The Last of Us Part II (PS4) im Test – Höhen und Tiefen der Menschheit

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Sieben Jahre nach dem Erscheinen von The Last of Us setzt Naughty Dog eine Geschichte fort, die vielen als eine der besten der letzten Konsolengeneration in Erinnerung geblieben ist. Die Entwicklungsgeschichte von The Last of Us Part II scheint keine ganz geradlinige gewesen zu sein – und der Start des Epos hat schon für einige Kontroversen gesorgt. Ich hatte nun die Gelegenheit, mir einen ausführlichen Eindruck zu bilden und präsentierte euch hier unseren Test zu The Last of Us Part II.

Eine wunderschöne Apokalypse

In den ersten ein bis zwei Spielstunden liefert The Last of Us Part II die Vorlage für ein Spiel, das vielem bisherigen die Krone aufgesetzt hätte – es besticht durch Vielfalt, gekonnte Erzählung, sinnvolle Tätigkeiten und Handlungen, und nicht zuletzt durch die beeindruckende Technik. Kaum eine Spielwelt in einem Videospiel sieht derzeit so beeindruckend aus, Naughty Dog hat ganze Arbeit dabei geleistet, optisch etwas Atemberaubendes und Vielfältiges auf eure Bildschirme zu zaubern.

Ich gebe euch kurz einen Überblick über das Spiel, welches The Last of Us Part II da zeichnet: Wir bewohnen eine Oase in einer von Infizierten beherrschten Welt, gehen auf Patroullien, erleben Überfälle, Kämpfe … und beschäftigen uns mit zwischenmenschlichen Themen, schwelgen in Erinnerungen an die alte Welt oder denken darüber nach, was aus dieser Welt einmal werden kann. Selbstverständlich bleibt The Last of Us Part II nicht dieses Spiel – was schade ist, weil das Potential genauso verrinnt wie das viele im Spiel vergossene Blut.

Dauerhaft erhalten bleibt The Last of Us Part II die einfach einzigartige Welt: Sie ist deutlich glaubwürdiger inszeniert als die im ersten Teil und sie weiß nicht nur optisch zu begeistern. Selten haben in einem Videospiel gefundene Notizen (und Leichen) so viele so fesselnde Geschichten erzählt wie die in The Last of Us Part II: Es gibt nicht zu viele und nicht zu wenige, und der Spieler wird oft mit einbezogen, indem er beispielsweise zurückgelassene Vorräte plündern darf. Das läuft durch die Safes zwar auf Dauer gleichförmig ab, dennoch sind die Geschichten, die hier erzählt werden, einfach einzigartig.

Nicht nur düstere Szenen erwarten euch in The Last of Us Part II.

Das Gameplay: 2013,5

Ein schönes Erkundungsspiel mit Stealtheinlagen und gelegentlichen Kämpfen: Das ist The Last of Us Part II in den ersten beiden Stunden. Doch es dauert natürlich nicht lang, bis das Spiel von der üblichen Naughty Dog Formel durchzogen wird. Diese nimmt auch den Großteil des Spieles ein, nur, dass es diesmal rauer zugeht als jemals zuvor: Es wird geschossen, getötet, gemetzelt – oder geschlichen. Das Schleichen spielt diesmal eine übergeordnete Rolle, doch wer gut im Schießen ist, kommt meist genauso gut – und vor allem schneller – ans Ziel. Doch ohne Gewalt oder jemanden zu töten, kommt The Last of Us Part II nicht aus.

Der Gewaltgrad im Spiel hat für viele Diskussionen schon vor dem Launch gesorgt: Auch ich hatte Schlimmes erwartet, doch insgesamt stellt The Last of Us Part II eine stimmige Welt dar und an den entscheidenden Stellen wird genug reflektiert. Dennoch bin ich der Meinung, dass ausgerechnet Naughty Dogs Hauptkomponente seinen Spielen am wenigsten guttut: Das ist auch in The Last of Us Part II nicht anders.

An vielen Stellen finde ich die Formel nicht mehr zeitgemäß: In erster Linie ist da der Spinnensinn von Ellie und ihren Gefährten, die uns auf der Reise oft begleiten. Diese handeln zwar erstaunlich souverän und größtenteils klug, doch wieso wissen die Figuren nach ausnahmslos jedem Kampf, dass jetzt kein Feind mehr kommt? Auch im noch so unübersichtlichen Gebiet? Während sie hier übermächtig ist, leistet sich die KI an anderen Stellen ärgerliche Patzer: Unsere Gefährten dürfen zum Beispiel noch immer vor Feinden rumlaufen, ohne entdeckt zu werden. Hey, Naughty Dog, die Entwickler von A Plague Tale: Innocence können euch zeigen, wie’s besser geht.

Auch ohne Gras bleibt man hier mal ganz gern unentdeckt.

Feinde dagegen bekommen manchmal gar nicht mit, dass jemand da ist: Durchsichtiges Glas ist eine perfekte Deckung und ein lautloser Kill wird auch im offenen Feld kaum entdeckt, selbst wenn wir genau im Sichtfeld des Feindes stehen. Also, manchmal schon, aber nicht immer, übrigens unabhängig vom Schwierigkeitsgrad. Manches Mal entdeckt man uns auch nicht, wenn wir geradewegs auf den Feind zulaufen, während uns die Gefährten immer mal wieder den Weg blockieren.

Insgesamt hat Naughty Dog sein Gameplay zwar gut modernisiert, denn die Kämpfe fühlen sich geschmeidig an und kaum ein Spiel mit ähnlicher Ausrichtung bietet so viel Vielfalt und Abwechslung – doch die Risse sind im Fundament erkennbar. Ich finde, hier muss mit dem nächsten Spiel grundlegend nachgebessert werden. Und auch, wenn The Last of Us Part II ohne diesen Kniff mitunter zum Horrorspiel mutieren könnte: Ich weiß ausnahmslos immer, wann ich sicher bin und wann nicht – ist das in einer solchen Welt wirklich realistisch?

Was darf die KI?

Das Marketing: Ein wahrer Bloater, die Story: Voller Mut

Naughty Dogs Grundformel stellt die schwächsten Teile des Spieles, denn das Drumherum, seien es Rückblenden, oder auch einfach Erkundungs- oder Rätselabschnitte, bieten vom Gameplay, der Erzählung und der Atmosphäre her einfach unheimlich viel mehr. Wäre das nicht ärgerlich genug, wird auch das Marketing dem Spiel einfach nicht gerecht: Klar, die wahren Stärken sind im Spiel leider nur zu einem Drittel, vielleicht sogar eher zu einem Viertel vertreten, doch man hätte wenigstens zeigen können, was die Spieler wirklich erwartet. In The Last of Us Part II steckt nämlich so viel mehr als ein wenig aufregender Shooter, den es so gern heraushängen lässt.

Entscheidungsfreiheit lässt uns The Last of Us Part II nicht.

Zum Marketing geht es noch mehr zu sagen – doch auch dieser Test richtet sich noch nach den Richtlinien, was auch völlig richtig ist, denn auf Spoiler sämtlicher Art möchte ich selbstverständlich verzichten. Fürs nächste Mal möchte ich Naughty Dog und Sony einfach nur mitgeben, dass man Titel gern authentischer bewerben darf und nicht soooo viel verstecken braucht. Das spart auch den Shitstorm zum Launch – der vielleicht so oder so gekommen wäre, aber so nur noch nachvollziehbarer ist.

Aus meiner Sicht erzählt The Last of Us Part II eine mutige Geschichte – und auf genau diese Art werden die besten Filme und Bücher erzählt, die ich bisher gelesen habe – eventuell sind sie dort aber auch besser aufgehoben, wenn auch Errungenschaften des Spieles bei bestimmten Brüchen ziemlich achtlos weggeworfen werden. Das gilt vor allem aufgrund des eigentlich sehr gelungenen Fortschrittssystems: Der Ausbau von Waffen ist mittels eingesammelter und in der Spielwelt in glaubhaften Mengen vorhandenen Ressourcen möglich und Figurenverbesserungen werden erst durch gefundene Bücher freigeschaltet – top!

Soweit dennoch ein Lob für den Mut, doch Schwächen gibt es auch hier: Nicht alle Schritte auf Ellies Reise sind nachvollziehbar, Richtungs- und Launenwechsel manchmal undurchsichtig, doch die größte Schwäche zeigt The Last of Us Part II darin, Nebenfiguren einen echten Charakter zu verleihen. Manche Figuren werden exzellent dargestellt, während andere eher eindimensional bleiben und es schwerfällt, eine Bindung aufzubauen – die Kurve kriegt The Last of Us Part II zwar, doch manches Mal ein bisschen zu spät.

Das Upgradesystem gefällt uns sehr gut.

Kann ich hier einfach Pause drücken?

The Last of Us Part II hat mich mehr gefesselt, als ich am Anfang erwartet hätte – doch eben nicht wegen den Teilen, die die meisten wohl als Herzstück des Spieles sehen. Manches Mal hätte ich gern Pause gedrückt, aber dennoch weitergespielt: Einfach nur, um die wunderschöne Ansicht zu genießen und den nächsten Teil mit aneinander gereihten Ballerabschnitten zu vermeiden, die dann meist doch genau gleich ablaufen, obwohl sie durchaus immer mal durch neue Elemente aufgefrischt werden.

Technisch ist The Last of Us Part II einfach eine Augenweide: Es sieht super aus und es gibt nur hier und da kleine optische Fehlerchen, die ich aber verzeihen mag. Anmerken muss ich aber auch, dass ich eine Optik wie diese zum Ende dieser Generation und auf der PS4 Pro auch erwarte, zumal die Welt in The Last of Us Part II nicht sonderlich dynamisch ist und eher Kulisse als Lebenswelt: Nicht mal die Tierwelt ist besonders vielfältig oder verhält sich realistisch. Sie ist eher dazu da, um überhaupt ein Leben vorzugaukeln. Ganz abgesehen davon setzt The Last of Us Part II immer noch gern auf Scripts als auf Dynamik – da sollte dann auch optisch eben mehr drin sein.

Das waren noch Zeiten, hm?

Die Soundkulisse ist dagegen fast ohne Ausnahme erhaben, sie kommt auf TV Lautsprechern nur mit ganz leichten Abmischungsproblemen daher. Davon abgesehen gibt es eine gewaltige Sounduntermalung und eine super deutsche Synchronisation. Bestimmten könnte den wahrgenommenen Ton dennoch manchmal der Lüfter eurer PS4, wobei es gar nicht so schlimm ist, wie ich erwartet hätte. Dennoch habe ich nach The Last of Us Part II klare Prioritäten, was die PS5 betrifft.

Ganz automatisch Pause gedrückt wird manches Mal durch die Sammelobjekte: Sie nehmen wieder Tempo aus The Last of Us Part II. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, alle von ihnen zu finden, wird man mehr Zeit in einzelnen Gebieten verbringen, als nötig. Davon abgesehen verstehe ich nicht, warum man die Sammelobjekte nicht bessere nutzt: Für Ellies Sammelleidenschaft liegen einige Nutzen auf der Hand, die man fast von Anfang an perfekt hätte ins Spiel einbauen können, um zusätzliche emotionale Eindrücke zu setzen. Leider verpasst man die Chance und macht die Sammelobjekte im gesamten Spielverlauf zum nicht erklärten Beiwerk.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich zu Guter letzt auch die zahlreichen Anpassungsoptionen: The Last of Us Part II kann nicht nur vom Schwierigkeitsgrad her, sondern auch von den technischen Aspekten her sehr individuell eingestellt werden, auf eine Art, die beinahe ihresgleichen sucht. Dieser Punkt hilft dem Titel letztlich auch noch in die höhere Wertungskategorie.

Unheimlich, ja. Aber auch wunderschön.

Fazit: Nicht jede Stärke ist offensichtlich

Naughty Dog, besinne dich doch auf deine wahren Stärken! The Last of Us Part II zeichnet eine herausragende Welt und in etwas mehr als der ersten Stunde auch die Vorlage für ein Spiel, das diese vollumfänglich genutzt hätte. Immer wieder baut es auch im kompletten Verlauf darauf auf und liefert großartige Momente, die emotional, atmosphärisch und auch erzählerisch ihres Gleichen suchen. Doch insgesamt ist The Last of Us Part II natürlich nicht dieses Spiel: Ein Großteil des Spieles wird von der bekannten Shooterformel durchzogen, die diesmal mit vielen Stealthpassagen versehen ist.

Doch genau diese viel beworbenen, teilweise Gewalt zelebrierenden Teile sind nicht die wahren Stärken von The Last of Us Part II – sie sind mechanisch zwar solide und im Vergleich zum Erstling verfeinert, aber meines Erachtens längst nicht da angekommen, wo sie angekommen sein sollten: Dazu bieten sie zu wenig Vielfalt, die KI leistet sich immer noch derbe Aussetzer und insgesamt geht eher Atmosphäre verloren, als dass sie geschaffen wird. Sie sind gut für den Mainstream – aber nicht für die Qualität.

Somit streckt sich die Spielzeit von The Last of Us Part II an manchen Stellen unnötig, während andere begeistern und wirklich in Erinnerung bleiben werden. Im Spielverlauf schafft es The Last of Us Part II außerdem nicht immer seine eigenen Errungenschaften, die seiner Figuren und vor allem die seiner Spieler wertzuschätzen. Lücken in der Handlung und Probleme dabei, neue Figuren nachhaltig einzuführen und eine Bindung aufzubauen, runden den Eindruck ab, dass erzählerisch mehr drin gewesen wäre. Für mich bleibt eine tolle, optisch herausragend inszenierte Welt, die aber auch eher Kulisse als Lebensraum ist – und die Erkenntnis, dass Naughty Dog endlich an der Formel für seine Spiele arbeiten muss. Sonst verliert man den Anschluss an die Konkurrenz, die schon jetzt teilweise mehr bietet, um auch mit dieser Art von Spiel zeitgemäßer und fesselnder zu sein.

ProContra
+ Wunderschöne Spielwelt, stimmungsvolle Schauplätze– KI leistet sich unnötige und ärgerliche Patzer
+ Technisch rund– Das „Herzstück“ des Spieles ist spielerisch das schwächste und langatmigste
+ Vielfältige Gameplayelemente– Sinnlose Sammelobjekte
+ Großartige Soundkulisse… – … mit kleinen Problemen bei der Abmischung
+ Mutige Geschichte– Bindung zu (neuen) Figuren gelingt teilweise nur mangelhaft
+ Sehr gelungene Charakterentwicklung– Spielwelt eher statisch statt lebend
+ Lange Geschichte– Furchtbares Marketing des Titels
+ Manche Momente könnten für immer bleiben

Technik: 84
Grafik: 96
Sound: 95
Umfang: 93
Gameplay: 77
KI: 61

Spielspaß: 75

  • Story: The Last of Us Part II erzählt eine mutige, erwachsene und komplexe Story, die jedoch teilweise Lücken aufweist, nicht jede Figur sinnvoll einführt und auch mit dem Spieler nicht unbedingt wertschätzend umgeht.
  • Frustfaktor: Teilweise vorhanden – allerdings kann The Last of Us Part II umfangreich angepasst werden.
  • Nachhaltigkeitswert: Der Umfang ist beeindruckend – und ich denke, wir werden auch noch in einigen Jahren über The Last of Us Part II sprechen.
  • Design/Stil: Überzeugend – technisch bombastisch.
  • Musik und Sound: Die Soundkulisse ist super.
  • Preis-Leistungs-Verhältnis: The Last of Us Part II geht problemlos als Vollpreistitel durch.

Offenlegung

Wir haben einen Reviewkey zu The Last of Us Part II vom Publisher erhalten.

Gespielt haben wir auf einer PS4 Pro, The Last of Us Part II wurde auf der internen Festplatte installiert.

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Manuel Eichhorn
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