Eine circa 65-stündige Reise liegt hinter mir: Mein Platin-Durchgang von Dragon Age: The Veilguard markierte für mich den Einstieg in die Serie. Ich hatte eine sehr schöne Zeit mit dem Spiel, das in gewisser Weise BioWares Comeback sein sollte – und verstehe gleichwohl auch einen Teil der Kritik am Spiel. Heute ziehe ich ein Fazit zum Spiel, gespielt habe ich auf der PS5 Pro.
Zwischen Erwartungen und Realität
Ich schreibe diese Review zu einer Zeit, zu der schon bekannt ist, dass Dragon Age: The Veilguard von EA als Flop betrachtet wird. Ein Erfolg sieht anders aus, im ersten Quartal konnte das Spiel nur ungefähr die Hälfte der Spielenden begeistern, die das EA-Management prognostiziert hat. Gleich vorab: Die go woke, go broke Fraktion kann gleich wieder abziehen, auf die Diskussion werde ich mich nicht einlassen.
Dragon Age: The Veilguard ist knapp zehn Jahre nach dem Vorgänger mit dem Untertitel Inquisition erschienen. Eine sehr lange Zeit, weil die Geschichte als direkte Fortsetzung der Ereignisse des Vorgängers zu verstehen ist. Nach zwei Misserfolgen für das Studio, die in der Zwischenzeit erschienen sind, wurde Dragon Age: The Veilguard vorab als so was wie ein Befreiungsschlag für das Studio gesehen, und tatsächlich hat EA sich vorab bemüht, mit Neuigkeiten zu verkünden, das alles wieder ein bisschen so wie früher werden wird: Auf dem PC ein Release bei Steam, keine Mikro-Transaktionen und Einiges mehr.
Um den Launch herum gab es auch schon eine ernüchternde Nachricht in diese Richtung: DLC für Dragon Age: The Veilguard sei nicht geplant, Anfang 2025 schließlich scheint BioWare das Spiel bereits nach einem größeren Update hinter sich gelassen zu haben. Mittlerweile tönt EA, das Scheitern des Spieles liege unter anderem daran, dass es sich um ein Einzelspieler-Spiel ohne Online-Komponenten handele und Einiges mehr.
Klingt alles irgendwie nach Identitätskrise? Ja, ein wenig. Und ich glaube auch, dass das letztlich der Grund ist, dass das neue Dragon Age nicht so gut ankam, wie es vielleicht hätte ankommen können. Dragon Age: The Veilguard ist genau die Art von Spiel, die mir richtig gut gefällt – und die dafür gesorgt hat, dass ich die Reihe nun spiele. Doch ich kann auch nachvollziehen, warum vor allem aus den Reihen der Spielenden so viel Kritik kam, nachdem das Spiel bei der Presse doch eher gut ankam.
Care-Arbeit ist alles
Dragon Age: The Veilguard hat mich mit seinem vielfältigen Cast begeistert. Das Spiel stellt die Welt und mein Team so dar, wie sie sind: Divers und mit verschiedenen Befindlichkeiten. Dabei spielen auch die persönliche Entwicklung und die mentale Gesundheit eines jeden eine Rolle. Und ja, ich finde es großartig, wie Taash im Spielverlauf hens individuelle Rolle findet, nachdem hen mit der Rolle als Frau in der Gesellschaft einfach nicht zurechtkommt.
Dein Team beschäftigt dich während deiner Spielzeit in Dragon Age: The Veilguard auf vielfältige Weise. Immer wieder zwischen den Missionen benötigen deine Gefährten deine Aufmerksamkeit, sei es durch kurze Gespräche oder Quests, um das Bündnis zu steigern. Nach und nach werden alle individuell so zur Schleierwacht ausgebildet; ein Schritt in der individuellen Entwicklung, der zum Ende des Spieles sehr, sehr hilfreich ist.
Doch gerade in diesem Zusammenhang ist mir auch aufgefallen: Die Schleierwacht, immerhin ja namensgebend für das Spiel, spielt eigentlich gar keine Rolle. Auch die Entwicklung zur Schleierwacht wird in der Story gar nicht thematisiert. Und so zeigt ist: Die größte Stärke des Spieles ist vielleicht auch die größte Schwäche.
RPG mit Fokus auf das Individuum
Ich habe, wie schon erwähnt, die vorherigen Dragon Age Teile nicht gespielt, doch Bea hatte im letzten Jahr sehr viel Zeit mit Dragon Age Inquisition verbracht. Mir war dann im Verlauf des neuen Teils vor allem in der zweiten Spielhälfte aufgefallen, wie viel Zeit ich mit meinem Team verbringe. Nach fast jeder Quest habe ich zum Spaß gesagt: „Oah, schon wieder haben fast alle Befindlichkeiten!“
Genervt hat mich das nie – im Gegenteil, ich liebe diese ganzen individuellen Geschichten und habe es sehr gern gemocht, nach und nach die Dynamik meines Teams entwickeln zu sehen. Doch es zeigt sich vor allem: Während BioWare mit dem einen oder anderen Inhalt dieser Geschichten polarisiert, hat man auf vielen anderen Ebenen extrem „sicher“ gespielt: Als RPG bliebt Dragon Age: The Veilguard an vielen Stellen sehr oberflächlich, ja gar simpel.
Sogar die Auswirkungen meiner Charaktererstellung bleiben sehr übersichtlich. Mit dem Charaktereditor kann man dabei viel Zeit verbringen, sehr viel sogar. Doch letztlich spielt es nur untergeordnet eine Rolle, wer ich bin, ob ich eine Trauerwacht oder einen Grauen Wächter spiele: Dialoge sind in Nuancen anders, hier und da reagiert jemand anders, hier und da habe ich eine andere Dialogoption, aber das war es auch schon. Bea und ich haben in The Veilguard völlig unterschiedliche Figuren gespielt, doch das Spiel lief für uns beide gleich ab. Ein Blick ins Internet zeigt, dass auch bei anderen Auswahlen die Konsequenzen oberflächlich bleiben. Nur recht am Ende des Spieles, ja, da kann man Entscheidungen treffen, die wirklich etwas verändern. Ich habe die wohl wirklich dümmste Kombination aus Entscheidungen getroffen, die man überhaupt treffen konnte. Was genau geschehen ist, werde ich im Rahmen dieses Testberichts nicht schreiben, aber genauso etwas hätte ich mir doch öfter im Spiel gewünscht.
Ein Spiel auf Sicherheit
Doch BioWare hat eher auf Sicherheit gespielt und so sind auch die restlichen Spielelemente relativ eingängig, die Charakterentwicklung lässt sich gut meistern, auch das Team lässt sich recht einfach sinnvoll zusammenstellen, ohne dass man auf wirklich viel achten muss. Auch was Kartenmarkierungen und Ähnliches angeht, ist Dragon Age: The Veilguard voll und ganz in der aktuellen Zeit angekommen und in gewisser Weise schlichtweg anspruchsloser als seine Vorgänger. Mit einer gewissen Aufmerksamkeit im Spiel lassen sich daher auch die Platin-Trophäe auf der PS5 bzw. die 1.000 Gamerscore auf der Xbox bereits im ersten Durchgang sehr einfach verdienen.
Davon abgesehen bietet Dragon Age: The Veilguard dennoch eine beeindruckende Spielwelt, die vielleicht nicht mit ihrer schieren Größe, aber dennoch mit ihrer Vielfalt und ihrem Detailreichtum begeistern konnte. Gerade das „Simple“ daran hat mir so viel Spaß gemacht: Das Erkunden der verschiedenen Gebiete hatte für mich auch einmal wieder etwas ganz Klassisches, es lohnt sich, jeden Winkel zu erkunden und jeden Stein einmal umzudrehen, um auch das letzte Geheimnis zu finden, jedes Ausrüstungs-Upgrade aus einer Kiste zu holen oder einfach nur genügend Geld und Materialien zu haben, um jede Fraktions-Beziehung auf die höchste Stufe zu bringen.
Einfach nur zum nächsten Questziel zu laufen, das war für mich in Dragon Age: The Veilguard nicht möglich, ich habe jedes Gebiet bis zum letzten Winkel erkundet. Vielleicht kann ich so aber nochmal ausdrücken, was möglicherweise die Schwäche am Spiel ist: Würde man das lassen und auch nicht die Nebenquests im Spiel erledigen, schätze ich, dass sich der Hauptinhalt des Spieles 15-20 Spielstunden pressen lassen würde. Ich meine das nach wie vor nicht negativ, es sagt einfach nur etwas aus über die Art des Spieles, die BioWare hier geschaffen hat.
So richtig PS5 Pro?
Es war gar nicht so einfach, herauszufinden, was genau die PS5 Pro Version von Dragon Age: The Veilguard anders macht. Nach und nach ist es mir dann doch klar geworden, und ich konnte meine Version ganz gut mit der von Bea vergleichen, die das Spiel auf der Xbox Series S gespielt hat.
Keinesfalls bietet Dragon Age: The Veilguard auf der PS5 Pro nur einen Grafikmodus, wie man das vielleicht erwarten könnte, stattdessen gibt es auch hier einen Grafik- und einen Leistungsmodus. Ich habe mich schnell für den Leistungsmodus entschieden, hier läuft das Spiel im Ziel mit 60 Bildern pro Sekunde und macht einen deutlich flüssigeren Eindruck als im Grafikmodus. Die grafischen Vorteile in letzterem sind dabei für mein Auge bei weitem nicht so bedeutend, als dass sie die niedrigere Bildrate rechtfertigen würden.
Während wir den Leistungsmodus auf der Xbox Series S rein optisch liebevoll als „Nintendo Switch Modus“ bezeichnet haben, weil dann außer einem matschigen Erscheinungsbild nicht mehr viel übrig ist, zaubert die PS5 Pro hier immer noch ein sehr scharfes Bild auf den Fernseher. Tatsächlich sieht Dragon Age: The Veilguard an vielen Stellen sehr beeindruckend aus, doch es gibt ein paar Schwankungen je nach Gebiet und hin und wieder trüben unschöne Pop-Ins von Texturen das Gesamtbild.
Auch die Performance ist nicht astrein: Leider kommt es immer wieder zu Einbrüchen der Bildrate, die vor allem durch das größere Update des Spieles im Januar auf der PS5 Pro schlimmer wurden. Im Verlauf meiner Spielzeit ist Dragon Age: The Veilguard zudem zwei Mal abgestürzt, einmal im Hauptmenü und einmal gegen Ende des Spieles beim Auslösen des nächsten Questzieles. Ansonsten hielten sich solche Auffälligkeiten in Grenzen.
Was die Soundkulisse angeht, zeigt sich durchweg solide Kost, inklusive der deutschen Synchronisierung, die ich für sehr gelungen halte und die auch die Sprecherinnen und Sprecher aus den vorherigen deutschen Versionen soweit möglich wieder zurückbringt.


Fazit: Eines meiner Lieblingsspiele 2024

Dragon Age: The Veilguard hat mich circa 65 Stunden unglaublich gut unterhalten und war eines meiner Lieblingsspiele des vergangenen Jahres. Der Fokus des Titels liegt auf meinem Team, der Care-Arbeit für dieses und den sich entwickelnden Interaktionen zwischen seinen diversen Mitgliedern. Ich liebe genau diesen Teil des Spieles und habe es genossen, die persönlichen Geschichten während der Entwicklung zur Schleierwacht zu sehen. Ich verstehe aber auch die Kritik: Die sonstigen RPG-Anteile bleiben eher oberflächlich und selbst die umfangreiche Charakter-Erstellung hat keine großartigen Auswirkungen auf den Spielverlauf, sondern sorgt lediglich für in Nuancen unterschiedliche Dialoge und Dialogoptionen. Mir hat vor allem auch noch die Spielwelt mit ihren vielen Geheimnissen und Schätzen in jeder Ecke viel Spaß gemacht. Und ich hoffe, dass BioWare mit seinem nächsten Spiel auch bei den Verkaufszahlen wieder auf Kurs kommt.
Pro | Contra |
---|---|
+ Diverses Team rund um die Hauptfigur | – RPG bleibt eher oberflächlich |
+ Motivierende Care-Arbeit für das Team | – Charakterentscheidungen beeinflussen Spiel kaum |
+ Beeindruckende Spielwelt | – Leichte Pop-Ins, leichte Framerateprobleme |
+ Erkunden lohnt sich | – 2 Abstürze während meines Durchgangs |
+ Eingängige Charakter- und Teamentwicklung |
Offenlegung
Wir haben Dragon Age: The Veilguard selbst gekauft.