Zwei Publisher- und einen Entwicklerwechsel später ist es nun endlich verfügbar: Homefront: The Revolution, dessen Entwicklung als Auftragsarbeit des insolventen und geschlossenen Publishers THQ beim britischen Ableger von Crytek begann. Mittlerweile liegt die Lizenz an der Reihe bei Koch Media, die Entwicklung übernahm das Deep Silver Dambuster Studio, unter dessen Dach immerhin auch einige ehemalige Crytek UK Entwickler an dem Titel werkelten. In den Wochen und Monaten vor dem Launch war es erstaunlich ruhig um den Titel – Kann sich die Revolution in Philadelphia nun mit voller Kraft entfalten? Unser Test zur Xbox One Fassung verrät’s.
Brady, steh uns bei!
Ihr schlüpft in Homefront: The Revolution in die Rolle des Rebellen-Anhängers Ethan Brady – Gemeinsam mit den unzähligen anderen Rebellen liegt es an euch, das von der KVA besetzte Philadelphia zu befreien. In seiner Struktur und vom insgesamten Spielablauf erinnert Homefront: The Revolution stark an andere Open-World-Titel wie Assassin’s Creed: Die Stadt ist in Zonen eingeteilt, und jede Zone in einzelne Bezirke. Mit der Übernahme von Stützpunkten oder dem Manipulieren von KVA-Einrichtungen gewinnt ihr nach und nach immer mehr Platz für die Revolution. Schließlich seid ihr so weit, dass ihr die ganze Zone übernehmen könnt.
Die Zonen werden wiederum mit dem Ablauf der Hauptstory freigeschaltet – Die Hauptaufträge sind somit der Motor der Handlung, aber ihr könnt eure Prioritäten setzen, wie ihr wollt. Die Erzählung geht auch so durch kleinere Aktionen immer wieder voran, beziehungsweise werdet ihr über Funk schon beinahe pausenlos von irgendwem angequatscht. Durch viele manipulierbare Objekte und viele einnehmbare Stützpunkte entsteht aber der Eindruck, dass quasi jede Aktion zählt. Das macht Homefront: The Revolution ziemlich gut: Es entsteht wirklich der Eindruck, Teil der Revolution zu sein.
In den roten Zonen darf man sich auch KI-Kollegen mit auf die Reise nehmen, und so entsteht auch ein Gemeinschaftsgefühl. Gleichwohl kommt schnell inhaltlich und spielerisch der Realismus abhanden: KVA-Stützpunkte sind meistens ruckzuck überrannt, die gegnerische Fraktion, die die ganze Stadt unterdrückt, hat in großen Teilen des Spieles weder aktiv noch passiv etwas entgegenzusetzen. Das liegt nicht nur an den spielerischen Problemen oder der KI, dazu gleich mehr, sondern auch einfach daran, dass die KI nichts gegen die kilometerweit erkennbaren Rebellenstützpunkte unternimmt und auch bei Patrouillen seelenruhig daran vorbeimarschiert. De facto lebt es sich als Rebell in Philadelphia wirklich sicher, wenn ihr nicht gerade in das (sehr eingeschränkte) Sichtfeld von KVA-Soldaten, Kameras oder Drohnen läuft. Wirkt diese Sicherheit in einem Assassin’s Creed Ableger irgendwo schon merkwürdig, ist sie in einem angeblich von der Revolution gebeutelten Philadelphia beinahe absurd. Immerhin gibt es die sogenannten „Unruheherde“, dynamische Ereignisse und Missionen, in denen teilweise auch KVA und Rebellen aufeinandertreffen.
Gute Ideen gegen stümperhafte Umsetzung
Prinzipiell ergibt sich in Homefront: The Revolution rein inhaltlich (technisch keineswegs) ein schöner Spielfluss – Es gibt immer was zu tun, vieles ist schnell erledigt, schnell kann man sich auch Belohnungen sichern. Das Befreien Philadelphias macht an vielen Stellen wirklich viel Spaß, auch wenn beispielsweise die Gelben und Grünen Zonen mit ihrem vorgegaukelten Stealth-Ansatz vor allem am Anfang nerven. Erstaunlicherweise „schleicht“ es sich mit rennen viel besser als mit echtem schleichen, da sich der unterirdischen Gegneraufmerksamkeit und ihren knappen Sichtfeldern zu entziehen dann sehr leicht fällt. Doch in den Gelben Zonen darf man auch keine KI-Begleiter mitnehmen. Auch wenn diese allzu häufig an Objekten hängen bleiben oder sich blindlings in die Gegnertruppen werfen: Alleine macht der Kampf gegen KVA-Übermächte dann teilweise doch wenig Spaß, zumal sowohl Gegner als auch Freunde teilweise einfach unvermittelt auf der Karte auftauchen oder verschwinden. Die sinnvollste Lösung bei Schusswechseln ist somit wieder: Das Rennen.
Ego-Shooter sollten sich schnell und geschmeidig anfühlen. Man sollte das Gefühl bekommen, hier eine „echte“ Figur zu steuern, die vor allem präzise auf Tasteneingaben reagiert. Wie das funktioniert, machen seit Jahren viele gelungene Shooter vor, heißen sie da Destiny oder auch Overwatch. Homefront: The Revolution kann weder Geschmeidigkeit, noch Präzision aufweisen: Das Zielen fühlt sich größtenteils hakelig an, auch, da die Framerate schon bei halbwegs explosiven Auseinandersetzungen merklich in die Knie geht. Allzu oft verhakt man sich zudem selbst in Objekten oder in von der KI blockierten Türen. Das Springen und Klettern funktioniert immer mal so, wie es Homefront: The Revolution gerade passt – Manchmal fehlen zugehörige Animationen völlig.
In Homefront: The Revolution fühlt man sich oft so, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen. Nicht nur, weil einerseits viele Gegner wenig auszurichten haben, sondern andererseits auch, weil das Zielen und Treffen so dermaßen unpräzise ist. Nur wenn es dann klappt, dann haut man auch rein. Diese Tatsache ist so unheimlich schade, denn vor allem das Waffensystem mit Upgrades und Modifizierungen kann in Homefront: The Revolution wirklich überzeugen: Aus der Armbrust wird mittels Modifizierungen im Nu ein Flammenwerfer, aus der Pistole eine MP – Modifizierungen können im Kampf jederzeit angebracht oder entfernt werden, weitere kauft man in Unterschlüpfen für verdientes Geld oder mit speziellen Marken. Auch die Zusatzausrüstung wie Molotow-Cocktails, werfbare Sprengstoffe, Ablenkungen wie Feuerwerke und sogar fernsteuerbare Autos mit Sprengstoff dran wissen zu gefallen, sind aber von der Anwendung her ähnlich fehlerbehaftet wie alles andere in Homefront: The Revolution, wenngleich viele Gegnertruppen hier noch weniger entgegenzusetzen haben.
Mit Smartphone im Technikalptraum
Die Revolution in Philadelphia funktioniert freilich nicht ohne Smartphone – Ein solches führt ihr dauerhaft mit euch. Hier bekommt ihr nicht nur Nachrichten von euren Kollegen und Anführern, sondern insbesondere für die an Schwarzen Brettern ausgeschriebenen Nebenmissionen, die sogenannten Jobs, kommt das Smartphone auch immer mal wieder zum Einsatz, zum Beispiel weil ihr Fotos von KVA-Einrichtungen oder –Ausrüstungen schießen sollt oder Einrichtungen hacken müsst, wofür das Smartphone ebenso dient.
Die inhaltliche Moderne und Aktualität (auch der zugrundeliegenden Story, wie es überhaupt zur Besetzung Amerikas und Philadelphias kam, keine uninteressante Geschichte, wobei die Handlung im Spiel mit der Zeit ziemlich belanglos wird) steht dem Technik-Alptraum gegenüber, den Homefront: The Revolution auf der Xbox One darstellt. Den wichtigsten Aspekt davon haben wir schon genannt: Die dauerhaft nicht besonders stabile Framerate macht dem ohnehin schon nicht gelungenen Kampfsystem komplett den Garaus.
Die Kulissen in Homefront: The Revolution sind zum größten Teil relativ hübsch und auch atmosphärisch, die Texturen sind aber allzu oft auf dem Niveau der letzten Konsolengeneration hängengeblieben. Umso ärgerlicher, dass sie nach den viel zu langen Ladezeiten immer noch nachladen müssen. Insbesondere beim Spieleinstieg aus dem Hauptmenü heraus könnt ihr euch bis zum Spielstart, abhängig vom Spielgebiet, in dem ihr euch gerade aufhaltet, ohne Probleme einen Kaffee kochen und Chips holen gehen… Auch beim Speichern müsst ihr teilweise sekundenlang auf ein Standbild starren. Und Homefront: The Revolution speichert oft…
Im Bereich der Soundkulisse erinnern die Synchronsprecher und teilweise die Musik an das, was Homefront: The Revolution wohl mal werden sollte: Ein episch inszenierter und cineastischer Egoshooter rund um eine amerikanische Revolution. Da hört man einige bekannte Stimmen und die Musik schafft es in einigen Augenblicken, ein echtes Gefühl von Epicness zu vermitteln. Auf Dauer fällt jedoch neben der durchschnittlichen Abmischung nicht nur die Monotonie der Soundkulisse auf, sondern die Hintergrundgeräusche einiger Abschnitte der Spielwelt erweist sich als schlichtweg peinlich: In leeren Straßen ist lautes Gerede oder Geschrei vieler Leute zu hören, Effekte werden eingespielt, die beim besten Willen nicht zu den Ereignissen auf dem Bildschirm passen wollen. Vor dem Spielstart hört ihr übrigens auch das vertraute „Achieved with CryEngine“… Vermutlich ist es wirklich eine Leistung, so etwas mit der CryEngine zu kreieren…
Die Auswirkungen der Technik-Katastrophe merkt man schlussendlich auch spielerisch. Dass die KI hängt, verschwindet, „Granate!“ schreit, wo gar keine ist, haben wir schon zu erklären versucht. Doch auch im Alleingang werden wir viel zu häufig von Homefront: The Revolution geärgert. Konkretes Beispiel: Mit dem Motorrad in Philadelphia unterwegs. Wir steigen ab. Unerklärlicherweise springt unsere Figur dabei in die Luft. Wir landen auf dem Boden und sind tot. Respawn. Inventar leer, Geld weg, zudem den Speicherpunkt vergeigt und uns sonstwo in der Spielwelt rausgesetzt. Das ist ein generelles Problem: Nach einem Ableben landet ihr meist am letzten Speicherpunkt der Hauptmission, auch, wenn ihr euch in einem völlig anderen Gebiet aufhaltet.
Lichtblick Multiplayer?
Neben der Einzelspielerkampagne bietet Homefront: The Revolution auch noch den sogenannten Wiederstandsmodus – Eine Auswahl von sechs Online-Koop-Missionen, die mit einem interessanten Ansatz daherkommen. Zunächst überrascht schon die Charaktererstellung, wobei die Figuren mit interessanten Parametern erstellt werden: Bessere Wurffertigkeiten, mehr Energie bei der Wiederbelebung oder eine höhere Reichweite für ferngesteuerte Objekte. Ein cooler Ansatz und vor allem einer, der auch gut zum Setting und dem Spielsystem passt.
In den Koop-Missionen ist darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den Mitspielern unerlässlich, denn die Missionen haben es ganz schön in sich. Gleichwohl erschöpft sich die Vielfalt bei einer Anzahl von nur sechs Aufträgen natürlich schnell. Davon abgesehen kann man der Technikfalle auch in diesem Modus nicht entrinnen – Während das Zusammenspiel Spaß macht, sorgen die technischen Pannen für Unmut. Unterm Strich ist somit der Einzelspielermodus vielleicht die bessere Wahl, weil man wenigstens keine Mitspieler zur Verzweiflung bringt, wenn man Homefront: The Revolution einfach schließt…
Fazit: Die Revolution steht und fällt…
… mit euch. Seid ihr bereit, euch auf Homefront: The Revolution einzulassen? Auch wenn sich die Mapstruktur und die Aufgaben für Spieler anderer Open-World-Spiele arg vertraut anfühlt und bestimmte Dinge mitunter ein wenig repetitiv sind, stecken in Homefront: The Revolution viele gute Ideen, die es eigentlich wert sind, ausprobiert zu werden. Alleine das vielfältige Waffenmodifizierungssystem und die coole nach einer Weile kaufbare Ausrüstung macht Lust auf mehr. Auch das Setting ist prinzipiell stimmig und wenngleich das viel zu sichere Leben als Rebell inhaltlich absurd ist, kann Homefront: The Revolution sogar im Einzelspielermodus ein echtes Gemeinschaftsgefühl erzeugen.
Leider hapert es technisch an allen Ecken und Enden, und zwar letztlich so stark, dass beinahe all den guten Ansätzen das Leben extrem schwer gemacht wird: Die Framerate ist instabil, das ohnehin unpräzise Zielen wird dadurch zum Glücksspiel, die KI verhält sich fragwürdig und bleibt hängen, wo sie hängenbleiben kann, regelmäßig kommt es zu Bugs, zudem hat Homefront: The Revolution ein Problem mit seinen eigenen Speicherpunkten… Es ist nicht so, dass Homefront: The Revolution gar keinen Spaß machen würde. Es ärgert euch nur viel zu oft. Dabei sieht man an den wenigen richtig guten Teilen, welch großartiges Spiel aus dem Titel einmal hätte werden können, welches wohl unter der turbulenten Entwicklungsgeschichte mehr als nur gelitten hat.
Pro | Contra | ||
+ Gelungenes Setting | – Framerate furchtbar instabil | ||
+ Gemeinschaftsgefühl entsteht | – Sekundenlange Aussetzer beim Speichern | ||
+ Tolle Waffenmodifizierungen, belohnender Charakter | – Gunplay unpräzise, Klettern buggy | ||
+ Viele Aufgaben | – KI unterirdisch – Sowohl Freunde als auch Feinde | ||
+ Einige hübsche Schauplätze | – Frustpotential | ||
+ Synchro größtenteils ok, Musik teils sehr gut | – Sicherheit der Rebellen inhaltlich unstimmig | ||
– Häufige Bugs und Speicherpunkt-Probleme |
- Grafik: 42
- Sound: 69
- Umfang: 85
- Gameplay: 38
- KI: 29
Spielspaß: 55
Einzelspieler
- Story: Ein interessantes und auch atmosphärisches Setting, wobei die Handlung mit der Zeit eher belanglos wirkt, obwohl durchaus ein Gemeinschaftsgefühl entsteht.
- Wiederspielwert: Es gibt viel zu tun und es wird viel belohnt. Vielleicht haltet ihr es doch nicht so lange aus.
- Frustfaktor: Durch die unpräzise Steuerung, die furchtbare Technik und teilweise vorhandene Bugs vorhanden.
- Design/Stil: Atmosphärisch – Technisch mies.
- Musik/Sound: Hier sind die Ansätze von etwas Großartigem zu erkennen – Ganz durchgezogen wurde das aber nicht.
Multiplayer
- Stabilität: Gut.
- Vielfalt/Motivation: Es gibt nur sechs Missionen. Auch wenn diese gelungen sind, ist ein Ende des Spaßes doch schnell in Sicht.
Informationen zum Testgerät (Xbox One)
Plattform: Xbox One
Edition: Standard (500GB), ohne ausgetauschte Hardware
Hardware: Titel auf externer Festplatte (2TB, USB 3.0)
Alter des Geräts zum Testzeitpunkt: 1 Jahr, 8 Monate
Wir bedanken uns bei Koch Media für das Pressemuster zu Homefront: The Revolution!
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