Vor ein paar Jahren, als Videospiele so langsam begannen Fuß zu fassen, begannen sie im Grunde auch, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Dass die Spiele so ankamen, wie sie ankamen und für entsprechende Diskussionen sorgten, lag einfach an der Plattheit der Spiele. Doch dies ändert sich aktuell rasant.
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Kontakt mit einem Videospiel: Ich war fünf oder sechs Jahre alt, mein Bruder hatte eine PlayStation und wir spielten regelmäßig Street Fighter zusammen, nebenbei plärrte die Lieblingsmusik meines Bruder durchs Zimmer, die mit meinem heutigen Geschmack nichts zu tun hat. Ich weiß nicht mal, was es war. Aber es war laut und irgendwie aggressiv. Doch schon damals war dieses Videospiel nichts anderes als eine simple Gewaltverherrlichung, wenn man es ganz genau nimmt. Ich kämpfe gegen einen virtuellen Gegner, der irgendwann am Boden liegt, weil ich ihn so oft getreten habe.
Später in der Schule dann war Counter Strike ziemlich angesagt, das ich auch mal ausprobierte, um meinem damaligen Schwarm zu gefallen (Fun Fact: Ich scheiterte bereits im Tutorial, weil mir der Sinn nicht klar war). Doch auch wenn ich weiter denke: Pokemon Blau, Kingdom Hearts, Final Fantasy X. Ziemlich viele Spiele, die ich gespielt habe, beinhalteten in irgendeiner Weise Gewalt, egal ob das nun gegen Monster oder Schattenlurche war. Ich habe damals nur ein Spiel gehabt, bei dem es nicht um Gewalt ging und das war Harvest Moon: Back to Nature. Und wenn ich so darüber nachdenke, ist mir durchaus bewusst, warum wir die Killerspieldebatte hatten, denn Spiele zeigten Gewalt in verschiedenen Weisen. Sie sagten, dass ich gegen das Böse kämpfen und es vernichten muss. Wenn man es nun ganz genau nimmt und super herunterbricht auf allein diesen Kontext, ist das schon logisch.
Doch im Laufe der Zeit veränderten sich die Spiele. Sie wurden vielfältiger, vielschichtiger. Es geht nicht mehr nur ums Auslöschen, manchmal muss sogar überhaupt niemand sterben. Doch genau hier steigen die Fans der Killerspieldebatte aus, denn sie wollen nicht sehen, dass Videospiele derzeit ein Level Up erfahren, dass sie das nächste Level erreichen und erwachsen werden. Doch das tun sie derzeit, denn es gibt sehr viele Spiele, die sich mit anderen Themen beschäftigen.
So geht es momentan häufig um das Erwachsenwerden in Spielen, dass Figuren über sich hinaus wachsen, sich an ihr Lebe gewöhnen und mit ihren Herausforderungen dealen. Es geht aber auch um die Hürden der Menschheit, um Mental Health Issues, um Depressionen, um unser tristes graues Leben, aus dem es kein Entkommen gibt. Es geht um Spiele, in denen die Psyche eine Rolle spielt und die einem Möglichkeiten geben, sich damit auseinanderzusetzen, vielleicht sogar Lösungen zu finden. Videospiele neigen dazu, entspannend zu sein und angenehme Gameplaymechaniken anzubieten, wodurch niemand verletzt wird. Sie beginnen, gewaltfrei zu werden und somit das komplette Gegenteil von dem zu sein, was sie zu Beginn waren.
Sicherlich trifft das nicht auf die großen Mainstreamspiele zu, denn diese sind leider noch immer recht platt, beschäftigen sich dafür aber auf andere Weise mit Themen, beispielsweise mit der Geschichte der Welt, anstatt schlicht und ergreifend nur „den Bösen“ zu töten. Vor allem haben Indiespiele diese Entwicklung durchgemacht und das ist ziemlich gut.
Ich habe im Zuge der EGX Berlin zum Thema mit zwei Entwicklern gesprochen, die beide an gewaltfreien Spielen arbeiten. Zum einen habe ich mit Sam von Polygon Treehouse (Röki) gesprochen. Sie sagte auch, dass solche Spiele wichtig sind, um auch Entspannung bieten zu können und sich mit sich selbst beschäftigen zu können. Besonders Spiele wie Röki sind wichtig, um abschalten zu können und um einfach ganz in Ruhe eine schöne Geschichte in einer märchenhaften Welt zu erleben. Und das stimmt. Ich kann mir Röki gar nichts anders vorstellen, so mit Gegnern, die hinter jeder Ecke auf einen lauern und die man vernichten muss, um weiterzukommen. Das würde überhaupt nicht passen.
Zum anderen sprach ich mit Seren von Tritrie Games (Jessika) gesprochen. In Jessika lernt man viel über Radikalisierung und warum jemand wird, wie er später wird. Seren sagte, dass sie mit diesem Spiel ein bisschen die Awareness erhöhen möchten und vielleicht schaffen sie es auch, dass die Menschen ein wenig reflektieren, um eben jenes Schicksal zu vermeiden – oder zumindest die Anzeichen bei anderen finden zu können. Jessika ist an die NSU Fälle angelehnt und zeigt ziemlich deutlich, was passieren kann, wenn wir nicht ein bisschen auf uns achten und doch irgendwo vom Weg abweichen. Auch diese Spiele sind wichtig, um wirklich das Bild zu schärfen.
Und so gibt es mittlerweile viele Spiele, die auf Gewalt verzichten, weil sie so viel mehr zu erzählen und zu zeigen haben. Es ist schön, mitanzusehen wie sich die Spiele weiterentwickeln, wie sie neue Wege beschreiten und dabei ganz charmant die Awareness verbessern und wer weiß, vielleicht werden Videospiele irgendwann wirklich regelmäßig im Unterricht eingesetzt, um bestimmte Dinge der menschlichen Psyche zu zeigen. Das wünsche ich mir jedenfalls noch für die Zukunft, dass Videospiele größtenteils ihren Ruf verlieren und einen anderen Stand in unserer Gesellschaft bekommen.