Schon vor einigen Jahren fand ich Honey, I Joined a Cult und war von der Idee, einen eigenen Kult zu gründen begeistert. Besonders, da ich bereits Fuß in Godhood gefasst hatte, konnte es nur eine spannende Erneuerung des Genres sein. Seit etwa einem Jahr ist der kultige Kultspiel nun im Early Access und verlässt diesen in kürzester Zeit. Ich habe mich nun also an einem eigenen Kult versucht und verrate in meiner Review, warum es sich eher nach einem Hamsterrad anfühlt, statt einer gelungenen Kulteröffnung. !B
Die Merkmale des Kults
Bevor du deinen eigenen Kult ins Leben rufen kannst, darfst du erstmal alle Grundlagen festlegen: Wie heißt dein Kult? Wie heißen die Anhänger:innen? Wie ist die Mehrzahl von denen? Was ist das Logo des Kults? Wie sieht deine Figur aus? Wie heißt die Figur, die ihr anhimmeln werdet? Das und noch ein paar Dinge mehr kannst du direkt zu Beginn einstellen, was ich ziemlich amüsant fand. Möglicherweise heißen meine Anhänger:innen einzeln Lucy und gemeinsam Lucinda, während meine Kultfigur auf Lily hört und unser Gebetsraum der Palace ist. Du siehst, ich hatte Spaß damit.
Sobald du deinen Kult in Honey, I Joined a Cult gegründet hast, beginnt der Aufbau desselbigen. Das bedeutet: Du brauchst in meinem Fall Lucinda, die für dich arbeiten und den Glauben des Kults verbreiten. Diese Leute unterstützen dich auch bei Missionen und kümmern sich um alle, die Interesse am Kult haben. Außerdem generieren sie glauben, wenn ihr alle zusammen bei der Predigt sitzt. Glauben ist so eine Art Währung, die du beim Forschen und Ausbauen deiner Einrichtung benötigst.
Neben den Leuten, die eh schon deinem Kult in Honey, I Joined a Cult angehören, gibt es dann noch Anhänger:innen, die fast noch ein bisschen wichtiger sind. Diese Interessierten sind im Grunde die eierlegenden Wollmilchsäue des Spiels: Sie geben dir Geld und Einflusspunkte. Beides sind zwei sehr wichtige Bestandteile, um deine Organisation weiter und besser ausbauen zu können. Ohne Geld kannst du nichts kaufen – gerade am Anfang brauchst du davon einiges, um die entsprechenden Räumlichkeiten für deinen Kult zu bauen. Ohne Einfluss kannst du nichts erforschen und somit deine Organisation nicht weiter entwickeln.
Wenn du dann also deinen Kult eingerichtet, die ersten Anhänger:innen und Kultist:innen hast, geht es im Grunde nur noch darum, deine Organisation soweit wie möglich auszubauen, alle glücklich zu machen und die Weltherrschaft an dich zu reißen. Kinderspiel, oder? !B
Ich forsche für den Kult
Was nun irgendwie episch klingen könnte, entpuppt sich ziemlich schnell als ein Spiel, bei dem man nur wartet, dass man genügend Punkte für irgendwas ersammelt hat. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Einfluss, denn ohne diesen kannst du so gut wie nichts machen. Später ist noch der Glauben recht wichtig. Na ja, und dann gibt es da noch PR und Ermittlungspunkte, die jedoch beide was anderes bedeuten und nur bedingt zum Ausbau des Kults beitragen – PR wahrscheinlich sogar noch mehr als die Ermittlungen.
Zunächst war ich fasziniert: Ich stand vor einem riesigen Forschungsbaum voller Möglichkeiten! Da gab es neue Räume und Verbesserungen für bereits bestehende oder auch Erhöhung von Lucindas und Anhänger:innen. Ein bisschen habe ich mich wie im Schlaraffenland gefühlt. Dass meine Aufgabe jedoch bald nur noch darin bestünde, in Honey, I Joined a Cult nach genügend Einfluss zu gieren, um das nächste zu erforschen, war mir zu dem Zeitpunkt einfach noch nicht klar.
Ein bisschen fühlt sich Honey, I Joined a Cult dadurch wie ein Handyklickerspiel an. Ich warte nur darauf, dass ich genügend Einfluss habe, um das nächste zu erforschen. Dabei kann ich teilweise einfach nur den PC an lassen und nebenbei etwas anderes machen, sodass ich weiter machen kann, wenn ich genügend Einfluss habe. Besonders in den späteren Runden im Spiel, wenn man pro neue Erweiterung 300 oder mehr Einfluss braucht, zieht sich das manches Mal. Und dabei ist das, was ich da erforsche nicht mal sonderlich individuell. Das kommt nämlich erst später.
Nach ungefähr vier oder fünf Spielstunden war ich soweit, dass ich meinem Kult auch eine Richtung geben konnte. Vorher war das einfach nur irgendeine zwielichtige Organisation, doch dann kannst du aus derzeit drei verschiedenen Wegen wählen. Ich habe mich für die Liebe entschieden, weil, na so halt. Das spannende daran ist, dass diese Entscheidung einen weiteren unabhängigen Forschungsbaum freigeschaltet hat. Hier kann ich spezielle Dinge für meinen Kult erforschen, der ihn dann individueller gestaltet. Am Anfang geht’s meistens erstmal um zusätzliche Klamotten, um die Tracht anzupassen, erst später kommen dann gesonderte Räumlichkeiten hinzu. Aber es bleibt nicht aus: Auch hierfür benötige ich Einfluss und Glaubenspunkte, zusätzlich zu Liebespunkten, die ich in Missionen erhalten kann. Also heißt es wieder: Sammeln, warten, warten, sammeln, forschen und warten. !B
Ich fühle mich eingeschränkt
Wenn ich Honey, I Joined a Cult mit ähnlichen Spielen wie Godhood vergleiche, fehlt mir doch die Individualität. Gerne möchte ich meinen Kult mehr entfalten. Zum Beispiel würde ich mir wünschen, dass man nicht nur auf eine Mission gleichzeitig gehen kann, sondern auf mehrere. Aus irgendeinem Grund ist aber genau dieses Upgrade ganz am Ende des Forschungsbaums, sodass es erst Teil des Endgames ist, zwei Missionen gleichzeitig absolvieren zu können. Erscheint mir schleierhaft, warum das so ist.
Und wenn ich schon mal bei den Missionen bin: Wieso gibt es Missionen, bei denen die Ermittlungen gesenkt werden, ich dann fünf meiner Lucinda hinschicke und am Ende nur rund 50 Punkte gesenkt werden? Gleichzeitig gibt es Missionen, die denselben Zweck haben, wo ich dann jedoch nur eine Person hinschicke und es um 70 Punkte gesenkt wird. Das ergibt irgendwie einfach keinen Sinn und wirkt nicht zusammen passend. Müsste es nicht mehr Punkte geben, wenn ich auch mehr Lucinda hinschicke?
Ebenso verstehe ich nicht, warum ich erst so spät im Spiel die Möglichkeit bekomme, meinen Kult in eine Richtung zu bewegen. Wer schließt sich denn irgendeinem okkulten Wesen an, ohne zu wissen, wofür das steht? Okay, das ist eine rein rhetorische Frage, auf die ich keine Antwort möchte. Dennoch: Wäre es nicht sinnvoller, das relativ am Anfang festzulegen? Oder mir dann noch viel mehr Möglichkeiten zu geben, mich zu entwickeln. Oder ganz verschiedene Wege einzuschlagen. Da sind noch so viele Möglichkeiten, die derzeit einfach nicht genutzt werden. !B
Das Leben im Kult
Honey, I Joined a Cult ist in erster Linie eine Managementsimulation, in der ich einen eigenen Kult habe. In diesem befinden sich auch Menschen, auf die ich aufpassen soll. Für die bin ich verantwortlich und die können auch kaputt gehen. Und das ist dann echt ärgerlich. In erster Linie sind die Lucinda wie ganz normale Menschen. Sie benötigen Nahrung, Schlaf, Hygiene, Spaß und hin und wieder auch eine Toilette. Wann sie das tun, hängt teilweise davon ab, wie ihr Tagesablauf ist. Auf diesen hast du im Übrigen auch Einfluss und kannst bestimmen, wie viel Pause deine Kultist:innen machen oder wie viel sie arbeiten. Auf diese Weise kannst du ihnen auch Nachtschichten eintragen, in denen sie dann illegal Schnaps brennen können oder dergleichen.
Am einfachsten zufrieden zu stellen sind sie am Anfang des Spiels mit einer Dusche, einem Bett und einer Toilette. Sobald du eine Küche hast, solltest du sicherstellen, dass du hier immer genügend Zutaten in der Hinterhand hast, um ihnen auch richtiges Essen machen zu können. Das lässt sich alles recht einfach bewerkstelligen, ich selbst bin jedoch eher am Spaß gescheitert, ich alte Spaßbremse. Trotz dass ich einen gut ausgestatteten Freizeitraum mit vielen verschiedenen Aktivitäten hatte, langweilten sich meine Charaktere häufig. Einige erhielten sogar negative Eigenschaften, weil sie nur dieselben Tätigkeiten machten – warum das negativ ist, ist mir allerdings schleierhaft.
Außerdem gibt es immer mal wieder Phasen, da verletzen sich die Kultist:innen scheinbar grundlos und haben dann für ein paar Stunden ein paar negative Eigenschaften. Manchmal verletzen sie sich auch so schlimm, dass sie lieber ins Krankenhaus gehen. Wie ich das alles verhindern kann, habe ich in all der Zeit nicht herausfinden können. Vermutlich sollte ich einfach nur bei der Wahl meiner Anhänger:innen aufpassen, welche Eigenschaften die mit bringen. Je weniger tollpatschig, desto gesünder.
Je nachdem welche Bedürfniswelt so ein:e Kultist:in mit sich bringt, können sie Level erreichen. Mit jedem Levelaufstieg kannst du dann zwei Punkte verteilen, die die Fähigkeiten beeinflussen. So sind sie ein bisschen besser in den verschiedenen Missionen oder Räumen in deinem Kult einsetzbar und melken die Anhänger:innen noch ein bisschen besser. Und je höher dein PR Wert ist, desto „besser“ sind auch die Leute, die sich dir anschließen. !B
This is Broken
Honey, I Joined a Cult ist größtenteils technisch ganz okay auf dem Windows PC. Ich hatte jedoch einen Moment im Spiel, da konnte es eine Datenbank im Hintergrund nicht abrufen, präsentierte mir eine spannende Fehlermeldung und stürzte anschließend komplett ab. Glücklicherweise hatte ich diesen Fehler später nicht mehr. Dafür stolperte ich jedoch immer wieder über englische Textbausteine, die wohl nicht alle vollständig übersetzt wurden. In den meisten Fällen waren es keine wirklich wichtigen Texte, wo noch deutsche Wörter fehlten, also nur halb so dramatisch.
Der Grafikstil ist passend zum Spiel, relativ schlicht, aber teilweise auch witzig. Am amüsantesten fand ich die Münder bei denen, die sich teilweise verletzt haben und dann ein paar Stunden nichts essen konnten. Das sah durchaus witzig aus, leider konnte ich keinen Screenshot davon machen. Generell mag ich die Vielfalt, wie ich meine Hauptfigur und meine Anhänger:innen gestalten kann. Da lassen sich doch einige nette Kombinationen finden, die gut zu mir passen. Ebenso finde ich die Soundkulisse in Honey, I Joined a Cult sehr gelungen und man spürt förmlich die Glaubensmacht, die bei den Predigten produziert wird.
Von der Einfachheit des Spiels her passt es für mich eher zu einem Clickerhandyspiel, sodass beispielsweise der Grafikstil auch hervorragend passt. Dennoch hätte ich mir bei einigen Mechanismen mehr Tiefe gewünscht und generell mehr getan, als einfach nur darauf zu warten, dass ich wieder das nächste erforschen kann. !B
Fazit: Teilweise fesselndes Kultspiel mit Repetitionsfaktor
Für mich ist es gar nicht so einfach, eine treffende Wertung für Honey, I Joined a Cult zu finden. Auf der einen Seite hat es so viele Aspekte, die mehr Tiefgang brauchen, auf der anderen Seite ist es wie ein fesselndes Clickerspiel auf dem Handy, bei dem man nur darauf wartet, genügend Punkte zu haben, um die nächste Stufe freizuschalten. Hier liegt aber auch die Crux, denn der große Forschungsbaum wirkt nur vielfältig, letzten Endes verbringe ich jedoch nur Zeit damit, Einfluss und Glauben zu sammeln, um forschen zu können. Dabei schalte ich Räume frei, die mir helfen mehr Einfluss zu generieren, um mehr zu forschen. Es ist ein ewig währender Teufelskreis, der sich rund um meinen Kult dreht, wobei ich stetig versuche, meine Anhänger:innen und Kultist:innen zufrieden zu stellen – woran ich regelrecht scheitere, weil mein Kult langweilig ist. Vielleicht wäre hier ein bisschen mehr Individualismus nötig, und zwar nicht nur im Aussehen, sondern auch im Inhalt. Honey, I Joined a Cult wirft mich hin und her zwischen Spaß und Unmut, zwischen dem Verkaufen meiner Seele an meinen Kult und dem Sterben an Langeweile, bis wieder genügend Einfluss Punkte zusammen gekommen sind.
Pro | Contra |
---|---|
+ Große Auswahl an Individualisierungen… | – … die jedoch größtenteils nur visueller Natur sind |
+ Einfacher Grafikstil | – Fehlender Tiefgang im Gameplay |
+ Einfach verständliches Gameplay | – Man wartet nur darauf, genügend Punkte zum Forschen zu haben |
+ Immer noch nur bis zum nächsten Tag spielen, um genug Einfluss zu haben | – Hin und wieder fehlende Übersetzungen |
+ Erstellen des Kults amüsant | – Bedürfnisse nicht immer klar, schnell alles langweilig |
+ Großer Forschungsbaum mit vielen Räumen und Erweiterungen | – Jeder Tag fühlt sich wie im Hamsterrad an |
– Kaum Möglichkeiten, den Kult auch inhaltlich individuell zu gestalten |
Offenlegung
Wir haben einen Review Key zu Honey, I Joined a Cult kostenlos vom Publisher erhalten.