Ich finde The Good Life schon seit der Ankündigung ein wenig seltsam: Der Stil konnte bei mir nicht dafür sorgen, dass der Funke überspringt. Nun ist der Titel mit der seltsamen Stadt mitten im guten alten, englischen Rainy Woods auch im Game Pass, sodass ich ihn mir genauer ansehen kann. Ich bin gespannt, ob mich die englische Gastfreundschaft begeistern wird, oder ob ich mich nicht hinreißen lassen kann. Ich habe mir die Xbox One Version von The Good Life auf der Xbox One X angesehen.
Der glücklichste Ort der Welt
Rainy Woods, das englische Dorf in The Good Life stapelt mit seinen Aussagen sehr hoch: Es ist angeblich der glücklichste Ort der Welt. Davon können sich Naomi und ich uns nur bedingt überzeugen lassen, denn schon unsere Ankunft im Dorf ist seltsam: Immerhin spricht der Taxifahrer ein bisschen Dialekt und macht mir einen Vorgeschmack auf tolle britische Gastfreundschaft. Leider ist er der einzige, der einen Dialekt hat und somit ist er auch der einzige, der mich bei Rainy Woods wirklich an ein kleines englisches Dorf denken lässt.
Begrüßt werden Naomi, die übrigens aus dem Big Apple kommt, um ihre Schulden in Höhe von 30.000 GPB zu begleichen und ein paar Fotos zu schießen, von Elizabeth, die plötzlich irgendwo auftaucht. Sie ist die Schwester eines Autors vor Ort und hat gleich mal dafür gesorgt, dass ich ein eigenes Häuschen mitsamt Grundstück und Garten habe, in dem ich meine eigens gefunden Samen anpflanzen kann. Im Gegensatz zu meinem Fahrer spricht Elizabeth leider relativ reines Englisch ohne Dialekt, schade. Generell ist sie ein bisschen seltsam und taucht immer dann auf, wenn ich es nicht erwarte.
Meine ersten Minuten in The Good Life sind von gemischten Gefühlen überschattet. Ich liebe England und die kleinen englischen Städte, das ist kein Geheimnis. Ich finde es auch großartig, dass es einen Pub gibt, ein uriges Hotel und so ein paar kleine Lädchen, doch ich finde den grafischen Stils des Spiels kein Stück wunderschön, urig oder romantisch. Eher erinnert mich vieles in The Good Life an einen Baukasten, mit dem man gerade mal eine Welt zusammengebaut hat. Die Wege sind gründlich zum Gras abgeschnitten, dennoch gibt es kreative Grashalme, die manchmal unpassend im Straßenrand stecken. Die Charaktermodelle zittern regelrecht, wenn sie sprechen und ihre Haare clippen sich durch ihre Schultern. Ich fürchte, die Charaktere leiden große Schmerzen. Auch die verwendeten Modelle für die Tiere und die anderen Pflanzen sind eher ungünstig: Bäume und Sträucher sehen sehr ausgeschnitten und platt gedrückt aus, während Tiere regelmäßig am Horizont aufploppen.
Aber gut, ich spiele viele kleine Spiele, vielleicht entpuppt sich wenigstens das Gameplay oder die Geschichte als gelungen. !B
Katzen, Hunde und Morde
Als ich mein Haus erkundet habe und herausgefunden habe, dass ich einen Computer habe, mit dem ich selbst geschossene Fotos ins Internet schicken kann, um Geld zu verdienen – immerhin hab ich ja ziemlich viele Schulden – erklärt mir Elizabeth, ich soll das Haus heute Mitternacht nicht verlassen. Ich glaube, niemand würde warten und auch das Spiel zwingt mich mit einer sekundenlangen Einblendung der aktuellen Hauptquest dazu, heute Nacht das Haus zu verlassen. Ich möchte jetzt nicht zu viel verraten, aber ich habe nach einigen Spielstunden die Möglichkeit, mich sowohl in eine Katze als auch in einen Hund zu verwandeln, um auf diese Weise noch ein paar andere Fähigkeiten zu erhalten und die nicht sonderlich hübsche englische Stadt aus anderen Blickwinkeln zu erkunden.
The Good Life punktet mit einem friedlich wirkenden Dorf, das voller Geheimnisse ist, und diese sind nicht nur sanfter Natur. Während das Mysterium rund um die Tiere, in die ich mich verwandeln kann, meine Gedankenwelt beschäftigt, kommt das Spiel schon mit der nächsten schrägen Geschichte um die Ecke – und plötzlich bin ich mitten in einer Mordermittlung und auch noch diejenige, die am wahrscheinlichsten scheint, diesen Mord ausgeübt zu haben. Well. Ich gebe mir normalerweise sehr viel Mühe, keine Menschen zu töten. So auch in The Good Life.
Dennoch punktet das Spiel noch mit ein bisschen mehr: Ich mag die Kameramechaniken. Je besser meine Kamera ist, desto besser sind auch die Bilder, die ich schieße – und das bedeutet wiederum, dass ich noch mehr Geld dafür bekomme. Ich bin mir jedoch ehrlich gesagt nicht ganz sicher, warum der Tierkniff eingefügt wurde, auch wenn der Erzähler, der die Kapitel einleitet, jedes Mal erzählt, welch historischen Tiere in der britischen Kultur irgendwas bewirkt haben. Einen wirklichen Vorteil habe ich darin noch nicht gefunden.
Zusätzlich kann ich noch verschiedene Dinge finden, wie beispielsweise Samen oder Käfer. Die Samen kann ich in meinem eigenen Garten anpflanzen, sodass ich mir auch was zu essen zubereiten kann. Naomi hat, wie ich im richtigen Leben auch, immer mal wieder Hunger und braucht was zu essen. Sonst klappt sie zusammen, deswegen ist es gar nicht verkehrt, entweder selbst etwas zu kochen oder im Restaurant im Dorf ein paar köstliche Gerichte zu kochen. Fun Fact: Je mehr Gerichte ich esse, desto mehr Gerichte kann ich am Ende auch zubereiten. Ebenso kann ich mit den gefundenen Dingen Kleidung oder Möbel kaufen, um mich ein bisschen heimischer zu fühlen.
Doch die Geschichte an sich ist für mich irgendwie zu albern. Ich blicke an vielen Stellen nicht mehr durch, warum ich irgendwas tun muss und insgesamt passen viele Dinge für mich auch nicht so ganz zusammen. Aber gut, es mag Menschen geben, die finden diese Geschichte nicht albern, sondern amüsant. Hier bin ich froh, dass jeder seine eigene Meinung haben darf. !B
What a goddamn hellhole!
Naomi ist teilweise ebenso unglücklich in The Good Life wie ich auch, doch immerhin hängt ihr digitales Leben daran. Sie wird nicht müde, zu sagen, in was für einem verdammten Höllenloch sie gelandet ist und das merkt man ihr an. Dafür punktet Sie mit einer sehr guten Synchronsprecherin, die in den richtigen Momenten genau die richtige Betonung findet. Schade nur, dass nicht alle Szenen vertont sind, sondern nur „die wichtigen“.
Auch die anderen Voice Actors sind gut gewählt und in Ordnung. Auch hier finde ich es noch immer schade, dass nur mein Fahrer am Anfang des Spiels einen Dialekt aufweist und alle anderen einfach nur relatives Standardenglisch sprechen. Gerade in diesem kleinen englischen Dorf müssten doch viel mehr Dialekte zu hören sein.
Ich hätte mir gewünscht, dass The Good Life ein bisschen besser aussieht und mich nicht unbedingt an ein nicht gut gepolishtes Erstlingswerk erinnert. Auch fehlt mir teilweise das Leben in Rainy Woods: Immer mal wieder trifft man andere Leute oder Tiere, doch selten viele und außerhalb des Dorfes treffen Naomi und ich gleich nur auf super wenige Leute. Das ist vielleicht realistisch, aber schade für ein Videospiel. Auf diese Weise sieht die Welt nicht nur wie aus einem Baukasten aus, sondern fühlt sich auch noch tatsächlich so an. Ein paar mehr Lebewesen hätten The Good Life und Rainy Woods definitiv nicht geschadet.
Auch hätte ich mir stabilere Bildraten gewünscht, denn besonders dann, wenn es regnet, bricht die Framerate ein, sodass ich auf der Xbox One X fast ein kleines bisschen Daumenkino habe. Zusätzlich stören mich die Uhrzeiten: In The Good Life gibt es einen Tagesrhythmus. Das bedeutet, Läden haben geschlossen und Menschen verschwinden irgendwohin. Allerdings bringt es mir wenig zu schlafen, denn bei mir zumindest schläft Naomi nicht 9 Stunden, wenn ich das auswähle, sondern weniger, wodurch ich oft nicht weiß, was ich nachts mit meiner Zeit machen soll. Teilweise ist auch die Steuerung manchmal sehr gewöhnungsbedürftig. !B
Fazit: This Hellhole isn’t happy
Willkommen in Rainy Woods, dem glücklichsten Ort der Welt mit all seinen schrecklichen, albernen und kreativen Geschichten und Persönlichkeiten. Du spielst dabei Naomi, die aus New York nach Rainy Woods kommt und eine Welt aus einem Baukasten mit wenig Leben erkundet und mit ihrer Kamera in ein Mysterium nach dem anderen gezogen wird. Katzen- und Hundeverwandlungen inklusive. The Good Life ist eine Life Sim, die mit einer Geschichte spielt, die ich nur als albern einstufen kann, doch dir gefällt sie vielleicht. So glücklich wie Rainy Woods zu Beginn wirkt, ist es jedoch nicht. Das Dorf selbst wirkt wie aus einem zusammengestückelten Videospielbaukasten voll mit grafischen Fehlern, einbrechenden Framerates und aufploppenden Elementen. Wenn du dich davon nicht stören lässt, ist The Good Life eine spannende Erfahrung mit einer wirklich schrägen Geschichte, die ausgesuchtes Publikum sicherlich mögen wird.
Pro | Contra |
---|---|
+ Englisches Dorf! | – Einbrüche der Bildrate |
+ Fotografie ist gut umgesetzt und wird bezahlt | – Aufploppende Tiere und andere Elemente, zitternde Charaktermodelle |
+ Gutes Voice Acting | – Steuerung teilweise bockig und gewöhnungsbedürftig |
+ Recht große Spielwelt zum Erkunden | – Sehr alberne Geschichte |
+ Jede Menge mysteriöse Mysterien | – Fehlende Dialekte vermitteln mir nicht das Gefühl eines englischen Dorfes |
– Welt wirkt wie aus Baukasten | |
– Welt teilweise sehr leblos |
Technik: 66
Grafik: 50
Sound: 71
Umfang: 80
Gameplay: 69
KI: 60
Spielspaß: 60
- Story: Als Naomi besuchst du das englische Dorf Rainy Woods und löst verschiedene Mysterien, unter anderem einen Mord.
- Frustfaktor: Die Steuerung ist manchmal bockig.
- Design/Stil: Ich mag den grafischen Stil nicht, für mich wirkt alles wie leblos aus dem Baukasten aufgestellt.
- Musik und Sound: Das Voice Acting ist ziemlich gut, auch wenn mir teilweise einfach die Dialekte fehlen, um das Gefühl eines englischen Dorfs lebendig zu machen.
- Preis-Leistungs-Verhältnis: 33,99 € finde ich für The Good Life ein bisschen zu hoch angesetzt, obwohl du so im Schnitt etwa 10 Spielstunden bekommst. Dennoch hätten es 25 € hier auch getan.
Offenlegung
The Good Life ist Teil des Game Pass, weswegen ich es auf der Xbox One X spielen konnte.
The Good Life ist für die Xbox One, die PlayStation 4, die Nintendo Switch und den PC erschienen.