Spiders, ein mittlerweile bereits acht Jahre altes Studio aus Paris, beschert uns ziemlich genau alle zwei Jahre ein großes neues Rollenspiel – Zuletzt waren wir 2014 von Bound by Flame einigermaßen angetan, mit dem man versucht hatte, auch ein kleines bisschen Dark Souls Flair einzufangen (zu unserem Test). Mit The Technomancer schlägt man in eine andere Richtung: Aus Fantasy wird Science-Fiction, das Setting auf dem Mars, auf dem nicht nur das Wasser, sondern auch die Rohstoffe knapp sein sollen, klingt stark nach einem RPG mit Survival-Elementen. Nachdem wir uns mittlerweile viele Stunden über den Roten Planeten gekämpft haben, klären wir im Test, welche Ansprüche Spiders mit diesem Spiel erfüllt.
Mr. Mancer!
Ihr schlüpft in The Technomancer in die Rolle von Zachariah Mancer, der zum Spielbeginn gerade seine Initiation zum Technomancer vollbringt und dann endlich ein Offizier von Überfluss ist, einer der Fraktionen auf dem Roten Planeten. In dieser Hinsicht wirft euch The Technomancer in medias res, also mitten ins Geschehen. Eine echte Vorgeschichte und Hintergrundinformationen fehlen. An dieser Stelle muss man erwähnen, dass The Technomancer das Sequel zu Mars: War Logs ist, einem 20€-Titel, den Spiders vor drei Jahren für PC und die alten Konsolen herausgebracht hat.
Storytechnisch fährt The Technomancer dann ziemlich viel auf, was man von einer dystopischen Geschichte erwartet: Mutanten werden unterdrückt, die Technomancer hüten ein wichtiges Geheimnis, mehrere Fraktionen kämpfen um die Vormacht auf dem Mars, die geheime Stadt Noctis steht für Toleranz und ein besseres Leben, will aber natürlich auch keine Spione in seiner Stadt haben.
Zachariah Mancer ist auf Dauer so etwas wie der Mann ohne Eigenschaften, denn die Entwickler waren sichtlich bemüht, euch in The Technomancer möglichst viele Auswahlmöglichkeiten zu lassen. So dürft ihr nicht nur in den Dialogen Entscheidungen treffen, sondern mehr oder weniger intensiv entscheiden, welchen Fraktionen ihr euch anschließt. Bei jeder Fraktion sammelt ihr Ruf, in dem ihr beispielsweise die Quests zu deren Gunsten oder zu deren Nachteil erledigt. Bei manchen Quests habt ihr Auswahlmöglichkeiten, zum Beispiel wem ihr gestohlene Waffen zur Verfügung stellt, bei anderen Aufgaben hängen die Auswirkungen allein davon ab, ob ihr die Aufgabe erfüllt oder eben nicht. Vor allem zum Spielbeginn verbringt ihr den Großteil der Zeit eher mit den Nebenaufgaben, später legt dann auch die Hauptgeschichte zu.
Spieler, die in The Technomancer die Verheißung einer riesigen, offenen und wilden Spielwelt vernehmen, dürften schnell enttäuscht werden. Die einzelnen Gebiete sind durch Ladebildschirme abgegrenzt, auch schon die verschiedenen Teile der Städte. Die Vielfalt an Schauplätzen hält sich zudem in Grenzen: Das hat nichts damit zu tun, dass auf dem Roten Planeten eben viel ziemlich ähnlich aussieht, aber man latscht oft durch die gleichen Gebiete. Insbesondere an Ophir haben wir uns zum Ende des zweiten Kapitels satt gesehen, da wir uns viel zu oft wieder und wieder durch die gleichen Straßen metzeln mussten, da wir zwischenzeitlich durch Intrigen und Technomancer-Feindlichkeit aus der Stadt vertrieben wurden und nun an jeder Ecke feindliche Offiziere lauern. Auch wenn die Spielzeit von The Technomancer mit gut 30 Stunden deutlich länger ausfällt als die von Bound by Flame, so hat man den Eindruck, dass das eher durch noch mehr repetitive Elemente erreicht wurde.
Regelmäßig werdet ihr für einige Quests auch so lange in Gebiete gesperrt, bis die Aufgabe erledigt ist – Aus dem offenen The Technomancer wird also ganz oft auch ein linearer Titel. Zum Anfang des Spieles wird man teilweise mit zu schwierigen Gegnern Gegnern konfrontiert, was man häufiger nicht vorhersehen kann. Das ist frustrierend, aber zum Glück speichert The Technomancer nicht nur häufig automatisch, sondern ihr könnt auch selbst jederzeit frei speichern. Also tut das oft! Sieht man von den spielerischen Einschränkungen ab, begeistert The Technomancerauf Dauer mit äußerst vielfältigen Quests, die von Ermittlungsaufgaben bis hin zu Schmugglermissionen oder Botaniker-Aufgaben reichen. Für die meisten Quests gilt zwar, dass sie sich in Minutenschnelle erledigen lassen, aber in diesem Bereich haben die Entwickler eine gute Arbeit geleistet. Im Journal fehlen aber Hintergrundinformationen über die Aufgaben, sodass deren Erfüllung eher einem Abarbeiten der Markierungen auf der Karte gleicht.
Wichtig sind auch eure Begleiter, die euch im Kampf zumeist sinnvoll und unverzichtbar zur Seite stehen. Während euch zunächst nur zwei Begleiter zur Verfügung stehen, steht euch dann bald ein großes Team an NPCs zur Verfügung, von denen ihr zwei als Begleiter wählen dürft. Sie verfügen über die gleichen Waffen und mögliche Kampfstile wie ihr selbst, haben aber teilweise besondere Fertigkeiten (wie z.B. Heilung) und liefern euch bestimmte Boni, die im Spielverlauf wichtig sein können. Da man häufig schwer einschätzen kann, welchen Bonus man brauchen könnte, wenn es nicht gerade zum Beispiel um höheren Schaden einer bestimmten Waffe, sondern um bessere Geschicke beim Schlösserknacken oder beim Herstellen geht, ist die Auswahl der Begleiter häufig eine Sache persönlicher Präferenz, teilweise wird einem aber auch ein Begleiter vorgeschrieben, nämlich dann, wenn man deren persönliche Aufgaben erfüllt. Ach ja, natürlich könnt ihr auch Liebesbeziehungen mit dreien von ihnen eingehen.
Entscheidungen, Konsequenzen, komplizierte Spielmenüs
Schön ist, dass man im Spielverlauf tatsächlich immer wieder mit den Konsequenzen der eigenen Handlungen konfrontiert wird – Lässt man zum Spielbeginn einen bestimmten NPC verhaften, wird man ihn später in einem Gefängnis wiedertreffen und einen kleinen Bonus erhalten. So gibt es viele Stellen im Spiel, auch wenn man insgesamt nicht unbedingt den Eindruck erhält, wirklich viel Auswahl zu haben. Auch die Arbeit für oder gegen Fraktionen entscheidet im Endeffekt nur darüber, wen ihr später als Verbündeten für einen größeren Plan wählen könnt. Unterm Strich ist aber natürlich alles recht streng gescriptet und vorgeschrieben – Teilweise auch eher schlecht als recht, denn beispielsweise werden Zwischensequenzen durch bestimmte Trigger in der Hauptgeschichte ausgelöst und das Gesagte widerspricht möglicherweise dem, was wir in Nebenquests quasi „zu früh“ erledigt haben, wodurch wir das Storygerüst der Entwickler durcheinandergebracht haben.
Noch schneller erledigt sich die Illusion echter Freiheit bzw. bedeutender Folgen bei der Charakterentwicklung. Zach stehen in The Technomancer drei verschiedene Kampfstile und seine vernichtenden Technomancer-Fertigkeiten, die alle etwas mit Elektrizität zu tun haben, zur Verfügung. So könnt ihr euch entscheiden, ob ihr mit einem Stab, Dolch und Pistole oder mit Streitkolben und Schild kämpfen wollt. Stäbe sind ganz brauchbar bei mehreren Gegnern, der Kampfstil mit Dolch und Pistole ist am flexibelsten und war daher unser Lieblingskampfstil, während sich Streitkolben und Schild äußerst sperrig und träge spielen und bei uns vor allem für Frust sorgen. Mit Dolch und Pistole zeigte sich The Technomancer für uns von der spaßigen Seite, denn die Kämpfe sind schnell uns anspruchsvoll, da die Gegner mit jedem Treffer ordentlich austeilen. Da ist es gut, dass wir vor allem später im Spiel immer Unmengen an Gesundheitsinjektionen dabei haben, die Gesundheit wiederherstellen. Außerhalb der Kämpfe regeneriert sie sich selbstständig.
Mit Level-Ups sammelt ihr verschiedene Punkte: So könnt ihr Fertigkeiten von Zach auf vier Skilltrees (einer für die Technomancer-Fertigkeiten, drei für die Kampfstile) ausbauen, zudem die Charaktereigenschaften wie Stärke und Gewandtheit anpassen oder Talente wie Erkundung oder Charisma anpassen. Was so auf dem Papier nach vielen Möglichkeiten klingt und in immerhin drei Menüs auch so aussieht, entpuppt sich auf Dauer eher als maximal nette Spielerei. Bei Zachs Fertigkeiten sind auf Dauer eigentlich nur die passiven so richtig nützlich, da sie Schaden erhöhen oder Ähnliches, die aktiven verstauben im „aktiven Pausenmenü“, welches wir kaum zum Einsatz gebracht haben. Aktiven Zugriff hat man immer nur auf maximal vier Skills oder Items, was den praktischen Nutzen im Kampf sehr einschränkt.
Bei den Charaktereigenschaften setzt man alle Punkte einfach auf den jeweils passenden Kampfstil, bei den Talenten wiederum ist es schwer einzuschätzen, welche man wirklich „braucht“, wobei von „brauchen“ eigentlich keine Rede sein kann. The Technomancer kann man auch durchspielen, ohne hier jemals einen Punkt zu vergeben und man verpasst nichts Wesentliches. Ein hoher Wert bei Charisma, den man wie erwähnt auch durch den richtigen Begleiter steigern kann, sorgt eventuell dafür, dass sich eine Quest ganz unkompliziert lösen lässt, in dem man seine Silberzunge einfach beim NPC spielen lässt – Es gibt aber auch immer Alternativen, auch wenn diese vielleicht Kampf bedeutet. Beispielsweise beim Talent Schlösserknacken ist es aber so, dass in den verschlossenen Kisten nur mehr von denselben Rohstoffen lagern, die ihr ohnehin schon mit euch herumschleppt und die sich zahlreiche auch in den offenen Kisten befinden – Auch Geheimnisse oder besondere Ausrüstung kann man mit den Schlossknacker-Fertigkeiten so gut wie nicht finden.
Wassermangel? Rohstoffüberfluss!
Schade ist, dass in The Technomancer der vom Setting her angesprochene Wassermangel so gut wie eine Rolle spielt. Der Held oder die Gruppe des Helden benötigt nie Wasser, das Thema an sich wird teilweise nur in Nebenquests behandelt. Überhaupt lässt man interessante Potentiale der Spielwelt ungenutzt bzw. widerspricht sich in deren Nutzung. So müssen wir in einer Storymission einmal unter leichtem Zeitdruck aus einem Gebiet fliehen, weil uns ab Tagesanbruch die Sonne verbrennen würde. Später können wir in dieses Gebiet aber zu jeder Tageszeit zurückkehren, ohne dass uns etwas passiert. Ärgerlich!
Wie schon erwähnt kann aber auch von Ressourcenknappheit keine Rede sein. Wir finden im Spielverlauf so viel Crafting-Material, mit dem wir an Werkbänken mit den richtigen Plänen Upgrades für die Ausrüstung herstellen, dass beinahe unser Inventar überquillt. Die Vielfalt an Ausrüstung ist indes gering, sodass wir bald das meiste Gesammelte beim Händler verkaufen. Durch all das fallen letztlich auch die Erkundungsanreize in der ohnehin schon eher überschaubaren Spielwelt noch geringer aus als sie sollten, denn mehr als wieder und wieder unnütze Ressourcen findet man nicht.
Auch wenn The Technomancer somit in vielerlei Hinsicht ernüchtert, so hat uns trotzdem nicht nur das Kampfsystem Spaß gemacht. Dass wir den Gefährten jeweils passende Ausrüstung verpassen und diese auch mit Upgrades versehen können, schafft Anspruch auf anderen Ebenen, denn die Auswirkungen der Upgrades sind deutlich spürbar. Logistisch ist das aber eher kompliziert, da die Bedienung der vielschichtigen Menüs wie schon bei der Verwaltung des eigenen Charakters eher schwerfällt.
Überraschend solide Technik
Als wir in den ersten Spielminuten bereits hoffnungslos in einer Gruppe von NPCs verhakten, schwante uns ja Böses bezüglich der Technik von The Technomancer. Umso überraschter waren wir, dass der Titel auf Dauer auf Xbox One eine doch recht solide Figur macht. Vor allem optisch hat The Technomancer stellenweise Einiges zu bieten. Grafisch wirkt der Titel nur selten angestaubt, überzeugt aber mit guten Lichteffekten sowie tollem Monsterdesign. Unverständlicherweise können da die sonstigen Spielfiguren nicht mithalten.
Vom technischen Grundgerüst und den doch recht häufigen Ladepausen her ist The Technomancer technisch sicherlich kein Meisterstück – Dafür bleibt die Framerate aber meistens stabil und auch sonst gibt es kaum technische Fehler. Nur stellenweise kommt es im Kampf zu krassen Problemen bei der Abfolge von Aktionen und der Kollisionsabfrage, was zu spastischem Zucken der beteiligten Figuren führt. Zum Glück tritt der Fehler nur selten auf.
Die große Stärke von The Technomancer ist letztlich die Atmosphäre, die über die Schwächen und auch den statischen Charakter der Spielwelt hinwegtrösten kann. Gut besuchte Städte wie Ophir oder Noctis hätte man sicher noch aufwändiger inszenieren können, aber die Kombination aus gelungener Optik und einer guten, wenn auch eher beiläufigen Musikuntermalung können uns dann doch sehr gut in die Spielwelt einspannen. Nett im Hinblick auf die Spielwelt ist auch, dass Zeitkomponenten bei Quests teilweise eine Rolle spielen, sodass man Entwicklungen abwarten oder jemanden zu einer bestimmten Zeit treffen muss. Reist man jedoch mit dem Rover umher zu anderen Schauplätzen, vergeht erstaunlicherweise keine Zeit in der Spielwelt – Hoppla!
Fazit: Solides Rollenspiel mit großen Ambitionen
Im Gesamtbild präsentiert sich The Technomancer so ähnlich wie Bound by Flame, der letzte große Titel aus dem Hause Spiders. So hatten die Entwickler erneut große Ambitionen und interessante Ideen, gleichzeitig wohl aber das Bestreben, sehr deutlich mit den ganz großen Rollenspielen mitzuhalten, was alleine durch das verfügbare Budget schwierig wurde. Die größten Stärken des Titels liegen in den abwechslungsreichen Quests, der guten Atmosphäre und dem zumindest als Gauner (also mit Dolch und Pistole bewaffnet!) spaßigen Kampfsystem.
Auch wenn das Gesamtergebnis somit spaßig ist, schaffen es ansonsten nur wenige Spielelemente, aus dem Durchschnitt herauszustechen. Dafür fehlt es der Spielwelt an Leben und Offenheit, einige Dinge sind zu streng gescriptet, die Charakterentwicklung ist de facto bei Weitem nicht so nützlich oder vielfältig, wie sie wirkt, ebenso wie die Vielfalt an Ausrüstung, und leider hat man es auch beim Setting nicht geschafft, ohne Logiklücken auszukommen. Vielleicht wäre bei The Technomancer weniger doch mehr gewesen. Wir hatten unterm Strich auch mit diesem Spiders-RPG wieder Spaß, aber sich gegenüber des letzten Titels besonders weiterzuentwickeln, hat Spiders leider nicht geschafft. Erneut freuen wir uns auf den nächsten Titel und hoffen, dass die Potentiale dann mehr genutzt werden.
Pro | Contra | ||
+ Gute Atmosphäre | – Logiklücken im Setting | ||
+ Gutes Begleiter-Prinzip, KI der Begleiter | – Zu viele Ressourcen in der Spielwelt | ||
+ Umfassende Charakterentwicklung… | – … mit wenig echtem Nutzen | ||
+ Hohe Questvielfalt | – Zu wenig Nutzen aktiver Kampfertigkeiten | ||
+ Ruf-/Fraktionensystem überzeugt | – Eher wenig Ausrüstungsvielfalt | ||
+ Spaßiges Kampfsystem mit mehreren Stilen | – Erkundungsanreize in der Spielwelt fehlen | ||
+ Gelungene Optik | – Kleinere technische Probleme | ||
+ Musikuntermalung atmosphärisch |
Technik: 77
- Grafik: 77
- Sound: 78
- Umfang: 85
- Gameplay: 66
- KI: 79
Spielspaß: 77
Einzelspieler
- Story: Eine umfassende dystopische Geschichte, die teilweise etwas verwirrend ist, aber mit vielen Aspekten aufwartet.
- Wiederspielwert: Durch drei Kampfstile und vier Schwierigkeitsgrade recht hoch.
- Frustfaktor: Ab und zu recht groß, vor allem zum Spielbeginn. Nimmt später ab.
- Design/Stil: Insgesamt gelungen und stimmig. Vor allem die Atmosphäre passt.
- Musik/Sound: Die Musikuntermalung ist insgesamt gelungen und unterstreicht die Atmosphäre. Die Effekte gehen ebenso in Ordnung.
Wir bedanken uns bei Koch Media für das Pressemuster zu The Technomancer!
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