Im August habe ich schon einmal die Demo von Stygian: Reign of the Old Ones ausprobiert. Mein Fazit lautete damals, dass sich die Entwickler aller Wahrscheinlich nach viel vorgenommen haben, aber uns eine sehr atmosphärische Welt mit viel Tiefgang mit dem finalen Spiel erwarten dürfte. Was wirklich daraus geworden ist und ob sich die Entwickler vielleicht zu viel vorgenommen haben, erfahrt ihr im Test.
Stygian: Reign of the Old Ones bietet wahnsinnig viel, von dem andere Spiele immer nur reden, es aber am Ende doch nicht durchziehen. Survival, Anspruch, und vor allem ein waschechtes Rollenspiel, das ist, was in Stygian: Reign of the Old Ones steckt und was hier in einer Qualität ausgebaut wurde, die ich bisher nur selten in einem Spiel gesehen habe. Zumindest der Mainstream kommt da einfach nicht mit. Sind wir mal ehrlich: In welchem Rollenspiel spielt man noch eine Rolle, die auch wirklich einen Unterschied macht? Freie Entscheidungen und eine offene Spielwelt sind zwar gerade ganz heiß begehrt in der RPG-Welt, aber wirklich den Eindruck eine Rolle mit tiefgreifendem Einfluss zu spielen, habe ich nur selten.
In Stygian: Reign of the Old Ones ist das etwas anders, obwohl, oder gerade weil, es hier keine riesige offene Spielwelt gibt. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn alles dreht sich rund um Arkham, das man auch unzählige Male in einem Durchgang durchstreift. Es gibt auch nur gut eine Handvoll Gebiete drum herum, die meist sehr überschaubar sind – die Rest spielt sich in Gebäuden oder unterirdisch ab, in Arkham.
Doch alles geht schon los mit der Charakterstellung, die ungewöhnlich umfangreich ist. Nicht, weil man das Aussehen der Figur im Detail bestimmen kann, sondern im Wesentlichen ihre körperlichen und geistigen Eigenschaften. Ich habe mich für einen Soldaten, genauer gesagt einen Marine, mit dem Glaubenssystem Nihilist entschieden. Es gibt mehrere dieser „Berufe“ und Archetypen, und verschiedene Glauben. Und ob ihr es nun glaubt oder nicht: Ein Materialist wird in Stygian: Reign of the Old Ones tatsächlich anders handeln als ein Nihilist.
Eine düstere Welt in Lovecraft Manier
Ich habe gelernt, dass ich als Nihilist in Stygian: Reign of the Old Ones gar nicht mal so verkehrt lag. Nach dem „Schwarzen Tag“ ist in der Welt nichts mehr so wie es einmal war, Zigaretten sind zur alltäglichen Währung geworden, die Menschen begeben sich nach Möglichkeit in ein Gasthaus und geben sich ihren körperlichen Verlangen hin, Besserung oder gar eine Rettung ist nicht in Sicht. Arkham scheint aus der realen Welt in eine von merkwürdigen Wesen beherrschte Umgebung gehoben, die Machtverhältnisse in Arkham sind aber keineswegs geklärt, Morde geschehen auf den Straßen und natürlich spielt auch Cthulhu eine Rolle.
Stygian: Reign of the Old Ones bietet das alles in einer großartigen Atmosphäre, die audiovisuell völlig rund umgesetzt wird. Dabei ist es allerdings keineswegs ein Horrorspiel. Stygian: Reign of the Old Ones setzt in erster Linie auf eine grundsätzlich starke und düstere Atmosphäre, die von der Musik ebenso wie vom grafischen Stil perfekt eingerahmt wird. Blut, Gewalt und Sex gibt es trotzdem genug – eben alles, was man von einer kaputten Welt wie dieser erwartet.
Bloß nicht wahnsinnig werden
Es ist klar, dass in einer Welt wie dieser es den Menschen nicht besonders gut geht – körperlich vielleicht schon, wenn sie genug Nahrung haben, doch mit der geistigen Gesundheit ist es nicht besonders weit her. Tatsächlich ist die geistige Gesundheit, oder auch „Fassung“, wie es in der deutschen Übersetzung von Stygian: Reign of the Old Ones heißt, ein zentraler Aspekt des Spieles.
Vor allem für eure Hauptfigur kommt ihr mit der Fassung öfter in Bedrängnis als mit der Gesundheit – denn körperlich können einem in Stygian: Reign of the Old Ones auch die stärkeren Gegner gar nicht mal so viel anhaben, geistig dagegen schon. Sinkt die Fassung auf 0, ist das Spiel vorbei. Alkohol und Sex sind zwei Dinge, die allen Figuren helfen, etwas Fassung zu gewinnen – was sonst noch hilft, ist von der Figur abhängig. Als Nihilist stelle ich Fassung wieder her, wenn ich nihilistische Antworten in Dialogen mit den NPCs gebe – und diese muss ich selbst wählen.
Trotz genügend Fassung gibt es allerdings auch Geisteskrankheiten oder andere Reaktionen, die auftreten können: Ihr könnt an Schizophrenie erkranken oder eine Panikattacke erleiden, die zu einem „Amoklauf“ führt und die Figur dadurch eure Verbündeten angreift. Gleiches gilt übrigens auch für die Widersacher.
Für welche Aspekte man besonders empfänglich ist, liegt unter anderem am Beruf und dem Archetypen eurer Figur – und ist einer der vielen Aspekte, wie in Stygian: Reign of the Old Ones die verschiedenen Spielsysteme gut ineinander greifen.
Stellst du dich gemeinsam mit mir dem Wahnsinn?
Nein, Stygian: Reign of the Old Ones hat keinen Koop-Modus. Nett wäre das allemal, aber das Begleitersystem im Spiel ist fast noch besser. Zuletzt habe ich mich bei GreedFall ganz klar darüber aufgeregt, dass das Begleitersystem nicht wirklich konsequent umgesetzt wurde, weil sie dort zwar Fertigkeiten haben können, die mir aber nix gebracht haben. In Stygian: Reign of the Old Ones ist das anders – im Spielverlauf könnt ihr verschiedene Begleiter treffen, die mit verschiedenen Charakterzügen und auch Fertigkeiten daherkommen.
Kann einer der Gefährten etwas, was man selbst nicht kann, so kann man diese Fertigkeit auch vollständig nutzen und zum Beispiel Medizin herstellen oder man erhält zusätzliche Erkenntnisse in einer Ermittlung – und nicht zuletzt können Begleiter auch Konflikte mit anderen auslösen.
Auf die rundenbasierten Kämpfe in Stygian: Reign of the Old Ones wirkt sich all das im Endeffekt am wenigsten aus – die Kämpfe sind teils zwar anspruchsvoll, aber dennoch nicht der spektakulärste des Spieles, denn besonders große Vielfalt weisen sie nicht auf. Hier liegt noch etwas ungenutztes Potential in Stygian: Reign of the Old Ones.
Auch klar: Begleiter können in Stygian: Reign of the Old Ones jederzeit sterben, und dann gibt es auch kein Zurück mehr, außer ihr ladet euren Spielstand erneut, was ich dann doch öfter mal genutzt habe. Abgesehen davon, dass euch mit dem Verlust eines Begleiters eventuell wertvolle Fertigkeiten verlorengehen, hat so ein Tod natürlich auch gravierende Auswirkungen auf die geistige Gesundheit (Fassung) eurer anderen Figuren hat. Entwarnung: Lediglich, so etwas wie Trauer hat man nicht eingebaut.

Technische Ärgernisse werfen dunkle Schatten
Stygian: Reign of the Old Ones überrascht im Laufe der Spielstunden immer wieder mit frischen Elemente. Als wäre das Charaktersystem mit Tiefgang und echten Auswirkungen auf Dialogoptionen und den Fortschritt der Story nicht genug, bietet es auch echte Survivalelemente, da man immer genügend Rationen dabei haben muss, um nicht hungrig und schwach zu werden, und natürlich auch Campingausrüstung, wenn man sich unterwegs ausruhen muss. Teilweise sind die Elemente auch so komplex, dass man durchaus mal den Überblick verlieren kann und doppelte Wege auf sich nimmt. Wenn’s irgendwo dunkel ist, braucht ihr in Stygian: Reign of the Old Ones auch eine Lampe mit genug Kerosinvorrat, sonst seht ihr nix. Dass eure Figur bei zu viel Whiskeygenuss irgendwann süchtig nach Alkohol wird, ist da schon gar keine Überraschung mehr, wobei sich die spielerischen Folgen in Grenzen halten.
Ab und zu findet man hier mal lose Enden, doch die sind nicht weiter schlimm, denn Stygian: Reign of the Old Ones bietet ein umfassenderes Charakter- und echtes Rollenspielsystem als die meisten anderen aktuellen Genrevertreter. Schwerer ins Gewicht fallen da die doch recht zahlreichen Fehler im Spiel und auch die Performanceprobleme. Ich habe das Spiel auf meinem Shadow Rechner gespielt, der definitiv stark genug sein sollte, doch hier kommt es regelmäßig zu recht starken Aussetzern im Spielablauf, und das, obwohl es beim Wechsel zwischen den recht kleinen Gebieten auch immer Ladepausen gibt.
Fast noch nerviger ist allerdings die fummelige Bedienung: Es ist manchmal sehr schwierig, Objekte mit der Maus zu erwischen, da sie nur an einer bestimmten Stelle „anvisiert“ werden. Oft führt die Spielfigur dann auch keine Handlung aus, sondern läuft nur hin – oder sogar wieder weg. Am nervigsten ist das im Kampf, denn befindet sich eine Leiche auf einem der Hexfelder, ist es manchmal fast unmöglich, auf dieses Feld zu laufen, da man immer wieder das Plündern der Leiche auslöst – selbst, wenn man das schon gemacht hat. Bei jedem Fehlversuch wird ein Aktionspunkt verbraucht nervig!
Feinschliff benötigt auch noch die deutsche Übersetzung von Stygian: Reign of the Old Ones, denn je weiter man im Spiel voranschreitet, desto mehr Englisch schleicht sich ein. Die deutsche Übersetzung ist ansonsten nicht schlecht, wer es allerdings beherrscht, sollte das Spiel lieber auf Englisch spielen. Und liebe Indies, einzelne Lücken in der Übersetzung verzeihe ich gern, aber bei so vielen Lücken kann man auch gern auf die Übersetzung verzichten!
An den grundlegenden Spielsystemen wünsche ich mir nur bei zwei Sachen noch eine Änderung. Während ich grundsätzlich mit allen Features in Stygian: Reign of the Old Ones wirklich zufrieden bin, gibt es eine Sache, die mich nervt: Die zufälligen Begegnungen beim Reisen zwischen den einzelnen Schauplätzen, denn diese sind oft unnötig frustrierend – während Kämpfe während der Story meist eher einfach sind. Außerdem möchte ich freies Speichern. Stygian: Reign of the Old Ones speichert regelmäßig automatisch, selbst speichern geht aber nur mit Verlassen des Spieles. Wieso?
Fazit: Nur etwas Feinschliff fehlt
Meine Erwartung an Stygian: Reign of the Old Ones wurde mehr als nur erfüllt. Ein atmosphärisch starkes RPG vorzufinden, hatte ich nach meinem Ausflug in die Demo schon erwartet. Doch dass mich tatsächlich auch ein waschechtes und tiefgehendes, echtes Rollenspiel erwartet, das bis auf wenige lose Enden auch komplett ausgearbeitet und durchdacht ist, hatte ich dann doch nicht sicher erwartet. Aus der umfassenden Charakterentwicklung machen die Entwickler was und holen alles raus. Um wirklich alles aus der Welt von Arkham kennenzulernen, sollte man sich mehrere Figuren erstellen, und darauf ist Stygian: Reign of the Old Ones auch ausgelegt. Auch das echte und voll ausgebaute Begleitersystem hat es mir angetan. Schade, dass die Vielfalt an Systemen offenbar auch dafür sorgt, dass technisch nicht alles rund läuft: Vor allem bei der Performance und in Sachen Bedienung benötigt Stygian: Reign of the Old Ones noch Einiges an Feinschliff. Frust wird manchmal aber auch unnötig durch (ebenfalls unnötige) zufällige Elemente generiert. Ich hoffe, dass die Entwickler von Cultic Games hier noch dran arbeiten – und sonst hoffe ich, dass möglichst viele Spieler dem Spiel eine Chance geben, denn so ein umfassendes Rollenspiel hat auch ohne riesige Open-World genug Aufmerksamkeit verdient!
Pro | Contra |
---|---|
+ Herausragende Atmosphäre | Schlechte Performance |
+ Echtes Rollenspiel: Wählt eure Rolle und lebt sie | – Unnötiges Fruspotential aufgrund von zufälligen Ereignissen |
+ Begleiter mit Einfluss auf den Spielablauf | – Lückenhafte deutsche Übersetzung |
+ Geistige Gesundheit als wesentliches Spielelement | – Selbst speichern nur beim Verlassen des Spieles möglich. |
+ Ausführliches Journal, ohne die Spannung aus dem Spiel zu nehmen | – Fummelige Bedienung und Probleme mit der Erkennung von Objekten |
+ Audiovisuell überaus stimmig | |
+ Echte Survivalelemente |
Technik: 79
Grafik: 84
Sound: 90
Umfang: 85
Gameplay: 84
KI: 53
Spielspaß: 85
- Story: Düster, atmosphärisch und vielfältig. Ihr kommt in Stygian mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten und Organisationen in Kontakt, wobei die Welt glaubhaft inszeniert ist.
- Frustfaktor: Stellenweise vorhanden, manche Kämpfe sind unfair und vor allem Zufallsbegegnungen einfach nur übertrieben.
- Wiederspielwert: Vorhanden. Um alles in Stygian: Reign of the Old Ones zu erleben, sollte man sich mehrere Figuren erstellen.
- Design/Stil: Absolut gelungen und stimmig.
- Musik und Sound: Der Soundtrack passt perfekt.
Offenlegung
Wir bedanken uns bei 1C Entertainment für das Pressemuster von Stygian: Reign of the Old Ones!
Infos zum Testsystem
Stygian: Reign of the Old Ones getestet auf einem Shadow Rechner mit folgender Hardwarekonfiguration:
- Intel Xeon E5-2678 Zwölfkernprozessor mit je 2,5 Ghz.
- Nvidia Quadro P5000
- 12 GB RAM
- 256 GB SSD
- 1 Gbit/s Internetverbindung
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