dinge zu sammeln, Herausforderungen zu erledigen und Missionen zu absolvieren. Allmählich lässt der Reiz der Spielwelt dann nach. Hat man alles erledigt, bleiben nur noch die tollen Kulissen, ansonsten jedoch wenig zu tun.

Missionen und Herausforderungen abgesehen von der Wildtierwelt einzuführen, war eine sehr gute Entscheidung, denn so wirkt die Spielwelt in Rise of the Tomb Raiderwirklich lebendig. Allein schon wegen der kompakten Größe der Spielwelt können aber auch diese Elemente keine echte Tiefe entfalten: Missionen sind häufig nur eine Sache weniger Minuten, die Herausforderungen erfordern immerhin ein aufmerksames Auge.

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Dass die Spielwelt auch von freundlich gesinnten Figuren bevölkert ist, macht einen guten Eindruck!

Licht und Schatten

Technisch macht Rise of the Tomb Raider insgesamt einen soliden Eindruck, jedoch hätten wir uns hier einen deutlich größeren Schritt im Vergleich zum Vorgänger gewünscht. Zwar sind die Kulissen teilweise beeindruckend hübsch und detailreich, doch der optische Sprung im Vergleich zur Tomb Raider Definitive Edition ist klein bis kaum vorhanden, zumal es auch dieses Mal wieder zu unschönen Clippingfehlern und zu Problemen mit der Kollisionsabfrage kommt. Übrigens wurde das übertriebene Herumwehen von Laras Mähne auf ein realistisches Maß reduziert, sodass wir es nun mit halbwegs realistischen Haaren zu tun haben. Gegen Ende bricht die Performance hin und wieder etwas ein, was den Gesamteindruck trübt.

Tontechnisch haben die Entwickler alles richtig gemacht – Sogar die Abmischung passt, auch wenn man sich erneut an eine neue Stimme von Lara gewöhnen muss, die nicht mehr von Nora Tschirner, sondern von Maria Koschny gesprochen wird – Einigen sicherlich bekannt als die Stimme von Katniss Everdeen, gespielt von Jennifer Lawrence, in den „Hunger Games“ Filmen. Deutlich überstrapaziert wird jedoch das Tomb Raider Thema, welches alle Minuten irgendwo hingeklatscht wurde.

Spielerisch tragen die häufig und fair gesetzten Rücksetzpunkte zu einem flüssigen Spielerlebnis bei, auch in den seltenen Fällen, wenn die Steuerung mal verrücktspielt. Einige Male wurden wir jedoch an sehr verwirrenden Punkten wieder herausgesetzt – Hier kamen wahrscheinlich Scripts dem Speichersystem in die Quere.

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Im Expeditionsmodus möglich: Riesenköpfe!

Fazit: Nur Mut!

Während Rise of the Tomb Raider im Vergleich zum Vorgänger einige gelungene Dinge neu einführt bzw. erweitert und andere gekonnt kürzt, ist es an manchen Stellen eine zu zaghafte Weiterentwicklung des arg überzogen actionreichen Reboots: An vielen Stellen und bei vielen Elementen im Spiel drängt sich der Eindruck auf, mit mehr Mut und vor allem mehr Zeit hätte aus Rise of the Tomb Raider viel mehr werden können als dieses Endprodukt. Am schwersten wiegt, dass einige Elemente sogar bis zum Spielende ihre ganze Tiefe nicht richtig entfalten können.

Trotz allem ist das irgendwo Meckern auf hohem Niveau: Rise of the Tomb Raiderbietet eine überraschend gute Story, eine teils wunderschöne Spielwelt, abwechslungsreiche, wenn auch sehr kurze und nicht besonders zahlreiche Gräber mit logischen Rätseln und insgesamt gut funktionierendes Gameplay. Für Laras nächste Expedition würden wir uns dennoch ein weiteres Rütteln an der Grundformel wünschen: Noch weniger deplatzierte Massenschießereien, hin und wieder mehr Tiefgang und Anspruch! Dann ist auch eine Topwertung drin.

Pro Contra
+ Tolle Spielwelt, beeindruckende Gräber – Deplatzierte Ballerorgien
+ Erstaunlich gute Story – Nur am Ende Rätsel auf dem Hauptweg
+ Logische Rätsel – Kaum Anspruch, Tiefgang oder Komplexität, Elemente entfalten sich kaum
+ Missionen, Herausforderungen und Co. lassen Welt lebendig wirken… – … lassen aber an Tiefgang vermissen
+ Netter Expeditionen-Modus – Einige unschöne Clippings und Kollisionsprobleme
+ Gute Atmosphäre – Gegen Ende Performance nicht immer top
+ Gelungener Soundtrack… – … aber TR-Thema wird überstrapaziert
+ Belohnender Charakter

Technik: 80

  • Grafik: 83
  • Sound: 85
  • Umfang: 81
  • Gameplay: 84
  • KI: 69

Spielspaß: 80

Singleplayer:

  • Story: Die Story ist erstaunlich gut – Natürlich nicht besonders komplex oder tiefgehend, aber immerhin unterhaltsam, teilweise witzig, teilweise emotional.
  • Frustfaktor: Eigentlich nicht vorhanden – Nur in den ganz seltenen Situationen, wenn die Steuerung nicht das tut, was sie soll..
  • Wiederspielwert: Für die meisten Spieler dürfte sich das Spiel nach einem Durchgang erledigt haben – Für 100% benötigt man gut 20 Stunden, darüber hinaus steht für „Endgame“-Freaks der Expeditionen-Modus zur Verfügung.
  • Musik: Musikuntermalung und Synchro sind gelungen, hat man sich an die neue Stimme von Lara gewöhnt. Das Tomb Raider Thema wird leider ziemlich überstrapaziert.

Informationen zum Testgerät
Plattform: Xbox One
Edition: Standard (500GB), ohne ausgetauschte Hardware
Hardware: Titel installiert auf interner Festplatte
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 1 Monat

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Manuel Eichhorn
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